OGH 5Ob312/99i

OGH5Ob312/99i25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Helmut M*****, wider die Antragsgegnerin Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses *****, vertreten durch D***** OHG, Hausverwaltung, *****, wegen § 26 Abs 1 Z 8 WEG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 21. September 1999, GZ 1 R 424/99f-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 18. Juni 1999, GZ 11 Msch 77/99t-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Mit dem am 23. 4. 1999 beim Erstgericht eingebrachten und gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses *****, gerichteten Antrag begehrte der Antragsteller die Feststellung, dass hinsichtlich dieses Wohnungseigentumshauses keine rechtswirksame Vereinbarung über die Abänderung des Aufteilungsschlüssels gemäß § 19 Abs 1 WEG, insbesondere betreffend den Aufzug, bestehe; hilfsweise dahingehend, dass betreffend die Umbaukosten des Aufzuges keine rechtswirksame Vereinbarung über die Abänderung des Aufstellungsschlüssels gemäß § 19 Abs 1 WEG bestehe. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass hinsichtlich der Aufwendungen für das Haus niemals eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung über eine Abänderung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels zwischen den Miteigentümern getroffen worden sei. In der Betriebskostenabrechnung 1998, in der auch die Kosten für den Umbau des Aufzuges ausgewiesen worden seien, sei er mit einer erheblichen Nachzahlung belastet worden, wobei die Nachforschungen ergeben hätten, dass die Aufteilung der Liftkosten nicht gemäß § 19 Abs 1 WEG, sondern nach Stockwerken vorgenommen worden sei. Die Hausverwaltung habe diese Aufteilung der Liftkosten unter Berufung auf eine konkludente Vereinbarung verteidigt. Auch wenn diese Aufteilung hinsichtlich der Betriebskosten so gehalten worden sei, lasse sich daraus keine konkludente Vereinbarung erschließen; zudem diene der Umbau eines Aufzuges nicht der Liftbenützung, sondern sei eine Verbesserung und Werterhöhung des Hauses.

Die zur Äußerung aufgeforderte und durch die Hausverwaltung vertretene Wohnungseigentümergemeinschaft wendete ihre mangelnde Passivlegitimation ein, weil nach § 26 Abs 2 Z 2 WEG allen Miteigentümern und allenfalls dem Verwalter Parteistellung zukomme. Im Übrigen habe seit Errichtung des Hauses Anfang der 50er Jahre hinsichtlich des Lifts ein abweichender Verteilungsschlüssel, und zwar nach Stockwerken, bestanden, den alle Wohnungseigentümer zumindest konkludent vereinbart hätten.

Der Antragsteller berichtigte daraufhin seinen Antrag auf namentlich genannte 22 Mit- und Wohnungseigentümer sowie die Hausverwaltung, weil die Interessen der Hausverwaltung wegen der durchzuführenden Verrechnungen auch durch die Entscheidung berührt werden könnten.

Das Erstgericht wies den Antrag samt Eventualantrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens ab, ohne über die beantragte Berichtigung der Parteienbezeichnung abzusprechen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, dass die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen wurden. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteigt und dass der Revisionsrekurs - im Hinblick auf die einheitliche Judikatur des Höchstgerichts - nicht zulässig sei, und führte folgendes aus:

Nach der durch das 3. WÄG eingeführten Bestimmung des § 13c WEG bildeten alle Wohnungs- und sonstigen Miteigentümer der Liegenschaft zu deren Verwaltung die Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese könne in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft als solche Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und am Ort der gelegenen Sache geklagt werden. Bei diesem Gericht könne auch ein Miteigentümer von der Wohnungseigentümergemeinschaft geklagt werden. Forderungen gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft könnten nur nach Maßgabe des § 13c Abs 2 zweiter Satz WEG gegen die einzelnen Miteigentümer geltend gemacht werden. Gemäß § 26 Abs 1 Z 8, Abs 2 WEG sei im Verfahren außer Streitsachen über die Zulässigkeit eines vereinbarten oder die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels oder einer abweichenden Verrechnungseinheit (§ 19 Abs 2 und 3 WEG) zu entscheiden. Gemäß § 19 Abs 2 WEG könnten sämtliche Miteigentümer einen von der Regel des § 19 Abs 1 WEG abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine Abrechnungseinheit festlegen, wobei Vereinbarungen über diese Festlegung zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürften. Jedem Miteigentümer stehe damit das Recht zu, durch den Außerstreitrichter die Zulässigkeit einer Vereinbarung feststellen zu lassen. Diese Anfechtbarkeit umfasse jedenfalls die Prüfung des ordnungsgemäßen Zustandekommens eines vereinbarten abweichenden Verteilungsschlüssels (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 19 WEG Rz 12; Würth/Zingher, Wohnrecht94 Anm 4 zu § 26 Abs 1 Z 8 WEG).

Der Antragsteller behaupte inhaltlich, dass zwischen den Miteigentümern eine Vereinbarung - sei sie schriftlich, mündlich oder konkludent - gar nie zustande gekommen sei. Demgegenüber behaupte die Hausverwaltung ein solches ordnungsgemäßes Zustandekommen einer Vereinbarung im Sinne des § 19 Abs 2 WEG, womit der Entscheidungsgegenstand konkretisiert sei.

Ob ein Rechtsschutzantrag im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren abzuhandeln sei, müsse nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen beurteilt werden. Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen seien, gehörten auf den streitigen Rechtsweg. Bei der Auslegung der Bestimmungen des § 26 Abs 1 Z 8 WEG iVm § 19 Abs 2 WEG ziehe die ständige Rechtsprechung die für das schlichte Miteigentum an unbeweglichen Sachen entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren heran. Danach gehöre die Rechtsdurchsetzung und die Abwehr von Rechtswidrigkeiten zwischen Miteigentümern in das streitige Verfahren, während für die rechtsgestaltende Mitwirkung des Gerichtes bei der Willensbildung der Miteigentümergemeinschaft das außerstreitige Verfahren bestimmt sei. Rechtsdurchsetzung und Abwehr von Rechtswidrigkeiten seien ohne Rücksicht darauf auf den streitigen Rechtsweg verwiesen, ob sie die durch Gesetz, Vertrag, gültigen Mehrheitsbeschluss und gerichtliche Entscheidung geschaffene Ordnung herstellen bzw bewahren wollten; darunter falle auch die Feststellung, ob ein Vertrag zwischen den Miteigentümern oder ein Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer gültig zu Stande gekommen sei.

Das Recht des Miteigentümers nach § 19 Abs 2 WEG, die Entscheidung des Gerichtes darüber zu verlangen, ob eine geschlossene Vereinbarung "zulässig" sei, lege die ständige Rechtsprechung im Sinne von "erlaubt" aus (MietSlg 33.551, 37.656, 38.675; EvBl 1982/196). Das vom Antragsteller gestellte Feststellungsbegehren, dass hinsichtlich des Wohnungseigentumshauses keine rechtswirksame Vereinbarung über die Abänderung des Aufteilungsschlüssels gemäß § 19 Abs 1 WEG bestehe, das damit begründet werde, dass eine solche Vereinbarung überhaupt nie geschlossen worden sei, sei damit im streitigen Verfahren zu entscheiden. Das Erstgericht habe also zu Recht darauf hingewiesen, dass ein derartiger Antrag im Verfahren nach § 26 WEG unzulässig sei. Um diesen im Verfahren nach § 19 WEG gestellten Antrag ins streitige Verfahren verweisen zu können, müsse dieser allen Anforderungen, die die ZPO an eine mit Schriftsatz eingebrachte Klage stellen, erfüllen. Ein diesbezügliches Klagebegehren müsse der Antragsteller gegen sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer des betroffenen Hauses richten, zumal diese in dieser Frage eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bildeten. Nun habe der Antragsteller seinen diesbezüglichen Antrag von der ursprünglichen Wohnungseigentümergemeinschaft auf 22 namentlich genannte Wohnungseigentümer berichtigt, ohne dass darüber das Erstgericht abgesprochen habe. Dies könne im konkreten Fall dahingestellt bleiben, weil auch nach Berichtigung der Parteienbezeichnung auf die genannten Wohnungseigentümer der Antragsteller nicht alle Wohnungseigentümer der Liegenschaft bezeichnet habe, wie die Einschau in das offene Grundbuch ergebe. Damit scheide aber auch die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens aus, womit der Antrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens sowie mangelnder Passivlegitimation der als Antragsgegner (Beklagten) bezeichneten Wohnungseigentümer zurückzuweisen gewesen sei. In diesem modifizierten Umfang sei die angefochtene Entscheidung zu bestätigen gewesen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass seinem Sachantrag stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Antragsteller macht im Wesentlichen geltend, der Streit über das Zustandekommen einer Vereinbarung gemäß § 19 Abs 2 WEG gehöre ins Außerstreitverfahren.

