OGH 2Ob48/99v

OGH2Ob48/99v13.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard H*****, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagten Parteien 1.) Hermine W*****, 2.) Friedrich W*****, ***** und 3.) A***** AG, ***** alle vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in Gmünd, wegen S 559.662,50 sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. November 1998, GZ 16 R 144/98h-34, womit infolge der Berufungen der Streitteile das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 28. April 1998, GZ 6 Cg 142/96h-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird hinsichtlich der Punkte 1.), 4.),

5.) b und 6.) des Spruches bestätigt und im Übrigen dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat:

"2.) Die Gegenforderung besteht mit S 146.594,14 zu Recht.

3.) Die beklagten Parteien sind daher zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 157.225,86 samt 4 % Zinsen pa ab 4. 6. 1996 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

5.) a) Das Mehrbegehren von S 402.436,64 amt 4 % Zinsen pa ab 1. 5. 1994 und 4 % Zinsen aus S 157.225,86 vom 1. 5. 1994 bis 4. 6. 1996 ... wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 22.821,76 (darin enthalten Umsatzsteuer S 3.803,63) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22. 4. 1994 ereignete sich gegen 21,15 Uhr auf der Bundesstraße 303 außerhalb des Ortsgebietes ein Verkehrsunfall, an welchem der Kläger mit einem von ihm gelenkten PKW und die Erstbeklagte als Lenkerin eines vom Zweitbeklagten gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs beteiligt waren. Beide Lenker wurden schwer verletzt.

Der Kläger begehrte unter Einrechnung eines Eigenverschuldens von 25 % den Ersatz seiner ihm erwachsenen Schäden von insgesamt S 759.550 in Höhe von S 569.662,50 unter Berücksichtigung eines im Strafverfahren erfolgten Zuspruchs von S 10.000,--, also S 559.662,50. Die Erstbeklagte habe eine absolut und relativ überhöhte Geschwindigkeit von 150 km/h bei eingeschaltetem Abblendlicht eingehalten und infolge Kontrollverlusts über ihr Fahrzeug eine Vollbremsung eingeleitet, habe diese aber nicht unterbrochen, um ihr Fahrzeug wieder auf den rechten Fahrbahnrand zurückzuführen, sondern sei über die Fahrbahnmitte geraten, wo sie mit dem PKW des Klägers, der die Fahrbahnmitte aus ungeklärten Gründen überschritten habe, kollidiert sei.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Das Alleinverschulden treffe den Kläger. Dieser sei aus Unaufmerksamkeit nach links über die Fahrbahnmitte geraten. Dadurch sei die Erstbeklagte zu einer Notreaktion gezwungen gewesen. Sie habe noch weiter nach rechts außerhalb der weißen Randlinie ausgelenkt. Nach Erreichen des äußersten rechten Asphaltfahrbahnrandes habe sie eine geringfügige Gegenlenkung nach links vorgenommen und eine Notbremsung eingeleitet. Dadurch sei sie nach links in den Bereich der Fahrbahnmitte geraten. Selbst bei Annahme einer Geschwindigkeit von 130 km/h sei der Unfall für sie unvermeidlich gewesen. Die beklagten Parteien wendeten für den Fall einer zu Recht bestehenden Klageforderung für die Erstbeklagte unter anderem compensando an Schmerzengeld S 350.000,-- ein.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit S 227.865,50 und die Gegenforderung mit S 116.595,34 zu Recht bestünden. Das Feststellungsbegehren des Klägers sei im Ausmaß von 40 % für alle künftigen Schäden aus dem Unfall gerechtfertigt. Es wies ein Mehrbegehren von S 458.392,34 (richtig S 448.392,34) ab.

Folgender Unfallshergang steht fest:

Die Erstbeklagte lenkte ihr Fahrzeug mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 130 km/h aus Richtung Göpfritz in Richtung Brunn/Wild in der Mitte ihres Fahrstreifens. Als sie aus mehreren 100 m Entfernung das entgegenkommende Fahrzeug des Klägers wahrnahm, schaltete sie bei zunächst gleichbleibender Geschwindigkeit und Fahrlinie von Fern- auf Abblendlicht um. Bei einer Distanz von ca 230 m, knapp 4 sec vor der späteren Kollision bemerkte sie, dass das entgegenkommende Fahrzeug auf den von ihr benützten Fahrstreifen geriet. Zur Vermeidung einer Frontalkollision lenkte sie nach einer Reaktionszeit von etwa 1 sec nach rechts aus und leitete gleichzeitig eine geringfügige Bremsung ein. Nach einer weiteren Sekunde geriet sie mit dem rechten Vorderrad an den rechten äußeren Fahrbahnrand oder sogar etwas darüber hinaus. Sie nahm deshalb eine Gegenlenkung nach links vor und führte eine Vollbremsung durch. Wegen der Linkslenkung geriet die linke Seitenflanke des PKWs der Erstbeklagten leicht über die Mittellinie. Bei einer Restgeschwindigkeit von rund 83 km/h kam es zur Kollision mit dem PKW des Klägers. Nicht festgestellt werden konnte, weshalb der Kläger die Mittelleitlinie mit etwas mehr als einer halben Fahrzeugbreite überfahren hatte. Als Abwehrreaktion hatte der Kläger geringfügig ausgelenkt. Er behielt jedoch seine Ausgangsgeschwindigkeit von ca 95 km/h bei. Das Fahrzeug des Klägers kollidierte mit der halben Frontseite. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h der Erstbeklagten hätte unter sonst gleichen Prämissen die Kollision überhaupt vermieden werden können. Das Erstgericht erörterte rechtlich, dass der Verstoß des Klägers gegen die Bestimmung des § 7 Abs 2 StVO unfallsauslösend gewesen sei. Ihm sei der ihm obliegende Nachweis, an der Übertretung dieses Schutzgesetzes keine Schuld zu tragen, nicht gelungen. Auch die Erstbeklagte treffe ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls. Insgesamt sei von einer Verschuldensteilung von 3 : 2 zu Lasten des Klägers auszugehen. Daher bestünden die Klageforderung im Leistungsbegehren mit S 227.865,50 und das Feststellungsbegehren zu 40 % zu Recht sowie die Gegenforderung mit S 116.595,34 zu Recht. Da vom Kläger lediglich 75 % seiner Ansprüche ohne Einräumung einer Verschuldensquote geltend gemacht worden seien, sei der eingeklagte Betrag um seine Mitverschuldensquote zu reduzieren. Bei Beurteilung der Gegenforderung ging es von einem der Erstbeklagten gebührenden Schmerzengeld von S 275.000,-- aus.

