Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus *****. Im Februar 1973 vermietete sie der B***** Gesellschaft m. b. H. die in diesem Haus gelegenen Geschäftslokale top IV, V und VI. Seither sind mehrere - im Detail hier nicht interessierende - Veränderungen bei der Mieter-Gesellschaft eingetreten (es kann insoweit auf die unstrittigen Feststellungen auf den Seiten 4 und 5 des erstgerichtlichen Sachbeschlusses verwiesen werden).
Die im Sommer 1996 durch den Verkauf der Aktien der B***** Aktiengesellschaft an die R*****-Gruppe eingetretene Veränderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mieter-Gesellschaft hat die Antragstellerin zum Anlass genommen, von der Antragsgegnerin gemäß § 12a Abs 2 und 3 MRG einen höheren als den ursprünglich vereinbarten Hauptmietzins zu verlangen. Da die Antragsgegnerin diesen Erhöhungsanspruch bestreitet, soll jetzt - nach vorheriger Einschaltung der Schlichtungsstelle - vom Gericht festgestellt werden, dass der angemessene monatliche Hauptmietzins für das verfahrensgegenständliche Bestandobjekt ab 1. 9. 1996 S 124.650,-- beträgt und - nach einer detailliert angegebenen Formel - der Wertsicherung unterliegt. Ein darüber hinaus gehendes Zahlungsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
Die rechtliche Auseinandersetzung konzentriert sich vorläufig auf zwei Einwendungen der Antragsgegnerin: Sie behauptet die Verfristung des erst im August 1998 geltend gemachten Erhöhungsanspruchs, weil die Antragstellerin aus den Medien schon im Jahr 1996 verlässliche Kenntnis von der Unternehmensveräußerung erhalten habe; außerdem stehe der Antragstellerin wegen eines im Mietvertrag vereinbarten Weitergaberechts kein Erhöhungsanspruch zu.
Die hiefür maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichtes lassen sich, soweit sie den Verfristungseinwand betreffen, so zusammenfassen, dass der Antragstellerin die Unternehmensveräußerung nicht angezeigt wurde.
Die von der Antragsgegnerin als Vereinbarung eines Weitergaberechts reklamierten Bestimmungen des Mietvertrages vom 22. 2. 1973 lauten wie folgt:
Punkt IV:
"... Da der Hauptmietzins ausschließlich nach kaufmännischen Erwägungen und ohne Bedachtnahme auf gesetzliche oder sonstige behördliche Mietzinsvorschriften festgesetzt wird, stellen die Parteien dieses Vertrages fest, dass Änderungen des Hauptmietzinses durch Gesetz oder andere behördliche Verfügungen den vorstehend vereinbarten Hauptmietzins nicht beeinflussen und eine Änderung desselben nur zulässig ist, wenn sie auf Grund der vorstehenden Wertsicherungsklausel erfolgt."
Punkt XI:
"Alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag gehen auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger über."
Das Erstgericht wies den Sachantrag der Antragstellerin ab. Es verwarf zwar den Verfristungseinwand der Antragsgegnerin, folgte aber deren Argument, dass in den zitierten Vertragsklauseln die Vereinbarung eines den Mietzinserhöhungsanspruch nach § 12a Abs 2 MRG ausschließenden Weitergaberechts zu erblicken sei.
Das Rekursgericht hob diesen Sachbeschluss auf und verwies mit dem Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, die Mietrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dies aus folgenden Erwägungen:
Der Antragstellerin sei beizupflichten, dass aus der verbreitet in Mietverträgen vorkommenden Formulierung, wie sie sich im gegenständlichen Fall in Punkt XI. findet, wonach "alle Rechte und Pflichten auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger übergehen", nicht die Einräumung eines (vertraglichen) Weitergaberechtes an den Mietrechten abzuleiten sei. Aber auch im Zusammenhang mit dem letzten Absatz des Punktes IV. des Mietvertrages, in welchem die Parteien feststellten, "dass Änderungen des Hauptmietzinses durch Gesetz oder andere behördliche Verfügungen den vorstehend vereinbarten Hauptmietzins nicht beeinflussen, und eine Änderung desselben nur zulässig ist, wenn sie aufgrund der vorstehenden Wertsicherungsklausel erfolgt", könne kein "Vorwegverzicht" auf Mietzinserhöhung für den Fall einer nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahre 1973 noch nicht vorhersehbaren gesetzlichen Möglichkeit zur Mietzinsanhebung aus Anlass einer entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit in der Mietergesellschaft erblickt werden. Der letzte Absatz von Punkt IV. stelle nach dem Wortsinn vielmehr klar, dass im Gegensatz zu den in Mietverträgen auch vorkommenden "Zinsanpassungsklauseln" im gegenständlichen Fall allfällige gesetzliche Änderungen bezüglich der Höhe des zulässigen Hauptmietzinses ohne Auswirkungen auf den vereinbarten Mietzins im Verhältnis der damaligen Vertragsparteien bleiben sollten, wobei offenbar insbesondere einer gesetzlichen Beschränkung der im Vertragszeitpunkt freien Mietzinsbildung gemäß § 16 Abs 1 Z 3 MG vorgebeugt werden sollte. Damit habe den Vertragsparteien aber nicht vorgeschwebt, auf die erst durch das 3. WÄG (ab 1. 3. 1994) geschaffene Möglichkeit der Mietzinsanhebung im Fall eines entscheidenden Machtwechsels in der Mietergesellschaft zu verzichten. Eine gegenteilige Auslegung der Vereinbarung bedürfte des Nachweises konkreter Umstände, dass der Vermieter des Jahres 1972 mit seiner Zusicherung auch auf eine ihm durch gesetzliche Änderung erst mehr als 20 Jahre später eingeräumte Möglichkeit der Mietzinsanhebung verzichten wollte (vgl immolex 1999/71).
