OGH 1Ob2/00a

OGH1Ob2/00a25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Erlagssache der Antragstellerin D*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin A ***** Gesellschaft mbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Gerichtserlags infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. November 1999, GZ 44 R 849/99z-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 1. September 1999, GZ 2 Nc 180/99m-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte die Annahme von S 49.638,30 "zum Gerichtserlag". Sie sei Rechtsschutzversicherer der Antragsgegnerin. Diese schulde ihr aus mehreren Versicherungsverträgen S 226.750,30. Ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Versicherungsvertrag habe die Antragsgegnerin der Antragstellerin S 49.638,30 überwiesen. Daraufhin habe die Antragstellerin der Antragsgegnerin mitgeteilt, der Betrag werde auf die älteste Schuld gutgebucht. Die Antragsgegnerin habe diesem Ansinnen widersprochen und zum Ausdruck gebracht, die Zahlung auf einen - nach Ansicht der Antragstellerin - nie zustande gekommenen Vertrag geleistet zu haben. Da die Zuordnung der Zahlung strittig sei, werde der Betrag erlegt.

Das Erstgericht nahm den Erlag an und führte aus, dass er sich auf § 1425 ABGB (unklare Rechtslage) stütze.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Annahme des Erlags über Rekurs der Erlagsgegnerin ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 1425 ABGB sehe nur die Befugnis des Schuldners, nicht aber eine solche des Gläubigers zum Gerichtserlag vor. Dem Schuldner sollte damit die Möglichkeit gegeben werden, sich von einer Verbindlichkeit zu befreien und den Gefahrenübergang an den Gläubiger zu bewirken. Da der Erlag durch die "Gläubigerin des von der Schuldnerin bezahlten Betrags" erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen für einen Gerichtserlag nicht vor. Durch die Annahme des erlegten Betrags würde in Rechte der Antragsgegnerin eingegriffen und ihr ein "Ausfolgungsverfahren auferlegt" werden, das zu Lasten von Schuldnern nicht vorgesehen sei. Demnach sei ihr auch die Rechtsmittellegitimation zuzubilligen.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist klarzustellen, dass der Antragsgegnerin nach wie vor Parteifähigkeit zukommt. Mag die beklagte Kapitalgesellschaft auch im Zuge des Erlagsverfahrens gelöscht worden sein (siehe ON 17), so hat sie dennoch ihre Parteifähigkeit nicht verloren, zumal das Verfahren über Betreiben der Antragstellerin fortgesetzt wird (GesRZ 1999, 34). Im Übrigen ist die beklagte Partei nicht als "beendet" anzusehen, was schon allein aus dem Umstand hervorgeht, dass sie der Antragstellerin S 49.638,30 zahlte und eben dieser Betrag gerichtlich erlegt werden sollte.

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin war die Antragsgegnerin auch zur Erhebung des von ihr gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Rekurses legitimiert. Schon mehrfach hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die ältere Rechtsprechung, nach der der Erlagsgegner nicht legitimiert sei, den Annahmebeschluss im Erlagsverfahren zu bekämpfen, nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden könne; die Rechtsmittellegitimation hänge davon ab, ob der Annahmebeschluss die materielle Rechtsstellung des Erlagsgegners berühre (6 Ob 94/99p; JBl 1999, 315; 7 Ob 266/98p). Die materielle Rechtsstellung eines Erlagsgegners wird dadurch beeinträchtigt, wenn der Erlag eines vom Erlagsgegner gezahlten und dem Erleger zugekommenen Betrags ohne jede gesetzliche Deckung beantragt wird. Besteht für einen solchen Erlag - wie noch auszuführen sein wird - keine gesetzliche Deckung, so ist dem Erlagsgegner auch im Erlagsverfahren die Rechtsmittellegitimation zuzubilligen.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Hinterlegung nach § 1425 ABGB ist im Verfahren außer Streitsachen zu fällen (EvBl 1991/91; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 15 zu § 1425). Demnach kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 14 Abs 1 AußStrG ohne Rücksicht auf den Wert der Erlagssache angerufen werden. Die Anrufung muss aber erfolglos bleiben:

Der Erlagsgrund ist im Erlagsgesuch anzugeben; das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung im Sinne des § 1425 ABGB an sich taugt. Dem Erlagsgericht obliegt (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung; sie verhindert, dass die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden. Insoweit kann der Annahmebeschluss im Rechtsmittelverfahren überprüft werden;

der Erlagsgegner kann geltend machen, dass das Vorbringen des Erlegers unschlüssig sei (ZIK 1999, 213; JBl 1999, 315; 7 Ob 266/98;

Reischauer aaO Rz 17 zu § 1425). Eine solche Unschlüssigkeit liegt hier vor:

Gemäß § 1425 ABGB steht es dem Schuldner "bevor", die abzutragende Sache bei dem Gericht zu hinterlegen, wenn eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. Im vorliegenden Fall kommt nur ein "anderer wichtiger Erlagsgrund" im Sinne des § 1425 ABGB in Frage. Der wichtige Grund, dessentwegen der Erlag begehrt wird, darf nicht in der Person des Erlegers liegen (ZIK 1999, 213; 7 Ob 266/98p). Die Antragstellerin ist in Ansehung des Betrags von S 49.638,30, den ihr die Antragsgegnerin überwiesen hat, auch nach ihrem Vorbringen nicht Schuldnerin der Antragsgegnerin, sondern deren Gläubigerin gewesen. Nur der Schuldner, der erfüllen will und durch bestimmte Umstände hieran gehindert wird, die nicht in seiner Sphäre liegen, kann aber die geschuldete Leistung hinterlegen und sich auf diese Weise von seiner Verbindlichkeit befreien (ÖBA 1997, 469). Voraussetzung für die Hinterlegung ist, dass die Schuld nicht gezahlt werden kann (EvBl 1991/91). Dies ist hier nicht der Fall, denn die Antragstellerin schuldet der Antragsgegnerin zumindest derzeit ihrem eigenen Vorbringen nach nichts; sie strebt vielmehr den Erlag nur bis zur Klärung der Frage an, welcher von mehreren Forderungen der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin deren Zahlung zuzuordnen sei. Zweck einer gerichtlichen Hinterlegung des Leistungsgegenstands ist aber die Schuldtilgung. Wo eine solche nach der Art des gewählten Vorgangs gar nicht eintreten kann, ist auch eine gerichtliche Hinterlegung wegen Zwecklosigkeit unzulässig (EvBl 1989/107).

Sollte die Antragsgegnerin den strittigen Betrag an die Antragstellerin bezahlt haben, ohne dass eine vertragliche Verpflichtung hiezu bestanden hätte, was aber nach dem Vorbringen der Antragstellerin gerade nicht gegeben ist, so wäre die Antragstellerin zweifellos zur Rückzahlung dieses Betrags verpflichtet und läge insoweit eine Schuld an die Antragsgegnerin vor. Der Erlag des Betrags käme aber auch dann nicht in Frage, weil keiner der in § 1425 ABGB genannten Erlagsgründe vorliegt. Der der Revisionsrekurswerberin allenfalls vorschwebende "wichtige Grund", den Betrag nicht rückzuüberweisen, weil sonst eine weitere Zahlung auf tatsächlich bestehende Vertragsverhältnisse nicht erfolgen werde, stellte keinen Erlagsgrund dar, wird doch die Antragstellerin an der Rückzahlung nicht durch in der Sphäre der Antragsgegnerin liegende Gründe gehindert.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Stichworte