OGH 14Os132/99

OGH14Os132/991.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Feber 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Rath und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Klaus K***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25. Juni 1999, GZ 35 Vr 3354/94-132, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Hübl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen fahrlässiger Krida in Hinsicht auf die in der Anklage unter Punkt A und B beschriebenen Taten sowie im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet.

Text

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 18. Feber 1998 wurden Klaus K***** die Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (A/I, II) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (B) sowie das (richtig: die) Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 StGB (C/1, 2) zur Last gelegt.

Danach hat er in Flachau, Radstadt, Bischofshofen und andernorts

A) als Geschäftsführer der K***** Beteiligungs GmbH andere (mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung) durch Täuschung über die tatsächliche Verwendung von Anlagegeldern im Rahmen des Anbietens und der Abwicklung steuerbegünstigter Finanzierungsprojekte zu vermögensschädigenden Handlungen, nämlich zur Überlassung von jeweils bei der R***** Bischofshofen aufgenommenen Kreditbeträgen verleitet, wobei der Gesamtschaden 72,230.000 S betrug, und zwar

I. zwischen 23. Dezember 1992 und 20. April 1993 31 (namentlich genannte) Personen durch die Vorspiegelung des treuhändigen Erwerbes von Nutzungsrechten an mehreren (konkret bezeichneten) Ferienwohnprojekten (sogenannten "Time-share-Projekten") unter wahrheitswidriger Zusicherung eines steuerfreien Veräußerungsgewinnes von 10 % des eingesetzten Kapitals und erstrangiger grundbücherlicher Sicherstellung zur Hingabe von (detailliert zugeordneten) Geldbeträgen im Umfang von 54,5 Mio S an ihn (Schaden nach Abzug geleisteter Teilzahlungen 38,730.000 S),

II. zwischen 23. und 29. Dezember 1992 22 (namentlich genannte, teils mit den zu Punkt I angeführten Geschädigten idente) Personen durch die Vorgabe der Beteiligung an einem risikolosen (zufolge Verlustabschreibung ertragreichen) Steuermodell (Ankauf von Bierfässern und Verleasen derselben an den Verkäufer - sogenanntes "Bierfass-Modell") unter Zusicherung der persönlichen Rückführung der Darlehen samt Zinsen zum Abschluss von Beteiligungsverträgen als atypisch stille Gesellschafter und Hingabe von Gesellschaftsdarlehen über insgesamt 33,5 Mio S (Schaden 33,5 Mio S);

B) am 21. Juni 1993 als Kassier des "D*****" (im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Präsidenten des Vereins) die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieses Vereins zu verfügen, durch statutenwidrige Verpfändung eines zu Gunsten desselben an einer konkret bezeichneten Liegenschaft bestehenden Fruchtgenussrechtes an die R***** Bischofshofen wissentlich missbraucht und dem angeführten Verein hiedurch einen Vermögensnachteil von 11 Mio S zugefügt;

C) einerseits als (persönlicher) Schuldner mehrerer Gläubiger,

andererseits als (jeweiliger) Geschäftsführer folgender (teils miteinander verflochtener) Unternehmen, die jeweils Schuldner mehrerer Gläubiger waren, nämlich der T***** GmbH, K***** GmbH, R***** BetriebsgmbH, K............K. Betriebsberatungs-GmbH, W***** GmbH, K*****Beteiligungs-GmbH, K***** C***** GmbH, K***** H***** GmbH, V***** GmbH, W***** GmbH, WT*****GmbH, R***** GmbH, M***** GmbH und R***** GmbH, fahrlässig

1. "von 1991 bis 1993" seine sowie die Zahlungsunfähigkeit der angeführten Gesellschaften insbesondere durch unverhältnismäßige Kreditbenutzung, Abschluss gewagter Geschäfte und Vornahme anderer (detailliert beschriebener) kridaträchtiger Handlungen herbeigeführt sowie

2. "von 1993 bis 1994 bzw 1995" in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit und der Zahlungsunfähigkeit der von ihm geleiteten Firmen die Befriedigung seiner persönlichen Gläubiger sowie der Gesellschaftsgläubiger durch Eingehen neuer Verbindlichkeiten, Bezahlen alter Schulden und nicht rechtzeitiger Eröffnung des Konkurses vereitelt bzw geschmälert.