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab beiden Berufungen teilweise Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen rechtliche Beurteilung über das beide Lenker treffende Verschulden. Dem Kläger gebührte jedoch der Ersatz von 40 % seiner ihm erwachsenen Schäden, weil er bereits in der Klage auf sein (allfälliges) Mitverschulden verwiesen habe. Es sprach daher aus, dass die Klageforderung (entsprechend seiner Verschuldensquote ausgehend vom Gesamtschaden) mit S 303.820,-- zu Recht bestehe.

Der Berufung der beklagten Parteien gab es insoweit Folge, als es das der Erstbeklagten gebührende Schmerzengeld mit S 325.000,-- (anstelle von S 275.000,--) bemaß. Daher bestehe die Gegenforderung mit S 166.595,34 (anstelle von S 116.595,34) zu Recht bestehe.

Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem Antrag, die Entscheidungen dahingehend abzuändern, dass seinem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagten Parteien beantragen in der (freigestellten) Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zum Teil berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber verweist zunächst darauf, dass bei der Ausmittlung der Gegenforderung die die beklagten Parteien treffende Verschuldensquote unberücksichtigt geblieben und das um S 50.000,-- erhöhte Schmerzengeld ungekürzt als Gegenforderung festgestellt worden sei. Darüber hinaus sei ihm nur der objektive Verstoß gegen ein Schutzgesetz vorzuwerfen. Den Nachweis, dass ihn daran ein Verschulden treffe, hätten die beklagten Parteien zu erbringen. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichthofes zur Frage der Beweislastverteilung sei uneinheitlich. Der Erstbeklagten sei ein überwiegendes Verschulden von 75 % anzulasten.

Es trifft zunächst zu, dass das Berufungsgericht bei Beurteilung der Gegenforderung den als angemessen angesehenen Erhöhungsbetrag an Schmerzengeld ungekürzt, also ohne Berücksichtigung der Mitverschuldensquote ermittelt hat. Bei richtiger Berechnung ist die gesamte Gegenforderung lediglich mit S 146.595,34 als zu Recht bestehend festzustellen (Schmerzengeld S 325.000,--, Verdienstentgang S 14.415,57, Sachschäden S 33.000,--, insgesamt daher S 372.413,57; davon betragen 60 % S 223.448,14, wovon die Teilzahlung von S 76.854,-- abzuziehen ist).

Zu der weiteren aufgeworfenen Frage der Beweislastverteilung bei objektiver Verletzung eines Schutzgesetzes hat der erkennende Senat in jüngerer Zeit bereits ausführlich Stellung genommen. Danach trifft bei Schutzgesetzverletzungen im Straßenverkehr den Geschädigten die Beweislast für den Schadenseintritt und die abstrakte Verletzung des Schutzgesetzes, den Schädiger hingegen dafür, dass ihm diese objektive Übertretung nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist und ihn an der Übertretung des Schutzgesetzes keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit, also kein Verschulden trifft (vgl ZVR 1999/99; 2 Ob 67/97h; 2 Ob 218/98t; 2 Ob 304/99s). Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger zum Kollisionszeitpunkt die Fahrbahnmitte überschritten hatte. Der nach den obigen Ausführungen ihm obliegende Beweis, dass ihn an dieser objektiven Verletzung eines Schutzgesetzes kein Verschulden treffe, wurde nicht erbracht. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes zur Frage der Beweislastverteilung entspricht daher der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl auch RIS-Justiz RS0026351 mwN). Das Berufungsurteil war daher nur dahingehend zu korrigieren, dass die Gegenforderung rechnerisch richtig festgestellt wurde. Die Verschuldensaufteilung der Vorinstanzen begegnet keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Da der Kläger nur mit einem geringen Teil seines Revisionsbegehrens durchgedrungen ist, hat er den beklagten Parteien die Kosten der Revisionsbeantwortung zur Gänze zu ersetzen. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen bedürfen auf Grund des Rechtsmittelergebnisses keiner Korrektur.

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