OGH 10ObS65/00g

OGH10ObS65/00g4.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Mag. Eva Pernt (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Michael F*****, Pensionist, ***** vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 - 86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva-Maria Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Dezember 1999, GZ 8 Rs 336/99m-81, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14. Juni 1999, GZ 14 Cgs 116/96t-71, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit an den Kläger ab 1. 7. 1997 in Rechtskraft erwachsen sind, werden im übrigen Umfang dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"1. Der Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit besteht für den Zeitraum vom 1. 1. 1996 bis 30. 6. 1997 zu Recht. Die Pension fällt aber für diesen Zeitraum nach § 131c Abs 2 GSVG weg.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagsvertreters die mit S 9.761,28 (darin enthalten S 1.626,88 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

3. Der Kläger hat die weiteren Verfahrenskosten erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen."

Der Kläger hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 23. 5. 1996 den Antrag des Klägers vom 19. 12. 1995 auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit ab.

Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren statt und verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 1996 zu gewähren.

Nur gegen die Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. 1. 1996 bis 30. 6. 1997 erhob die beklagte Partei rechtzeitig Berufung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob das Ersturteil im Umfang des strittigen Begehrens auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Das Erstgericht erkannte auch im zweiten Rechtsgang die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c GSVG im gesetzlichen Ausmaß (auch) für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 30. 6. 1997 zu gewähren. Das Erstgericht ging davon aus, dass der Kläger seine Tätigkeit im Verkauf als Firmengesellschafter des Einzelhandelsunernehmens A. F***** OHG in Wien bis Sommer 1995 ausgeübt habe. Danach sei er lediglich formell Gesellschafter der A. F***** OHG gewesen, habe jedoch keinerlei Erwerbstätigkeit ausgeübt. Mit einer Klage beim Handelsgericht Wien habe der Kläger gegen seine Mitgesellschafter (und Geschwister) die Auflösung der protokollierten OHG begehrt. Seinem Begehren sei mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28. 10. 1994 stattgegeben worden. Dieses Urteil sei am 31. 8. 1995 in Rechtskraft erwachsen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht - wie bereits im ersten Rechtsgang - das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c Abs 1 GSVG. Ein Grund für einen Wegfall dieser Pension nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle im strittigen Zeitraum liege nicht vor, weil der Kläger keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Die in diesem Zeitraum noch aufrechte formelle Stellung des Klägers als Gesellschafter der OHG sei nicht entscheidend.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei in der Hauptsache keine Folge. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 131c Abs 2 GSVG komme es für die hier strittige Frage des Wegfalls der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit ausschließlich darauf an, ob der Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Da dies beim Kläger nicht der Fall gewesen sei, sei das Ersturteil in der Hauptsache zu bestätigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das restliche Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. 1. 1996 bis zum 30. 6. 1997 die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit ohne Bedachtnahme auf einen Pensionswegfall zu leisten, abgewiesen werde.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach § 131c Abs 2 GSVG (in der hier maßgeblichen Fassung nach Art XXX Z 17 StrukturanpassungsG BGBl 1995/297) fällt die vorzeitige Alterspension wegen (dauernder) Erwerbsunfähigkeit mit dem Tag weg, an dem der Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausübt, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 131 Abs 1 Z 4 ausschließen würde. Ist die Pension aus diesem Grund weggefallen und endet die Erwerbstätigkeit, so lebt die Pension auf die dem Versicherungsträger erstattete Anzeige über das Ende der Erwerbstätigkeit im früher gewährten Ausmaß mit dem dem Ende der Erwerbstätigkeit folgenden Tag wieder auf. Nach § 131 Abs 1 Z 4 GSVG idF BGBl 1995/297 setzt der Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer unter anderem voraus, dass der Versicherte am Stichtag (§ 113 Abs 2) weder der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungs- gesetz und (oder) dem Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger unterliegt noch aus sonstigen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen bezieht, das das gemäß § 5 Abs 2 lit c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes jeweils in Betracht kommenden Monatseinkommen übersteigt.... Eine gleichlautende Voraussetzung statuieren § 253b Abs 1 Z 4 ASVG und § 122 Abs 1 Z 4 BSVG jeweils idF BGBl 1995/297.

