OGH 2Ob83/99s

OGH2Ob83/99s16.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Matthias W*****, vertreten durch Dr. Karlheinz Plankel, Dr. Herwig Mayerhofer und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Marktgemeinde L*****, vertreten durch Dr. Rolph Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen restlich S 117.000,-- s. A. (Revisionsinteresse S 90.000,-- s. A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Dezember 1998, GZ 2 R 272/98m-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. Juli 1998, GZ 5 Cg 66/97d-24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Betreiberin des in ihrem Eigentum stehenen Schwimmbades "Parkbad L*****". Am 10. August 1996 erlitt der Kläger schwere Verletzungen, als er im genannten Schwimmbad von einem Startsockel aus einen Kopfsprung ins Wasser machte und mit dem Kopf auf dem Beckenboden aufprallte. Die Haftung der Beklagten für die Unfallschäden des Klägers ist nicht mehr strittig.

Der Kläger erlitt einen Berstungsbruch des fünften Halswirbels mit medianer Bogenfraktur und Teilverrenkung des fünften zum sechsten Halswirbel, eine Verletzung der Bandscheibe und der Bänder in den Segmenten C 4/C 5 und C 5/C 6 mit Verlagerung der Bandscheibe C 4/C 5 sowie eine Kompression des Hals-Rückenmarkes mit Teillähmungen, Gefühlsstörungen und Kribbelmissempfindungen in beiden oberen Extrimitäten. Auf Grund dieser Verletzungen bestand anfänglich die Gefahr einer Querschnittlähmung. Der Kläger wurde im Landeskrankenhaus Feldkirch operativ behandelt. Nach Abschluss seines stationären Krankenhausaufenthaltes musste er zur Rehabilitation ins Rehab-Zentrum Bad Häring, wo er bis zum 24. 10. 1996 blieb.

Durch den Unfall trat beim Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 %, bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, ein. An Spätfolgen ist mit einer verstärkten Abnützung der nicht versteiften Halswirbelsäulengelenke zu rechnen. Die Kraftminderung links stellt auch im Beruf des Klägers als Schlosser eine Behinderung dar, die wahrscheinlich nicht zur Gänze verschwinden wird. Unter den derzeitigen Gegebenheiten ist es jedoch nicht notwendig, dass der Kläger seinen Beruf wechselt. Andere Spätfolgen als die verstärkte Abnützung der nicht versteiften Halswirbelsäulengelenke, die in Hinkunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Beschwerden führen wird, sind nicht zu erwarten.

Dem Kläger verblieben zwei Narben. Eine Narbe befindet sich am rechten Beckenkamm. Überdies hat der Kläger auf der rechten Halsseite unmittelbar oberhalb des Kragenbereiches eine etwa 7 bis 8 cm lange, blassrosafarbene Narbe, die aus einer Entfernung aus etwa 1 1/2 m gerade noch erkennbar ist. Diese Narbe ist wenig auffallend. Sie wird in Hinkunft noch verblassen, jedoch erkennbar bleiben. Durch einen geschlossenen Kragen wird die Narbe verdeckt. Diese Narbe ist kosmetisch unauffällig und wegen ihrer geringen Erkennbarkeit für den unverheirateten Kläger nicht verunstaltend.

Der Kläger begehrte letztlich Zahlung eines Betrages von S 147.043,70, der sich aus restlichem Schmerzengeld, Verdienstentgang, Entschädigung für die Mehranstrengungen im Beruf (S 80.000,--) sowie Verunstaltungsentschädigung (S 10.000,--) zusammensetzt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung dieses restlichen Klagebegehrens, und wendete insbesondere - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ein, dass dem Kläger keine Verunstaltungsentschädigung oder Entschädigung für Mehranstrengungen im Beruf zustünden.

Das Erstgericht traf dazu die bereits eingangs - soweit wesentlich - wiedergegebenen Feststellungen.

Zu den nunmehr entscheidungswesentlichen Punkten der begehrten Entschädigung für Mehraufwand im Beruf und der Verunstaltungsentschädigung führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, dass dem Kläger eine Verunstaltungsentschädigung nicht zustehe, weil die ihm verbliebenen Narben nicht verunstaltend und auch nicht geeignet seien, sein besseres Fortkommen zu verhindern.

Für seine unfallsbedingten Mehranstrengungen im Beruf mache der Kläger keine abstrakte Rente geltend, die für derartige Ansprüche vorgesehen sei. Die durch die Unfallsfolgen bedingten Unlustgefühle im Berufsleben seien im zugesprochenen Schmerzengeld enthalten.

Von diesen Erwägungen ausgehend, sprach das Erstgericht dem Kläger restlich S 30.043,70 (restliches Schmerzengeld und Verdienstentgang) zu, das Mehrbegehren von S 117.000,-- wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es dem Kläger unter dem Titel des Schmerzengeldes einen weiteren Betrag von S 20.000,-- zusprach und das Mehrbegehren von S 97.000,-- samt Anhang abwies. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO - vorbehaltlich des § 508 ZPO - nicht zulässig sei.

