OGH 7Ob311/99g

OGH7Ob311/99g26.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****-AG, Alpenstraße 94, 5033 Salzburg, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner Held Rechtsanwaltskanzlei Graz OEG, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 255.000,-- sA infolge Revision der klagenden (Revisionsinteresse S 105.000,-- sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 150.000,-- sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 16. August 1999, GZ 5 R 49/99m-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Dezember 1998, GZ 11 Cg 85/98p-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

I. Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370,-- (darin enthalten S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Zu Recht erkannt:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin enthalten S 1.352,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erteilte der Firma B***** zwei Bauaufträge, denen offenkundig die einschlägigen Ö-Normen zugrundelagen. Über Auftrag der letztgenannten Firma übermittelte die Beklagte der Klägerin im August 1993 unter Bezugnahme auf den Bauauftrag Baulos 38 "K*****" Brückenobjekt K 8, K 9, K 10, K 11 lt. Auftrag Nr 189/93 eine Bankgarantie über S 480.000,--, in der sie sich verpflichtete, diesen Betrag auf die erste Aufforderung ohne Prüfung des Rechtsgrundes und unter Verzicht auf jede Einwendungen an die Klägerin zu leisten. Dabei hielt sie fest, dass die Klägerin berechtigt ist, einen "Deckungsrücklass" einzubehalten, der aber gegen Beibringung einer Bankgarantie freigegeben werden könne; weiters, dass sich die in dem durch den "Haftrücklass" erfassten Bereich gegebene Garantie auch auf die Ansprüche nach dem § 20 AO bzw §§ 21 und 22 KO beziehe. Die Bankgarantie war mit 31. 12. 1993 befristet. Sie wurde mit Schreiben vom 31. 10. 1994 auf S 150.000,-- eingeschränkt und bis 28. 1. 1997 verlängert. Mit Schreiben vom 18. 11. 1994 erstellte die Beklagte wieder über Auftrag der B***** betreffend den Auftrag "Sanierungsarbeiten BVK 8 - K 11" Auftragsnummer 234/94 eine (weitere) Bankgarantie über S 105.000,-- für den "Deckungsrücklass", zu Gunsten der Klägerin. Die Formulierung hinsichtlich der unbedingten Leistungsverpflichtung, die schließlich ebenfalls bis 31. 10. 1997 verlängert wurde, war im Wesentlichen gleich.

Die bei Prüfung der bezahlten Schlussrechnung über den Auftrag 189/93 festgestellte Überzahlung von S 36.672,-- wurde beim dritten Ausweis des zweiten Auftrags in Abzug gebracht. Die über diesen Auftrag gelegte Schlussrechnung wurde aber mangels der erforderlichen Unterlagen noch nicht geprüft und bezahlt. Die Aufträge wurden durch B***** mangelhaft ausgeführt; die Sanierung erfordert einen Betrag von S 236.863,20 brutto, wobei eine Aufschlüsselung und Zuordnung dieser Beträge nicht feststellbar war. Die Klägerin hat beide Bankgarantien fristgerecht abgerufen, eine Einlösung erfolgte jedoch nicht.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank S 255.000,-- samt 8 % Zinsen seit 1. 11. 1997 und stützte sich im Wesentlichen auf die von der Beklagten abgegebene Bankgarantieerklärung. Diese habe sowohl Deckungs- als auch Haftrücklass erfasst, wobei die von der Beklagten dafür gewählte Formulierung dieser zuzurechnen sei. Bei Einbehaltung des Deckungsrücklasses wäre die Klägerin in der Lage gewesen, bei Vorliegen der Schlussrechnung aus dem Deckungsrücklass sowohl die allfällige Differenz zwischen den Abschlagsrechnungen und der Summe der Schlussrechnung als auch den mit der Auftragnehmerin vereinbarten Haftrücklass einzubehalten. Der Deckungsrücklass diene immer auch der Sicherung des Haftrücklasses. Eine Freigabe der Deckungsrücklässe sei nicht erfolgt, sodass diese als Sicherstellungsinstrument weiter bestünden. Eine ordnungsgemäße Schlussrechnung sei noch nicht gelegt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass die Bankgarantien nur einen beschränkten Sicherungszweck gehabt hätten und nur der Abdeckung des Deckungsrücklasses, also für eine allfällige Differenz zwischen den Teilrechnungen und der Schlussrechnung einbehaltenen Abzuges gedient, nicht aber den Haftrücklass erfasst hätten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und folgerte rechtlich, dass die unklare Formulierung der Bankgarantie der Beklagten zuzurechnen sei und diese eine missbräuchliche Inanspruchnahme nicht habe unter Beweis stellen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und wies das Klagebegehren im Umfang von S 105.000,-- mit der Begründung ab, dass zwar von der ersten Bankgarantie sowohl der Deckungsrücklass als auch der Haftrücklass erfasst gewesen seien, nicht jedoch von der zweiten Bankgarantie über S 105.000,-- und nach der Rechtsprechung die Bankgarantie für einen Deckungsrücklass nicht die Sicherung des Haftrücklasses erfasse. Im Hinblick auf entgegenstehende Lehrmeinungen erachtete das Berufungsgericht die Revision als zulässig.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Revision der Beklagten gegen den abweisenden Teil jene der Klägerin mit dem jeweiligen Antrag das Restbegehren abzuweisen, bzw diesem stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten erweist sich als unzulässig. Diese macht im Wesentlichen nur geltend, die Auslegung des Berufungsgerichtes hinsichtlich der ersten Garantieerklärung über S 150.000,-- sei unzutreffend.

Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen ist jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht - wie hier - zu keinem unvertretbaren Ergebnis gelangt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsfortentwicklung erhebliche Bedeutung zuzumessen wäre (vgl Kodek in Rechberger § 502 ZPO Anm 3 und 5).

Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Streitteile und Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, dass die Erklärung der Beklagten als Bankgarantie zu beurteilen ist und damit grundsätzliche Einwendungen aus dem Valuta- oder Deckungsverhältnis ausschließt (vgl dazu JBl 1990, 177; RdW 1986, 340; Canaris in Komm HGB Vertragsrecht Rz 1137, Koziol in Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II2 Rz 3/90, 298). Es ist aber möglich in der Garantieerklärung selbst den Sicherungszweck so genau zu umschreiben, sodass dann die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Garantieerklärung aus anderen Zwecken unzulässig ist (vgl etwa zur Abgrenzung zwischen verschiedenen Aufträgen RdW 1986, 340 und zur Abgrenzung zwischen Garantiezweck und Deckungsrücklasses einerseits und des Haftungsrücklasses andererseits JBl 1990, 177; Canaris, Einwendungsausschluss und Einwendungsdurchgriff bei Dokumentarakkreditiv und Außenhandelsgarantie ÖBA 1987, 768 ff, grundsätzlich auch Koch, ÖBA 1990, 304). Sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung wird dazu die Ansicht geteilt, dass die Geltendmachung des Anspruchs aus der Garantie gegenüber der Bank dann, wenn diese einen beschränkten Sicherungszweck hat, jedenfalls so konkret erfolgen muss, dass dargetan wird, dass eine Geltendmachung dieses Anspruches der Erfüllung des Sicherungszweckes dienen soll (vgl JBl 1990, 177 f unter Hinweis auf Canaris, Kommentar HGB4 Bankvertragsrecht Rz 1130; ebenso in ÖBA 1987, 772 f). Auch wenn man dies nicht im Sinne eines Substantiierungserfordernisses versteht (vgl insoweit ablehnend Koziol aaO, Rz 3/74, 291 f; ebenso ÖBA 1988, 605, Koch ÖBA 1990, 304), muss doch für die Bank klar ersichtlich sein, dass sich der aus der Garantie Begünstigte darauf beruft, dass die Leistung dem von den Parteien beschränkten Sicherungszweck dienen soll. Die Bank hat ja die Garantie im Auftrag des Werkunternehmers ausgestellt. Sie muss ihm gegenüber auch dartun können, dass die Leistung im Rahmen dieses Deckungsverhältnisses erbracht wurde.