Der erkennende Senat hat bereits in mehreren noch zur Rechtslage vor der durch das StrukturanpassungsG BGBl 1995/297 erfolgten Verschärfung der Wegfallsbestimmungen ergangenen Entscheidungen mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit jedenfalls dann vorliegt, wenn der Versicherte nach dem GSVG oder BSVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert ist. So hat der erkennende Senat in der Entscheidung SSV-NF 2/4 näher begründet, dass die nach dem GSVG pflichtversicherten, zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer GmbH unabhängig vom Ausmaß ihrer tatsächlichen Beteiligung an der Geschäftsführung eine selbständige Erwerbstätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ausüben. Selbständige Erwerbstätigkeit ist der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen, welche die Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform bezwecken, wobei es zB nicht entscheidend ist, ob dieser Zweck regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht wird, und ob sich die Arbeitsleistungen etwa auf die Betriebsleitung beschränken.

Auch nach der Entscheidung SSV-NF 3/1 liegt eine selbständige Erwerbstätigkeit (im sozialversicherungsrechtlichen Sinne) jedenfalls dann vor, wenn der Versicherte etwa nach dem GSVG oder dem BSVG pflichtversichert ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass alle Personen, die aufgrund der näher umschriebenen Tatbestände (zB § 2 Abs 1 GSVG) pflichtversichert sind, zu den selbständigen Erwerbstätigen (im Sinne des Sozialversicherungsrechts) gehören. Dies gilt selbst dann, wenn aus der Erwerbstätigkeit überhaupt kein Erwerbseinkommen bezogen wurde (SSV-NF 8/53). In der Entscheidung SSV-NF 3/98 sprach der erkennende Senat aus, dass Gesellschafter einer OHG und Komplementäre einer KG selbständig erwerbstätig im Sinn des § 131 Abs 1 lit d GSVG, § 253b Abs 1 lit d ASVG und § 122 Abs 1 lit d BSVG sind. Auch in den weiteren Entscheidungen SSV-NF 10/31 sowie 10 ObS 47/99f vom 30. 3. 1999 hat der erkennende Senat an dieser ständigen Rechtsprechung festgehalten (vgl RIS-Justiz RS0084265).

Durch das bereits erwähnte StrukturanpassungsG BGBl 1995/297 wurde die Anspruchsvoraussetzung der Z 4 des § 131 Abs 1 GSVG, § 122 Abs 1 BSVG und § 253b Abs 1 ASVG für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer und damit auch die auf diese Anspruchsvoraussetzung abstellenden Wegfallsbestimmungen bei vorzeitigen Alterspensionen bei Arbeitslosigkeit, bei langer Versicherungsdauer sowie wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw dauernder Erwerbsunfähigkeit wesentlich verschärft. Während die bisherige Rechtslage auf die Erzielung eines Einkommens aus selbständiger bzw unselbständiger Erwerbstätigkeit, das über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, abgestellt hat, hat diese Regelung nach den Erläuternden Bemerkungen zur RV 134 BlgNR XIX. GP, 84 f (abgedruckt in Teschner/Widlar, MGA GSVG 51. Erg-Lfg Anm 8 zu § 131) in der Praxis dazu geführt, dass sehr viele selbständig Erwerbstätige eine vorzeitige Alterspension in Anspruch nehmen können, ohne ihre bisherige versicherungspflichtige Tätigkeit aufzugeben. Im Hinblick auf den früher einsetzenden Schutz des Versicherten bei den vorzeitigen Alterspensionen ist es durchaus gerechtfertigt, die Anspruchsvoraussetzungen schärfer zu fassen als bei den normalen Alterspensionen. Konsequenterweise sind in diesem Zusammenhang auch die Wegfallsbestimmungen zu verschärfen. Es erscheint nämlich weder gerechtfertigt noch sozialpolitisch wünschenswert, dass jemand eine Frühpension in Anspruch nimmt und seine bisherige selbständige Erwerbstätigkeit weiterhin ausübt. Da die im Bereich der nach dem GSVG und BSVG in der Pensionsversicherung Pflichtversicherten häufig Erwerbstätigkeiten ausüben, welche Einkünfte unter der "Geringfügigkeitsgrenze" nach sich ziehen, sollen die einschlägigen Bestimmungen nunmehr auf den Tatbestand der "Pflichtversicherung an sich" ausgedehnt werden. Die vorgeschlagene Novellierung sieht dementsprechend anstelle der Berücksichtigung des nur über der Geringfügigkeitsgrenze gelegenen Einkommens einen Wegfall der Pension bei Ausübung einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit vor. Im Bereich der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz wird die vorgeschlagene Neuregelung praktisch keine Auswirkungen haben (versicherungspflichtig ist ja nur eine unselbständige Erwerbstätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze), im Bereich der Pensionsversicherung nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz und dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz wird jedoch durch die vorgeschlagene Änderung in allen Fällen ein Wegfall der Pension eintreten, wenn die bisherige Tätigkeit nicht eingestellt wird (Selbständige sind unabhängig vom erzielten Einkommen versicherungspflichtig).

