Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der 1965 geborene Kläger, der bei der Beklagten seit 21. 9. 1992 als Lohnverrechner beschäftigt war, wurde mit Schreiben vom 24. 11. 1997, zugestellt am 25. 11. 1997, entlassen. Der von der Entlassungsabsicht verständigte Betriebsrat hatte dazu keine Stellungnahme abgegeben.
Der Kläger begehrt, die Entlassung "für rechtsunwirksam zu erklären". Sie sei ohne hinreichenden Grund erfolgt und zudem sozial ungerechtfertigt, weil sie wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtige. Aufgrund seines Alters von 33 Jahren sei er nicht mehr in der Lage, einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu erlangen. Personenbezogene oder betriebliche Gründe, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Entlassung sei gerechtfertigt, weil der Kläger während eines Krankenstandes einer genesungswidrigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Darüber hinaus habe er sich wiederholt nicht an innerbetriebliche Regelungen gehalten, um sich Arbeitsschritte ersparen zu können. Auch habe er mit Ausreden Arbeiten jüngeren Kollegen zugeschanzt. Eine ältere Kollegin habe er beschimpft, indem er meinte, sie sei zu dumm, gewisse Aufgaben durchzuführen. Es seien daher jedenfalls persönliche Umstände gegeben, welche die betrieblichen Interessen der Beklagten nachteilig berührten. Das Vorliegen von Sozialwidrigkeit werde bestritten.
Während des Verfahrens brachte die Beklagte überdies vor, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch deshalb unzumutbar sei, weil er eine Mitarbeiterin der Personalabteilung sexuell belästigt habe. Hievon habe die Beklagte erst vor zwei Tagen erfahren.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Nachdem er den Besuch der Handelsakademie abgebrochen hatte, schloss der Klägers seine Schulausbildung mit der Handelsschule ab. Seit 1989 arbeitete er als Lohnverrechner; er legte beim WIFI eine entsprechende Prüfung ab. 1997 verdiente er ca S 31.500,- brutto monatlich. Gemeinsam mit seinem Bruder ist er Eigentümer einer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft, aus deren Bewirtschaftung er jährlich ca. S 25.000,- bis S 30.000,- netto erzielt. Er ist nicht verheiratet. Auf Grund eines Übergabsvertrages treffen ihn Sorgepflichten für seine Mutter, wobei er jedoch aus diesem Titel derzeit keine Zahlungen zu leisten hat. Für Kreditaufnahmen und Schulden (im Juli 1997 insgesamt S 880.941) zahlt der Kläger monatlich S 12.000,- bis S 13.000,‑. Anfang 1997 eröffnete er in seinem Wohnhaus einen Buschenschank, mit dem er - wegen Investitionen - 1997 nur einen Verlust erwirtschaftete. Unter Außerachtlassung der Investitionen hätte er einen Gewinn von S 30.000,- bis S 40.000,- erzielt.