Eine abstrakte Entschädigung für Mehranstrengungen im Beruf stehe dem Kläger nicht zu. Eine abstrakte Rente werde von ihm nicht geltend gemacht; die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer solchen lägen auch nicht vor, weil die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Einkommensminderung nicht nachgewiesen sei. Die vom Kläger zur Unterstützung seiner Rechtsmeinung herangezogenen Entscheidungen beträfen entweder die Hausfrauenrente oder Mehranstrengungen im landwirtschaftlichen Bereich. In diesen Fällen sei ausgesprochen worden, dass dem Geschädigen Ersatz zu leisten sei, wenn er keine Ersatzkraft in Anspruch nehme, aber unter Mehraufwendung von Arbeitskraft jene Leistungen, für die ihm Entschädigung gebühre, selbst erbringe. Das Einstellen einer Ersatzarbeitskraft sei aber dem Kläger, der offensichtlich ein unselbständig Erwerbstätiger ist, gar nicht möglich, sodass auch aus diesem Grund eine Entschädigung für Mehranstrengungen im Beruf nicht in Betracht komme.

Eine Beeinträchtigung im beruflichen Fortkommen könne von keiner der beiden dem Kläger verbliebenen Narben erwartet werden. Die Narben seien auch so gering und unauffällig, dass dadurch seine Heiratsaussicht nicht geschmälert sei. Dem Erstgericht sei daher darin beizupflichten, dass dem Kläger eine Verunstaltungsentschädigung nicht gebühre.

Über Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht den Ausspruch im Berufungsurteil über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahingehend ab, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO doch zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage einer allgemein-abstrakten Entschädigung für Mehranstrengungen im Beruf außer bei Hausfrauen und Landwirtinnen noch nicht ergangen sei.

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1325 ABGB hat der Verletzte - neben dem hier nicht geltend gemachten Anspruch auf die Heilungskosten - Anspruch auf Ersatz des entgangenen und künftig entstehenden Verdienstes sowie auf Zahlung eines "den erhobenen Umständen angemessenen Schmerzengeldes".

Voraussetzung eines Anspruches auf entgangenen Verdienst ist in der Regel, dass das Einkommen wegen der Verletzung tatsächlich zurückgegangen ist (Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 22 zu § 1325). Der Kläger begehrt jedoch eine einmalige Entschädigung für Mehranstrengungen im Beruf. Er ist weiterhin in seinem Beruf tätig und erbringt nach seinem eigenen Vorbringen überdurchschnittliche Arbeitsleistungen. Dass er künftig wahrscheinlich einen Verdienstentgang erleiden wird, steht nicht fest, weshalb auch nicht die Voraussetzungen für eine abstrakte Rente vorlägen. Daher wird hier weder ein tatsächlich eingetretener Vermögensschaden, noch ein wahrscheinlich zukünftig eintretender Vermögensschaden geltend gemacht. Der Kläger begehrt vielmehr Ersatz für die mit den Mehranstrengungen im Beruf verbundenen Unlustgefühle.

Der Ausgleich für größere Anstrengungen und Mühen bei der Arbeit erfolgt allerdings im Rahmen des Schmerzengeldes (Harrer aaO Rz 57 zu § 1325; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 30 zu § 1325 und die dort jeweils angeführte Rechtsprechung). Diesen hat das Berufungsgericht - im größeren Umfang als das Erstgericht - auch unter Hinweis auf die in der Berufung geforderte Entschädigung für Mehraufwand im Beruf vorgenommen. Die von den Umständen des Einzelfalles geprägte Schmerzengeldbemessung berührt auch hier keine erhebliche Rechtsfrage.

Mit der vom Kläger für seinen Standpunkt herangezogenen Judikatur zur Hausfrauenrente oder zum Mehraufwand im landwirtschaftlichen Bereich (ZVR 1987/56, 1958/207; 1966/61, 1979/182 ua) wurde konkreter Verdienstentgang abgegolten (Harrer aaO Rz 44 zu § 1325; Reischauer aaO Rz 38 f zu § 1325). Einen solchen erleidet der Kläger aber nicht. Der der vom Kläger reklamierten Rechtsprechung lagen dagegen Fälle zugrunde, in denen Hausfrauen und Landwirtinnen unentgeltliche Arbeit geleistet hatten; in dieser liegt der Verdienst in der reinen Arbeitsleistung (Reischauer aaO Rz 24 zu § 1325). Der Kläger erhält aber nach wie vor (ungeschmälert) Entgelt für seine unselbständigen Arbeitsleistungen.

Die Ausführungen der Vorinstanzen zu der vom Kläger begehrten Verunstaltungsentschädigung, dass die vorliegenden Narben wenig auffallend seien und daher nicht davon ausgegangen werden könne, dass er dadurch in seinem besseren Fortkommen verhindert werden könne, halten sich im Rahmen der Rechtsprechung, wonach das Vorliegen einer Veranstaltung nicht nach medizinischen Gesichtspunkten sondern nach der allgemeinen Lebensanschauung zu beurteilen ist (Reischauer aaO Rz 4 zu § 1326 und die dort angeführte Judikatur). Dass mit den festgestellten Narben keine wesentliche nachteilige Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des Klägers verbunden ist, stellt keine Beurteilung dar, die eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen könnte.

Die Revision war daher als unzulässig im Sinne dieser Bestimmung zurückzuweisen.

Da die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, war ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO Kostenersatz für diesen Schriftsatz zuzuerkennen.

Stichworte