Bezugnehmend auf den Verfristungseinwand der Antragsgegnerin sei dem Erstgericht hingegen beizupflichten, wenn es mangels Anzeige durch die Organe der Mietergesellschaft eine verlässliche Kenntnis der Vermieterin von sämtlichen für eine Beurteilung iSd § 12a Abs 3 MRG maßgeblichen Kriterien verneinte. Es wäre Sache der Mieterin gewesen, darzutun und zu beweisen, zu welchem Zeitpunkt die Vermieterin vom Machtwechsel in der Mietergesellschaft verlässlich Kenntnis erlangt hat. Dazu habe die Antragsgegnerin eine Dokumentation über Medienberichte vorgelegt. Wolle man aber eine Kenntnis der Vermieterin als ausreichend ansehen, so genüge dafür die bloße Kenntnis von der Möglichkeit eines Veräußerungstatbestandes nicht. Die Vermieterin müsse vielmehr von allen Tatbestandsmerkmalen des Machtwechsels verlässlich Kenntnis haben (vgl WoBl 1992/49). Hiezu reichten die zahlreichen Medienberichte aus dem Sommer 1996, die untechnisch vom "Verkauf der Firma B*****" berichteten, nicht aus. Handle es sich doch nicht um einen Unternehmensverkauf iSd § 12a Abs 1 MRG, sondern um eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten gemäß § 12a Abs 3 MRG, die nur dann verlässlich beurteilt werden könne, wenn eine genaue Kenntnis der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen vermittelt wird. Eine derartige Kenntnis könne durch Medienberichte nicht leicht und insbesondere nicht verlässlich vermittelt werden.
§ 12a Abs 3 MRG normiere eine Anzeigepflicht der vertretungsbefugten Organe. Diese hätten trotz ihrer "Insider-Kenntnis" keinen Anlass gesehen, die stattgehabten Veränderungen anzuzeigen. Im Verfahren zu 5 Ob 7/98k (= WoBl 1998/112 = immolex 1998/148) sei noch im Revisionsrekurs vorgebracht worden, ein Anhebungstatbestand liege zufolge der Veräußerung der Aktien der B***** AG nicht vor, weil es zu keinen Veränderungen in der Mietergesellschaft gekommen sei. Danach habe die Vermieterin aus den Medienberichten, die zwar von einem Verkauf der Firma B***** sprachen, aber auf die entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten nicht eingingen, nicht verlässlich von der Unternehmensveräußerung Kenntnis erlangen können.
Das Erhöhungsbegehren der Vermieterin sei daher weder verfristet noch infolge eines vertraglichen "Vorausverzichtes" auf künftige Mietzinserhöhung dem Grunde nach ausgeschlossen. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren die Angemessenheit des von der Vermieterin begehrten erhöhten Hauptmietzinses zu prüfen haben.
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses nach § 528 Abs 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 18 MRG seien im Hinblick auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Auslegung des vertraglichen Verzichtes auf künftige Änderung des Hauptmietzinses im Verhältnis zu der erst durch das 3. WÄG geschaffenen Möglichkeit der Zinsanhebung unter den Voraussetzungen des § 12a Abs 3 MRG gegeben.
Die Antragsgegnerin hat gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluss fristgerecht Rekurs mit dem Antrag erhoben, ihn so abzuändern, dass dem von der Antragstellerin gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluss erhobenen Rechtsmittel nicht Folge gegeben wird. Ihrer Meinung nach habe sich das Rekursgericht mit der Auslegung der strittigen Punkte IV. und XI. des Mietvertrages in Widerspruch zu jener Judikatur gesetzt, die in vergleichbaren Vereinbarungen - konkret in Vereinbarungen, wie sie hier in Punkt IV. getroffen wurde - stets ein dem Mieter eingeräumtes Weitergaberecht erkannt haben (MietSlg 36.279/12). Berücksichtige man dazu noch den vereinbarten Ausschluss einer Mietzinserhöhung durch Gesetz oder behördliche Verfügungen, könne an einem die Mietzinserhöhung nach § 12a Abs 2 und Abs 3 MRG ausschließenden Weitergaberecht der Antragsgegnerin kein Zweifel bestehen. Was die Verfristung des geltend gemachten Erhöhungsanspruchs betreffe, habe das Rekursgericht zu Unrecht eine auch in rechtlicher Hinsicht vollkommene Kenntnis des Vermieters von der Unternehmensveräußerung verlangt, es sei jedoch nur die (im konkreten Fall anzunehmende) Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts zu fordern.