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Klaus K***** (inhaltlich der Entscheidungsgründe in Erledigung sämtlicher Anklagevorwürfe) bloß der Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 StGB schuldig erkannt.

Die Tatrichter erachteten die Beweisergebnisse in Bezug auf die dem Angeklagten angelasteten Verbrechenstatbestände (Anklagefakten A und B) trotz Feststellung (auch) des diesbezüglichen objektiven Sachverhalts an Hand der Anklagebegründung (US 3 ff) für nicht ausreichend, ihm den hiezu jeweils vorausgesetzten Schädigungsvorsatz sowie den hinsichtlich der Betrugsfakten zusätzlich erforderlichen Bereicherungsvorsatz nachzuweisen. Insoweit folgte der Schöffensenat ungeachtet des Vorliegens "gewisser Indizien für das Wissen des Angeklagten um die finanzielle Situation seiner Unternehmensgruppe seiner letztlich für nicht widerlegbar" angesehenen Verantwortung, wonach er insgesamt nur fahrlässig (im Sinn beider Deliktsfälle des § 159 Abs 1 StGB) und jeweils ohne Schädigungsvorsatz gehandelt habe (US 17 f). Vor allem der Umstand, dass er sich (neben seiner Gattin) persönlich an den Steuermodellen unter Einsatz erheblicher Geldsummen beteiligt (Anklagefakten A) und die persönliche Haftung für einen Teilbetrag der Kaufsumme beim Erwerb der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft mit dem darauf zu Gunsten des "D*****" bestehenden (in der Folge der R***** Bischofshofen verpfändeten - Anklagefaktum B) Fruchtgenussrecht durch die (ihm gehörige) Firma R***** GmbH übernommen habe, stehe der Annahme eines dolosen Verhaltens entgegen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass sowohl der auf den Betrugsvorwurf (A) als auch jener auf den Untreuetatbestand (B) bezogene Anklagesachverhalt wegen fehlendem Schädigungs- bzw Bereicherungsvorsatz im vorliegenden Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida aufgehe, weshalb die Anklage auch in diesen Punkten erledigt ist (11 Os 61/87).

Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich im Kern gegen die (Negativ-)Feststellungen zum Fehlen der inkriminierten Vorsatzkomponenten hinsichtlich der Anklagefakten A und B und damit gegen die Subsumtion des gesamten Verhaltens des Angeklagten unter den Tatbestand der fahrlässigen Krida wendet.

Die Anklagebehörde macht zu Recht gravierende Begründungsfehler (Z 5) geltend:

Rechtliche Beurteilung

Wenngleich das Gericht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO nur verpflichtet ist, die entscheidenden Umstände in gedrängter Darstellung abzufassen, ohne sämtliche Verfahrensresultate detailliert und in extenso zu erörtern, muss es in jedem Fall das wesentliche Beweismaterial verwerten und - falls sich der Schöffensenat für die Glaubwürdigkeit der Einlassung eines Angeklagten entscheidet - formell einwandfrei dartun, aus welchen Gründen es die in entgegengesetzte Richtung weisenden Verfahrensergebnisse für belanglos oder weniger überzeugend hält (Mayerhofer StPO4 § 281 Abs 1 Z 5 E 57).

Diesen gesetzlichen Mindestanforderungen ist das Erstgericht bei Begründung der Verneinung des Bereicherungs- und/bzw Schädigungsvorsatzes indes nicht nachgekommen, hat es sich doch pauschal in wenigen Zeilen damit begnügt, dem (weitgehend wortident wiedergegebenen) Anklagesachverhalt die leugnende Einlassung des Klaus K***** gegenüberzustellen (US 17 f), ohne die gegen diese Darstellung sprechenden aktenkundigen (teils bloß völlig unreflektiert erwähnten) Tatsachen auch nur ansatzweise zu würdigen. So wurde auf die gänzliche - den Kapitaleinsatz des Angeklagten miteinschließende - Fremdfinazierung der beiden Steuermodelle durch die R***** Bischofshofen und auf die (vom Angeklagten zugestandene - S 39/V - und ua vom Zeugen Dipl.Vw. L***** bekundete - S 65 ff/V) widmungswidrige Verwendung der Anlagegelder in Form der Kapitalzuführung an andere (schon damals) notleidende Firmen des weitverzweigten "K*****-Imperiums" zwar kursorisch hingewiesen, diese Umstände aber keiner substantiellen Erörterung zugeführt (US 14 f).