Der Kläger verfügt in der Lohnverrechnung über gute Kenntnisse und führte für seinen Arbeitgeber auch Einschulungen durch. 1995/1996 hielt er ein Seminar ab, in dessen Verlauf er die älteste Mitarbeiterin der Beklagten gegenüber den anderen Mitarbeitern als "zu blöd" für die Bearbeitung von Exekutionen bezeichnete. Der Kläger erwies sich als nicht teamfähig, weshalb es immer wieder zu Unstimmigkeiten und Streitereien kam. Er stellte sich immer wieder als etwas Besseres dar und erwies sich in Diskussionen als uneinsichtig. Im Herbst 1997 verstieß er bei der Auszahlung von Taxispesen gegen klare interne Regelungen, wonach nur S 230,- pro Fahrt gezahlt werden, indem er eine Zahlung von über S 500,- "akzeptierte". In dadurch ausgelösten Gesprächen mit Vorgesetzten sah er in seiner Vorgangsweise keine Fehler, sondern verteidigte sie. Einmal wurden auf Grund eines Fehlers des Klägers einem Arbeitnehmer Zulagen zu Unrecht ausgezahlt. Ein vergleichbarer Fehler kann im Rahmen der Lohnverrechnung auftreten und ist auch schon anderen Arbeitnehmern unterlaufen. Im Vertrauen auf die Verlässlichkeit eines neu eingeführten Systems führte der Kläger nach den Richtlinien der Beklagten erforderliche Belegkontrollen nicht so genau durch, wie andere Mitarbeiter. Notwendige Kontrollen und Gegenzeichnungen von Auszahlungen führte der Kläger nicht gern durch, weshalb es zu Mängeln kam. Entgegen einer Richtlinie der Beklagten zahlte der Kläger Entgelt für Krankenstände aus, obwohl noch kein entsprechender Beleg der Gebietskrankenkasse vorlag. Darauf angesprochen, zeigte er sich uneinsichtig und erklärte, seine Arbeitsweise sei einfacher. Das Abreißen der Perforation bei den Abrechnungszetteln hielt der Kläger für eine Arbeit für weniger qualifizierte Mitarbeiter und ließ diese Aufgabe daher von jüngeren Kollegen durchführen.
Zur in der Lohnverrechnung tätigen Gerda W***** war der Kläger "teilweise ungut ausfällig"; er berührte sie immer wieder und erklärte ihr, dass er sie "noch kriegen" werde. 1997 brachte er diese Mitarbeiterin nach Hause und fragte sie, ob sie mit ihm schlafen wolle. Sie machte ihm deutlich, dass er bei ihr keine Chancen habe und dass er nicht "so plump" sein solle. Dem Kläger war klar, dass er "keine Chance" hat, er war aber der Meinung, die Mitarbeiterin werde sein Bemühen genießen und setzte sein Verhalten fort. Er griff immer wieder an ihre Hand, obwohl sie mehrmals erklärte, dies nicht zu wollen. Teilweise ließ sich die Mitarbeiterin aber auf "Geplänkel" ein und tauschte mit dem Kläger auch E‑Mails aus, in denen sich der Kläger "eindeutig zweideutig" ausdrückte (z.B. "bei Dir würde ich eine Ausnahme machen - Dich (be)arbeiten und mich gleichzeitig entspannen!" oder "was wäre schon dabei! Einmal passiert es sowieso!"). Einmal zeigte die Mitarbeiterin dem Kläger ein Tatoo im Bereich ihres Oberschenkels bzw. des Unterbauches, einmal verabschiedete sie sich vom Kläger mit einem Kuss auf die Wange, "nachdem es zu dieser Zeit etwas besser gelaufen war". Das Verhalten des Klägers wurde der Leitung der Beklagten erst nach Ausspruch der Entlassung bekannt.
Am 5. 11. 1997 verordnete ein Facharzt dem Kläger, der seit April 1997 wegen eines Bandscheibenvorfalls an Kreuzschmerzen litt, einen Krankenstand. Der Kläger erklärte aber gegenüber Mitarbeitern, seinen Buschenschank auch während des Krankenstandes offenhalten zu wollen. Der Arzt hatte den Kläger angewiesen, sich zu schonen und nichts Schweres zu heben. Der Kläger war generell arbeitsunfähig und durfte weder schwer heben und tragen, noch lange sitzen und stehen. Er hielt die verordnete Therapie ein. Er hielt aber den Buschenschank, den er immer nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen betrieb, im Wesentlichen auch während seines Krankenstandes offen. Dass der Kläger den Buschenschank am 8. und 9. 11. 1997 geschlossen gehalten hätte bzw. ob an diesem Tag Gäste gekommen wären, ist weiters nicht feststellbar; jedenfalls am 16., 22. und am 23. 11. war nicht geschlossen. Es ist weiters nicht feststellbar, dass der Kläger mit einer Hilfskraft vereinbart hätte, sie solle auf Abruf bereit stehen. Mit Ausnahme eines Tages, an dem der Kläger eine Hilfskraft hatte, war er im Buschenschank allein. Im November ist im Buschenschank wenig los; wie viele Gäste kamen, ist nicht feststellbar. Der Kläger verrichtet sämtliche Arbeiten allein, wobei er "an und für sich" auch Kisten zu tragen hat. Nur für die Aufräumarbeiten an einem Wochenende setzt er eine Putzfrau ein. Welche konkreten Tätigkeiten er während seines Krankenstandes verrichtete, steht nicht fest. "Aus medizinischer Sicht lässt sich auf Grund des Krankheitsverlaufes ein krankenstandswidriges Verhalten des Klägers nicht ableiten". Ein Krankenstand wäre auch dann erforderlich gewesen, wenn der Kläger ausschließlich im Buschenschank gearbeitet hätte. Werden im Buschenschank nur Tätigkeiten ausgeführt, wie sie auch Private bei der Bewirtung von Gästen ausführen, besteht dagegen aus medizinischer Sicht kein Einwand.