Von der Antragstellerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Rekursbeantwortung mit dem Antrag vor, das Rechtsmittel der Antragsgegnerin entweder als unzulässig zurückzuweisen, weil es um irrevisible Fragen der Vertragsauslegung im Einzelfall gehe, oder ihm nicht Folge zu geben. Sollte dennoch aus den Bestimmungen der Punkte IV. und XI. des Mietvertrages ein Weitergaberecht der Antragsgegnerin herausgelesen werden, bleibe zu prüfen, ob es nicht vereinbarungsgemäß durch die einmalige Ausübung verbraucht wird und auch schon verbraucht ist.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Eindeutig zu widerlegen ist und bleibt der Verfristungseinwand der Antragsgegnerin. Der erkennende Senat hat nämlich bereits entschieden, dass im Geltungsbereich des § 12a MRG die in Abs 2 leg cit normierte sechsmonatige Frist für die Geltendmachung des Anhebungsbegehrens nur durch die Anzeige der Unternehmensveräußerung zu laufen beginnen kann und nicht mehr - wie bei anderem Gesetzeswortlaut zu § 12 Abs 3 aF MRG judiziert wurde - ab verlässlicher Kenntnis des Vermieters von der Unternehmensveräußerung zu berechnen ist (5 Ob 316/99b). Da der Antragstellerin die Unternehmensveräußerung nie angezeigt wurde, ist ihr Mietzinserhöhungsbegehren nicht präkludiert, ohne dass es auf den Inhalt und die Intensität der Medienberichterstattung über den verfahrensgegenständlichen Veräußerungsvorgang ankäme.
Was das von der Antragsgegnerin behauptete vertragliche Weitergaberecht betrifft (das eine Mietzinserhöhung auch im hier aktuellen Fall eines dem § 12a Abs 3 MRG zu unterstellenden Machtwechsels in der Mieter-Gesellschaft ausschließen würde: WoBl 1999, 204/95; WoBl 2000, 37/10; 5 Ob 141/99t), ist auch der erkennende Senat der Meinung, dass das vom Rekursgericht allein aus dem Text der Mietvertragsurkunde gewonnene Auslegungsergebnis von der einschlägigen Judikatur abweicht. Vertragsklauseln, wonach alle Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger übergehen, wurden nämlich wiederholt als Einräumung eines Weitergaberechts beurteilt, und zwar - zunächst einmal nur vom Wortlaut der Vereinbarung ausgehend - unabhängig davon, ob im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die rechtliche Konsequenz des Ausschlusses einer Mietzinserhöhung nach § 12 Abs 3 aF MRG bzw § 12a Abs 2 nF MRG absehbar war (MietSlg 36/12; WoBl 1990, 100/59 ua; jüngst 5 Ob 279/99m). Hier wollten die Parteien am vereinbarten wertgesicherten Mietzins sogar für den Fall einer Änderung der Gesetzeslage festhalten (Punkt IV. des Mietvertrages), sodass die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, schon die Urkundenauslegung führe zur Verneinung des von der Antragsgegnerin geltend gemachten Weitergaberechts, nicht zu halten ist.
Dennoch ist die Sache nicht entscheidungsreif. Da § 914 ABGB bei der Auslegung von Verträgen grundsätzlich die Erforschung des Parteiwillens gebietet, hätte sich das Erstgericht - wie dies die Antragstellerin schon in ihrem Rekurs an die zweite Instanz rügte - nicht mit der reinen Buchstabeninterpretation begnügen dürfen. Es wird festzustellen haben, was die Parteien mit der Rechtsnachfolgeklausel beabsichtigten. Ungeprüft bliebt aber auch der von der Antragstellerin in ihrer Rekursbeantwortung aufgezeigte Aspekt, dass ein dem Mieter eingeräumtes Weitergaberecht im Zweifel nur einmal ausgeübt werden kann (WoBl 1999, 88/43; WoBl 1999, 204/95 ua), sodass der geltend gemachte Mietzinserhöhungsanspruch wegen des von der Antragsgegnerin behaupteten Weitergaberechts nur dann zu verneinen wäre, wenn die verfahrensgegenständliche Unternehmensveräußerung erstmals zur Einzelrechtsnachfolge in die Mietrechte der B***** Gesellschaft m. b. H. geführt hat oder die Parteien des Mietvertrages atypisch ein mehrmalig ausübbares Weitergaberecht vereinbart haben. Auch dazu steht die Erforschung der Parteienabsicht noch aus (vgl WoBl 1999, 204/95).
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)