Der Antragsgegnerin wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt; sie hat sich am drittinstanzlichen Verfahren aber nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur seit dem 3. WÄG maßgeblichen Rechtslage fehlt; er ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

In 5 Ob 8/98g (insoweit unvollständig und mit teilweise "überschießendem" Leitsatz veröffentlicht in WoBl 1999, 24/12 [Call]) wurde auf die vom damaligen Rekursgericht unbekämpft bejahte Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens für die Feststellung der Ungültigkeit der Vereinbarung eines von der gesetzlichen Regel abweichenden Aufteilungsschlüssels (ausdrücklich) nicht eingegangen; die Zulässigkeit der Verfahrensart war dort für die weiteren Ausführungen zu unterstellen.

Im vorliegenden Fall wurde Folgendes erwogen:

Im Gegensatz zur bisherigen Auslegung der "Zulässigkeit" eines vereinbarten Auslegungsschlüssels, deren Prüfung ins Außerstreitverfahren verwiesen ist (§ 26 Abs 1 Z 8 WEG), muss dieser Begriff nunmehr im Sinne eines ordnungsgemäßen Zustandekommens verstanden werden, weil der ausdrücklich zitierte § 19 Abs 2 WEG keinerlei weitere Voraussetzungen an die Wirksamkeit der Vereinbarung aller Miteigentümer normiert, die Annahme der Inhaltslosigkeit der ausdrücklich angeordneten Verweisung aber mit den Auslegungsgrundsätzen unvereinbar wäre. Dieser von Würth/Zingher, Wohnrecht94, § 26 WEG Anm 4 (vgl Zingher in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 19 WEG Rz 12) vertretenen Ansicht ist zu folgen, weshalb auch der vorliegende Streit, ob die von der Hausverwaltung behauptete Vereinbarung besteht, ins Außerstreitverfahren gehört.

Die Rekursentscheidung ist insofern widersprüchlich, als sie sich einerseits der eben wiedergegebenen Lehrmeinung anschließt, andererseits aber auf Grund der danach überholten Rechtsprechung (vgl etwa MietSlg 34.551/18 = EvBl 1982/196; entsprechend noch immer Zingher aaO Rz 10) die Austragung im streitigen Verfahren für richtig hält.

Da dies nicht zutrifft, waren die zurückweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das fortgesetzte Verfahren (gemäß § 26 Abs 1 Z 8 WEG) wird nach entsprechender Berichtigung der Parteienbezeichnung nicht mit der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern mit allen übrigen Miteigentümern durchzuführen sein (5 Ob 116/95 = WoBl 1996, 163 [Niedermayr]; vgl auch 5 Ob 268/97s = MietSlg 49.507).

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