Im Betrieb entstand das Gerücht, dass der Kläger seinen Buschenschank trotz Krankenstand offenhalte, wodurch erhebliche Unruhe entstand, weil erst einige Zeit vorher ein Arbeitnehmer wegen eines derartigen Verhaltens entlassen worden war. Am 22. 11. 1997 unternahmen daher der Personalchef, der Betriebsratsobmann und eine Mitarbeiterin einen Kontrollbesuch, bei dem sie zwei Gäste im Buschenschank vorfanden. Es wurde vereinbart, dass der Kläger gekündigt werden sollte, wenn er nicht am 24. 11. 1997 - also am nächsten Montag - zum Dienst erscheine. Für diesen Tag hatte der Kläger zunächst seinen Dienstantritt vorgesehen; der Arzt verlängerte jedoch den Krankenstand aus medizinischen Gründen, weshalb der Kläger am 24. 11. 1997 nicht im Betrieb erschien. Daraufhin wurde er entlassen.
Nach seiner Entlassung versuchte der Kläger - teilweise über das Arbeitsmarktservice, teilweise aus eigener Initiative - eine neue Stelle als Lohnverrechner zu bekommen. Es sind ständig Posten für Lohnverrechner ausgeschrieben, die aber auch immer schnell vergriffen sind. "Chancen für Lohnverrechner bestehen laufend"; bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung war der Kläger aber nicht vermittelbar. Seine Vermittelbarkeit ist durch das Fehlen eines Handelsakademie‑Abschlusses beeinträchtigt. Es besteht ein großes Angebot an besser ausgebildeten Arbeitskräften. Auch die mangelnden Kenntnisse des Klägers in der Buchhaltung stellen ein Problem dar. Nach Absolvierung von Zusatzausbildungen, die bis zur Jahresmitte 1999 dauern werden, müsste die Vermittelbarkeit besser sein, wobei der Kläger damit rechnen kann, als Absolvent einer Handelsschule eingestuft zu werden und dabei ein Bruttoeinkommen von S 15.000,- monatlich zu erzielen. Die Höhe des Lohns hängt aber von der Größe des Betriebs ab.
Auf Grund seiner Wirbelsäulenprobleme wurde über Antrag des Klägers vom 27. 2. 1998 vom Bundessozialamt mit Bescheid vom 8. 5. 1998 festgestellt, dass er ab 27. 2. 1998 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört; der Grad der Behinderung wurde mit 50 % festgestellt. Darin liegt ein weiteres Problem für die Vermittelbarkeit des Klägers.