Verfahrensresultate, die bei komplexer und lebensnaher Betrachtung im Rahmen einer (gleichfalls unterbliebenen) kritischen Gesamtschau sämtlicher Beweisergebnise ein doloses Verhalten des Angeklagten indizieren, blieben - wie die Anklagebehörde zutreffend hervorhebt - gänzlich unerwähnt. Darunter fallen die Ausführungen des Buchsachverständigen Dr. D***** (ON 50/III und 78/V iVm S 186 ff/V) und die Aussage des genannten Zeugen Dipl.Vw. L*****, wonach schon Ende 1992 eine Überschuldung der K*****-Gruppe im Ausmaß von 183 Mio S gegeben gewesen sei und die stillen Gesellschafter von vornherein keine Chance hatten, ihre Darlehen zurückbezahlt zu erhalten (S 117/IV) bzw dass der eigennützige sowie vereinbarungswidrige Einsatz des Anlagekapitals erheblichen Auffälligkeitswert habe (S 65 ff/V).

In Anbetracht des vielschichtigen Tatgeschehens, dessen Aufklärung die Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens im Verlauf der mehrfach vertagten Hauptverhandlung erfordert hat, wäre das Erstgericht überdies verhalten gewesen, den von der Beschwerdeführerin ferner ins Treffen geführten relevanten Inhalt der die tatverfangenen Gesellschaften betreffenden (in der Hauptverhandlung verlesenen - S 207/VI) Konkursakten (insbesondere des Aktes AZ 23 S 1271/95x des Landesgerichtes Salzburg betreffend die K***** Beteiligungs GmbH) und Zivilakten (so des Aktes AZ 14 Cg 159/94 des Landesgerichtes Salzburg) unter Anführung der daraus im Blick auf die subjektive Tatseite gezogenen Schlüsse ebenso wie die zeugenschaftlichen Angaben der im vorliegenden Verfahren ausführlich vernommenen Geschädigten (darunter Mag. Maria Theresia S***** - S 116 ff/V, Wilfried M***** - S 26 ff/VI und Josef A***** - S 166 ff/VI), der als Masseverwalter eingeschrittenen Rechtsanwälte (Dr. Edwin D***** - S 16 ff/VI und Dr. Wolfgang H***** - S 124 ff/VI) sowie der befasst gewesenen Notare (Dr. Waldemar S***** - S 4 ff/VI und Dr. Dietrich K***** - S 132 ff) zu erörtern.

Unter der ferner gebotenen Berücksichtigung des aktenkundigen beruflichen Wissens des Angeklagten als Wirtschaftstreuhänder um dingliche Rechte (und deren Verwertbarkeit) ist auch bezüglich des Vorwurfs der Untreue bei Beachtung der erwähnten relevanten Verfahrensumstände eine andere Lösung der Schuldfrage denkbar.

Im Zusammenhalt mit der ebenfalls übergangenen Aussage des Buchsachverständigen Dr. D***** über die Auswirkungen des (vom Angeklagten für den finanziellen Niedergang seines Unternehmensimperiums verantwortlich gemachten) Scheiterns der Errichtung eines multifunktionalen Zentrums in Radstadt (ON 78/IV) sind die tatrichterlichen Annahmen zur subjektiven Tatseite somit in Ansehung beider Anklagefakten (A und B) unvollständig geblieben.

Da die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung schon wegen dieser Begründungsmängel nicht zu vermeiden ist, erübrigt sich eine Erörterung der weiteren Beschwerdepunkte.

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