Es genügt daher nach dem eindeutigen Wortlaut des § 131 Abs 1 Z 4 GSVG idF BGBl 1995/297 und der erklärten Absicht des Gesetzgebers nunmehr für das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer bereits der "Tatbestand der Pflichtversicherung an sich" (SSV-NF 12/43; 10/57; RV aaO). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Bestimmung des § 131c Abs 2 GSVG dahin abgeändert, dass die vorzeitige Alterspension wegen (dauernder) Erwerbsunfähigkeit mit dem Tag wegfällt, an dem der Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausübt, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 131 Abs 1 Z 4 ausschließen würde. Zutreffend verweist die beklagte Partei in ihrer Revision darauf, dass durch diesen Hinweis auf die Bestimmung des § 131 Abs 1 Z 4 GSVG im Wortlaut des § 131c Abs 2 GSVG klar zum Ausdruck gebracht wird, dass die Ausschlussbestimmung des § 131 Abs 1 Z 4 GSVG gleichermaßen auch für den Eintritt eines Pensionswegfalles maßgebend sein soll. Es entspricht daher der erklärten Absicht des Gesetzgebers des StrukturanpassungsG BGBl 1995/297, auch die Wegfallsbestimmung des § 131c Abs 2 GSVG dadurch zu verschärfen, dass bereits das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG zum Wegfall des Pensionsanspruches für die Dauer des Bestandes dieser Pflichtversicherung führen soll.

Der Kläger war unbestritten im hier maßgebenden Zeitraum vom 1. 1. 1996 bis 30. 6. 1997 gemäß § 2 Abs 1 Z 2 GSVG pflichtversichert. Nach den dargelegten Ausführungen ist damit aufgrund der für diesen Zeitraum bereits anwendbaren Bestimmung des § 131c Abs 2 GSVG iVm § 131 Abs 1 Z 4 GSVG idF BGBl 1995/297 sein Pensionsanspruch weggefallen. Den gegenteiligen Rechtsausführungen des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung kann im Hinblick auf die dargestellte ständige Rechtsprechung und Absicht des Gesetzgebers nicht gefolgt werden.

Es war daher in Stattgebung der Revision auszusprechen, dass der Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. 1. 1996 bis 30. 6. 1997 zu Recht besteht, die Pension aber für diesen Zeitraum nach § 131c Abs 2 GSVG wegfällt (vgl SSV-NF 12/53 ua).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und b iVm Abs 2 ASGG. Der Kläger hat danach aufgrund seines teilweise Obsiegens Anspruch auf Ersatz der ihm im ersten Rechtsgang im Verfahren vor dem Erstgericht entstandenen Prozesskosten. Im weiteren Verfahren ist der Kläger hingegen zur Gänze unterlegen. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit trotz gänzlichen Unterliegens wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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