Inwieweit der Kläger in der Lage wäre, bei einer größeren Firma - etwa in der Größe der Beklagten - ein höheres Bruttoeinkommen als S 15.000,- zu erzielen, konnte nicht festgestellt werden. Grundsätzlich ist im Bereich der Lohnverrechnung ein Alter von 33 bis 35 Jahren kein Problem, weil eher Lohnverrechner mit Erfahrung gesucht werden. Im Rahmen der Beweiswürdigung und im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wies das Erstgericht darauf hin, dass der Kläger in einem größeren Betrieb möglicherweise mehr verdienen könne, als S 15.000,- monatlich; diese Frage könne vorläufig noch nicht abschließend beurteilt werden, weil Feststellungen zu seiner tatsächlichen Vermittelbarkeit zum Entlassungszeitpunkt und Feststellungen zur Höhe des vermutlichen Lohns allenfalls in einem Großbetrieb nur aufgrund eines berufskundlichen Gutachtens getroffen werden könnten.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Beklagten der Nachweis eines Entlassungsgrundes nicht gelungen sei, zumal nicht beweisbar gewesen sei, dass das Offenhalten des Buschenschankes während des Krankenstandes geeignet war, den Verlauf der Krankheit des Kläger oder seine Heilung zu verzögern. Obzwar das Verhalten des Klägers "ein gewisses Maß an Provokation" in sich schließe, sei der insoweit beweispflichtigen Beklagten daher der Beweis eines Entlassungsgrundes nicht gelungen. Andererseits habe der Kläger den Nachweis eines Kündigungsanfechtungsgrundes iS des § 105 Abs 3 ArbVG der Kläger aber nicht erbracht. Dabei sei vorweg zu prüfen, ob wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt seien. Ginge man davon aus, dass der Kläger tatsächlich nicht in der Lage sei, innerhalb angemessener Zeit einen neuen Arbeitsplatz zu finden - worauf die Feststellungen durchaus hindeuten - würde sich unter der Annahme eines erzielbaren Einkommens von S 15.000,- eine erhebliche finanzielle Schlechterstellung des Klägers ergeben. Diese Frage könne aber erst nach Einholung eines berufskundlichen Gutachtens beurteilt werden. Dennoch sei eine abschließende Beurteilung der Sache möglich, weil die Kündigung durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind, gerechtfertigt sei. So habe die Tätigkeit des Klägers während seines Krankenstandes und die entsprechende Ankündigung für erhebliche Unruhe im Betrieb gesorgt. Zudem habe der Kläger mehrmals interne Richtlinien übertreten, mit Mitarbeitern kein gutes Auskommen gefunden und eine Mitarbeiterin belästigt. Dieses Verhalten verwirkliche zwar keinen Entlassungsgrund, wohl aber den Ausnahmetatbestand des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass selbst bei einer nach den bisherigen Feststellungen zu bejahenden erheblichen Beeinträchtigung der Interessen des Klägers eine Kündigung durch sein Verhalten gerechtfertigt sei. Im Zusammenhang mit dem Offenhalten des Buschenschanks sei dem Kläger allerdings kein Vorwurf zu machen, weil ein krankenstandswidriges Verhalten nicht erwiesen und es Aufgabe des Arbeitgebers gewesen sei, der festgestellten Unruhe im Betrieb entgegenzuwirken. Das Verhalten des Klägers gegenüber der Mitarbeiterin W*****, das als erhebliche sexuelle Belästigung zu qualifizieren sei, mache aber der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Dem Einwand des Klägers, die Mitarbeiterin habe dieses Verhalten mitveranlasst, sei entgegenzuhalten, dass der Kläger innerbetrieblich als über ihr stehend angesehen worden sei, sodass es für sie schwierig gewesen sei, eine Verschärfung der Situation zu vermeiden. Jedenfalls habe sie wiederholt den Kläger zur Einstellung seines Verhaltens aufgefordert. Berücksichtige man ferner die sonstigen zu Recht gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe, sei bei der gebotenen Interessenabwägung davon auszugehen, dass das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem berechtigten Interesse der Beklagten, es zu beenden, zurücktrete.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Gemäß § 106 Abs 2 ArbVG kann die Entlassung bei Gericht angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und der betreffende Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt hat. Demgemäß ist in einem Anfechtungsverfahren nach § 106 ArbVG zunächst zu prüfen, ob ein Entlassungsgrund vorliegt. Wird diese Frage bejaht, kommt es auf die geltend gemachten Anfechtungsgründe überhaupt nicht mehr an. Erst wenn das Vorliegen eines Entlassungsgrundes verneint wird, hat das Verfahren nach denselben Grundsätzen und mit denselben Beurteilungskriterien stattzufinden wie bei einer Kündigungsanfechtung (Arb 11.340 uva).