Hier hat die Beklagte in der Garantieerklärung auf das Grundgeschäft Bezug genommen und die Garantie in deutlicher Abgrenzung nur für den Deckungsrücklass - nur dieser wurde angekreuzt - als Zweck der Bankgarantie, nicht aber für den Haftrücklass ausgestellt. Übereinstimmend (vgl AS 61, 108) gehen die Parteien davon aus, dass den Begriffen des Haftungsrücklasses und des Deckungsrücklasses die Festlegung durch die Ö-Normen B 2110 bzw A 2060 zugrundeliegt.

Als Deckungsrücklass nach den Ö-Normen A 2060 und B 2110 wird dann, wenn nicht eine unbare Sicherstellung - darunter auch die Bankgarantie - gegeben wurde, von den jeweiligen Abschlagsrechnungen ein bestimmter Prozentsatz einbehalten, der mit der Schluss- oder Teilschlussrechnung abzurechnen und freizugeben ist, soweit er nicht auf einen Haftungsrücklass angerechnet wird (vgl Ö-Norm A 2060 2.292 sowie Ö-Norm B 2110 2.472). Der Deckungsrücklass dient also im Wesentlichen der Sicherung von Abrechnungsungenauigkeiten. Hingegen ist der Haftungsrücklass von der Schluss- bzw Teilschlussrechnungssumme einzubehalten und dient grundsätzlich - ohne im einzelnen auf die Abgrenzungsfragen einzugehen - der Abdeckung von Gewährleistungsansprüchen. Er muss 30 Tage nach Ablauf der Gewährleistungsfrist freigegeben werden (vgl Ö-Norm A 2060 2.29.3). Auch dieser Abzug kann durch eine unbare Sicherstellung - darunter auch eine Bankgarantie - abgewendet werden.

In der Lehre wird nun hinsichtlich der Abgrenzung einer Garantie für den Haftungsrücklass einerseits und für den Deckungsrücklass andererseits die Ansicht vertreten, dass der Anspruch auf Rückzahlung des Haftungsrücklasses deshalb auch durch die Deckungsrücklassgarantie gesichert sei, da sie zwar an sich verschiedenen Zwecken dienten, aber der Begünstigte bei Einbehaltung des Deckungsrücklasses jedenfalls in der Lage gewesen wäre, bei Vorliegen der Schlussrechnung aus dem Deckungsrücklass sowohl die allfällige Differenz zwischen der Abschlagsrechnung und der Summe der Schlussrechnung als auch den vereinbarten aus der Schlussrechnung berechneten Haftungsrücklass einzubehalten (vgl Koziol aaO Rz 3/16, 252; Koch aaO, 304).

Dem ist jedoch schon entgegenzuhalten, dass es ja nicht unmittelbar um das Rechtsverhältnis zwischen Auftragnehmer und dem Auftraggeber geht, sondern um die Verpflichtung der Bank aus einer Garantieerklärung. Diese wurde im gegenständlichen Fall über Auftrag des Werkunternehmers aber nur für den Deckungsrücklass ausgestellt. Schon im Hinblick darauf, dass die Grantie ja ausgehend von einem bestimmten Auftrag abgegeben wurde, kann sie regelmäßig nicht dahin verstanden werden, dass sie über den in der Garantie genannten Zweck hinaus für andere Zwecke gewährt wurde.

So wie es nun einem Begünstigten nicht freisteht die Garantie betreffend einen bestimmten Auftrag für andere Aufträge heranzuziehen (vgl RdW 1986, 340), so kann er bei ausdrücklicher Zweckwidmung die Garantie auch nicht für andere Zwecke als die festgelegten abrufen. Es steht dem Auftraggeber ohnehin frei, bei der Schlussrechnung den Haftungsrücklass für den eben keine Bankgarantie besteht, einzubehalten, wenn der Auftragnehmer dafür nicht eine weitere Bankgarantie hinterlegt, um den Zweck des Haftungsrücklasses, die Einrede der Nicht- bzw Schlechterfüllung des Bauvertrages auch über den Zeitpunkt der Abnahme des Werks hinaus zu erhalten (vgl zuletzt Rabl, immolex 1999, 216), dadurch zu erreichen.

Insgesamt war der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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