Im Gegensatz zur Meinung der Vorinstanzen kommt es hier auf die geltend gemachten Anfechtungsgründe im Sinne des § 105 Abs 3 ArbVG nicht an, weil - wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zu Recht geltend macht - die Entlassung wegen des Verhalten des Beklagten während seines Krankenstandes berechtigt erfolgt ist.
Unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand) fällt jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, der Angestellte werde seine Pflicht nicht mehr getreulich erfüllen, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind. Entscheidend ist, dass das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Hiefür genügt Fahrlässigkeit; Schädigungsabsicht oder ein Schadenseintritt ist nicht erforderlich. Entscheidend ist das Vorliegen der Vertrauensverwirkung (SZ 58/94; Arb 10.072; Arb 10.614 uva).
Ein Arbeitnehmer, der sich im Krankenstand befindet, ist grundsätzlich verpflichtet, den auf die Wiederherstellung seiner Gesundheit abzielenden Anordnungen des Arztes nach Tunlichkeit nachzukommen und ihnen jedenfalls nicht so schwerwiegend zuwiderzuhandeln, dass der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst und/oder der Heilungsverlauf verzögert werden könnte (Arb 8.449; 10.614; WBl 1991, 26 uva). Verhältnismäßig geringfügiges Zuwiderhandeln, wie es immer vorkommen mag, wird bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit nicht ins Gewicht fallen. Missachtet aber ein infolge Krankheit arbeitsunfähiger Arbeitnehmer die Anordnungen seines Arztes betont und in erheblichem Maße und ist dieses Verhalten geeignet, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsverlauf zu verzögern, so liegt darin eine Vertrauensverwirkung im Sinne des dritten Tatbestandes des § 27 Z 1 AngG (Arb 10.614; WBl 1991, 26). Der Arbeitgeber muss dann befürchten, dass seine dienstlichen Interessen gefährdet sind, weil der Arbeitnehmer nicht die für die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit notwendigen ärztlichen Anordnungen befolgt, sondern diesen offenbar zuwiderhandelt und damit auch die auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gerichteten dienstlichen Interessen des Arbeitgebers verletzt (Arb 10.614; WBl 1991, 26). Auch wenn ausdrückliche Anordnungen des Arztes über das Verhalten im Krankenstand fehlen, darf der Arbeitnehmer die nach der allgemeinen Lebenserfahrung üblichen Verhaltensweisen nicht betont und offenkundig verletzen (RdW 1987, 268; WBl 1991, 26; WBl 1993, 224). Ob das Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich zu einer Verlängerung des Krankenstandes führte, ist ohne Bedeutung; es genügt die Eignung, den Genesungsprozess zu verzögern (ZAS 1989/5; WBl 1993, 224; ecolex 1993, 770).
Im hier zu beurteilenden Fall war der Kläger wegen eines Bandscheibenvorfalls generell arbeitsunfähig; er durfte weder schwer heben und tragen, noch lange stehen und sitzen. Der Krankenstand wäre auch erforderlich gewesen, wenn der Kläger ausschließlich im Buschenschank gearbeitet hätte.
Dass der Arzt dem Kläger das Betreiben des Buschenschanks nicht ausdrücklich untersagte, ist im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtslage irrelevant. Der Arzt erkundigte sich überhaupt nicht nach der konkreten Tätigkeit des Klägers, weil dieser generell arbeitsunfähig war. Wie ausgeführt, darf der Arbeitnehmer auch ohne ein ausdrückliches Verbot des Arztes die Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand nicht betont und offenkundig verletzen. Dass der - größtenteils allein erfolgte - Betrieb eines Buschenschankes an mehreren Tagen angesichts der allgemeinen Arbeitsunfähigkeit des Klägers als ein solcher betonter und offenkundiger Verstoß qualifiziert werden muss, liegt schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf der Hand.
Richtig ist allerdings, dass das Erstgericht die konkreten Tätigkeiten des Klägers als nicht feststellbar erachtete, dass demgemäß nach seinen Feststellungen "aus medizinischer Sicht" aufgrund des Krankheitsverlaufs ein krankenstandswidriges Verhalten des Klägers" nicht ableitbar ist und keine Bedenken bestehen, wenn die Tätigkeit im Buschenschank die Bewirtung privater Gäste nicht übersteigt. Auch daraus ist aber unter den gegebenen Umständen für den Kläger nichts zu gewinnen. Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes kommt es nicht darauf an, ob das Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich zu einer Verlängerung des Krankenstandes führte; es genügt die Eignung, den Genesungsprozess zu verzögern. Diese Eignung muss aber im Falle des (fast ausschließlich allein erfolgten) Betriebs eines Buschenschanks durch den wegen eines Bandscheibenvorfalls absolut arbeitsunfähigen Kläger bejaht werden. Obzwar Feststellungen über die Anzahl der Gäste nicht möglich waren - insofern muss sich der Arbeitgeber wohl in aller Regel in Beweisnotstand befinden - kann schon nach der Lebenserfahrung gesagt werden, dass die mehrtägige (meist allein erfolgte) Betreibung eines Buschenschanks das auch im Krankenstand wegen eines Bandscheibenvorfalls zu tolerierende Bewirten privater Gäste vor allem in quantitativer Hinsicht übersteigt. Trotzdem war der Kläger ‑ wie seine entsprechende (provokative) Ankündigung im Betrieb zeigt - von vornherein gewillt, den Buschenschank im Krankenstand zu betreiben, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt die Zahl der zu bewirtenden Gäste nicht bekannt sein konnte. Dass ihn das Erscheinen von einer in seinem Zustand nicht mehr tolerierbaren Anzahl von Gästen nicht von diesem Entschluss abbrachte, zeigt schon der Umstand, dass er beim Kontrollbesuch des Personalchefs und zweier weiterer Mitarbeiter diese und noch zwei weitere Gäste im Buschenschank ohne jede den Feststellungen entnehmbare Einschränkung bewirtete.
Der Kläger hat somit seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, sich während seiner Erkrankung und der dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit nach Tunlichkeit so zu verhalten, dass seine Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird, durch Missachtung der in diesem Zustand allgemein üblichen Verhaltensweisen grob verletzt. Seine Verhalten lässt eine negative innere Einstellung des Klägers gegenüber dienstlichen Interessen erkennen, die den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht (WBl 1993, 224). Dazu ist noch anzumerken, dass sich der Arbeitgeber in seinem objektiv nachvollziehbaren Vertrauensverlust durch den Umstand, dass der Krankenstand des Klägers über den 24. 11. 1997 hinaus verlängert werden musste, noch als bestärkt erachten durfte.
Die Entlassung ist somit berechtigt erfolgt.
Dass der Personalchef, der Betriebsratsobmann und die weitere Mitarbeiterin der Beklagten bei ihrem Kontrollbesuch "zunächst einvernehmlich die Kündigung des Klägers" für den Fall "vereinbarten", dass er am 24. 11. 1997 nicht den Dienst antreten werde, ist ohne Relevanz, weil vom Kläger weder behauptet noch bewiesen wurde, dass ihm von dieser Vereinbarung Mitteilung gemacht worden wäre. Er kann sich daher nicht auf einen ihm gegenüber zum Ausdruck gebrachten Verzicht des Arbeitgebers auf das Entlassungsrecht berufen.
Im Ergebnis erweist sich daher die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen als zutreffend, sodass der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG. Wird eine Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes in Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG, in denen eine Kostenbemessung nur vor dem Obersten Gerichtshof erfolgt, vorerst unterlassen, ist gemäß § 14 lit a RATG die Bemessungsgrundlage "im Zweifel" mit S 300.000 zu bewerten (9 ObA 148/99a).
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