OGH 6Ob317/99g

OGH6Ob317/99g20.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Yaser A. B*****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Markus F*****, vertreten durch Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 93.332 S, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. Juni 1999, GZ 35 R 266/99y-38, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. Februar 1999, GZ 24 C 656/97v-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 1978 Untermieter einer rund 90 m2 großen Wohnung. Der Untermietzins betrug zunächst 4.100 S. Die Untervermieterin kündigte das Untermietverhältnis wegen Eigenbedarfs auf. Im Kündigungsverfahren vertrat der beklagte Rechtsanwalt den Kläger. Die Aufkündigung wurde aufgehoben. Die Untervermieterin stellte dem Kläger eine neuerliche Aufkündigung in Aussicht. Der Kläger wollte die Wohnung behalten und Hauptmieter werden. Er beauftragte im Jahr 1991 den Beklagten, bei der Hauptmieterin (Untervermieterin) anzufragen, wieviel sie für die Aufgabe der Hauptmietrechte verlangen würde. Der Kläger wurde im Zuge der anschließenden jahrelangen Verhandlungen mit dem Rechtsvertreter der Hauptmieterin und der Hausverwaltung (Vertreterin der Hauseigentümer) nicht vom Beklagten persönlich, sondern von dessen Kanzleimitarbeitern betreut. Mit der Untervermieterin wurde letztlich eine Einigung über die Zahlung von 300.000 S erzielt. Dieser Betrag sollte überwiegend für die Aufgabe der Hauptmietrechte bezahlt werden und wurde als Zahlung für die Übernahme von Einrichtungsgegenständen gewidmet. Die Verhandlungen mit der Hausverwaltung über den mit dem Kläger abzuschließenden Hauptmietvertrag führte der Kläger selbst. Nach einem Eigentümerwechsel musste mit einer neuen Hausverwaltung verhandelt werden. Am 6. 4. 1995 übermittelte die Hauptmieterin der Hausverwaltung eine Aufkündigung ihrer Hauptmietrechte mit folgendem Wortlaut:

"Ich kündige meine bestehenden Hauptmietrechte an obiger Wohnung außergerichtlich und unwiderruflich per 30. 4. 1995 auf und erkläre, an niemanden aus diesem Titel Forderungen zu haben. Der Vermieter nimmt das Untermietverhältnis zur Kenntnis und erklärt zum 1. 5. 95 in dieses Mietrecht einzutreten. Forderungen des Mieters für die bisherige Mietzeit gehen zu Lasten der damaligen Vermieterin. Der derzeitige Gesamtmietzins incl BK, USt beträgt S 5.100".

Die Hausverwaltung erklärte dem Kläger, dass sie bereit sei, mit ihm einen Hauptmietvertrag mit einem Mietzins von 60 S/m2 abzuschließen. Der Kläger konnte eine Reduzierung des verlangten Betrags auf 50 S je Quadratmeter erreichen und schloss am 5. 5. 1995 mit der Hausverwaltung einen Hauptmietvertrag.

Der Kläger begehrt von seinem früheren Rechtsvertreter die Differenz zwischen seinem nunmehrigen Hauptmietzins von 4.500 S und dem von der früheren Hauptmieterin zuvor bezahlten Hauptmietzins von 257,63 S monatlich (der Klagebetrag ist diese Differenz für die Zeit vom 1. 5. 1995 bis Dezember 1996). Die Vormieterin habe ein Weitergaberecht gehabt. Es sei vereinbart worden, dass die Untervermieterin dem Kläger eine Verzichtserklärung aushändigt und dieser anschließend mit der Hausverwaltung eine Vereinbarung trifft, wonach der Kläger in die Hauptmietrechte eintritt. Der Kläger habe dem Beklagten die Weisung erteilt, dass der Betrag von 300.000 S an die Untervermieterin erst ausgefolgt wird, wenn der Kläger die Verzichtserklärung ausgehändigt erhält. Vereinbarungswidrig sei die Verzichtserklärung der Untervermieterin aber der Hausverwaltung übermittelt worden. Dadurch sei der Kläger gezwungen gewesen, einen Mietvertrag mit einem höheren Mietzins abzuschließen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe weisungsgemäß das Sparbuch dem Rechtsvertreter der Untervermieterin übergeben. Vereinbarungsgemäß sei auch die Verzichtserklärung der Untervermieterin der Hausverwaltung übermittelt worden. Der Kläger habe die Hauptmietrechte erhalten. Von einem Weitergaberecht der Untervermieterin sei nie die Rede gewesen. Der Kläger habe dem Beklagten nur den Auftrag erteilt, eine Verzichtserklärung der Untervermieterin zu erreichen, nicht aber, dem Kläger einen Hauptmietvertrag zu verschaffen. Der Beklagte sei nicht zu Verhandlungen über den vom Kläger abzuschließenden Hauptmietvertrag beauftragt worden. Ein "echtes" Weitergaberecht der Untervermieterin habe nicht bestanden. Der Beklagte habe darüber auch keinerlei Informationen gehabt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die auf den S 7 bis 20 in ON 32 ersichtlichen Feststellungen, von denen über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Folgendes hervorzuheben ist:

Dem Rechtsvorgänger der Hauptmieterin (ihrem schon verstorbenen Ehegatten) war das "uneingeschränkte Verfügungsrecht" über die Wohnung eingeräumt worden. Diese Belastung der Vermieter wurde anlässlich des Verkaufes des Hauses den Käufern und nunmehrigen Hauseigentümern überbunden. Der Kläger erwähnte gegenüber den Mitarbeitern des Beklagten nichts über ein Weitergaberecht. Der den Kläger zuletzt betreuende Mitarbeiter des Beklagten habe keinen Anlass zu der Annahme gehabt, dass der Kläger einen Mietvertrag zu denselben Bedingungen wie die Hauptmieterin aushandeln habe wollen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Kläger den Beklagten mit einem Werkvertrag beauftragt habe, Verhandlungen über den Verzicht der Hauptmieterin der Wohnung zu führen. Das Ergebnis sei die Bezahlung von 300.000 S für die Aufgabe der Hauptmietrechte gewesen. Die Verhandlungen zur Erlangung eines Hauptmietvertrages habe der Kläger alleine geführt. Der Beklagte sei zu solchen Verhandlungen nicht beauftragt worden. Die Hauptmieterin habe entgegen der Vereinbarung mit dem Kläger gegenüber der Hausverwaltung auf ihre Hauptmietrechte verzichtet, ohne dem Kläger die Hauptmieterposition schriftlich zu sichern. Die Hausverwaltung habe erklärt, dass sie in den bestehenden Untermietvertrag eintrete. Der Beklagte und seine Mitarbeiter hätten darauf vertrauen dürfen, dass die mit der Untervermieterin getroffene Vereinbarung eingehalten werde. Es sei deshalb zur Übergabe des Sparbuchs an den Rechtsvertreter der Untervermieterin gekommen, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon die Verzichtserklärung der Hauptmieterin bei der Hausverwaltung aufgelegen sei. Dies führe zu keiner Haftung des Beklagten für finanzielle Mehraufwendungen des Klägers. Über ein Weitergaberecht der Untervermieterin sei nie verhandelt worden. Die Vertretungstätigkeit des Beklagten sei nicht schadenskausal.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und verwies in der rechtlichen Beurteilung auf die Begründung des Erstgerichtes. Ergänzend führte das Berufungsgericht nur aus, dass ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet sei, den von seinem Mandanten erteilten Auftrag zu überschreiten und über diesen Auftrag hinaus tätig zu werden.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch aber auf Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO dahin ab, dass die ordentliche Revision für zulässig erklärt werde.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass der Klage stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise, dass ihr nicht stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Dem Revisionswerber kann nur dort gefolgt werden, wo er darauf hinweist, dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts grundsätzlich nach den Bestimmungen der RAO und subsidiär nach den Bestimmungen über den Bevollmächtigungsvertrag zu beurteilen ist (SZ 52/73; SZ 56/181 uva). Werkvertragsrecht käme allenfalls nur dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt zu einer konkreten Werkherstellung beauftragt wurde (etwa zur Erstattung eines Rechtsgutachtens). In beiden Fällen aber setzt ein auf Schadenersatzrecht gestütztes Begehren gegen einen Rechtsanwalt einen Sorgfaltsverstoß voraus.

Die für den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes herangezogene Entscheidung 2 Ob 224/97y bejaht eine umfassende Handlungspflicht des Rechtsanwalts. Dieser habe auch über einen konkreten Auftrag hinaus Rechtshandlungen zu setzen, wenn dies zur Abwendung eines Schadens erforderlich ist. Dann könne sich der Rechtsanwalt nicht damit entschuldigen, dass er ohnehin die ihm aufgetragenen Schritte ausgeführt habe. Mit diesem Rechtssatz sind vor allem die Beratungs- und Warnpflichten des Rechtsanwalts angesprochen. Damit ist aber für den Kläger hier schon deshalb nichts zu gewinnen, weil er sein Begehren nicht auf eine unterlassene Aufklärung oder eine fehlende Beratung über das Weitergaberecht der Untervermieterin und eine unterlassene Rechtsbelehrung darüber stützte, wie dieses Weitergaberecht bei den Verhandlungen mit der Untervermieterin und ihrem Vermieter nutzbar gemacht werden könnte. Der Kläger hat sich vielmehr nur auf ein weisungswidriges Verhalten des Beklagten bei der Übergabe des Ablösebetrages berufen. Selbst wenn - was den Feststellungen allerdings nicht einwandfrei zu entnehmen ist - dem Beklagten daran ein Verschulden träfe, dass die Verzichtserklärung der Untervermieterin nicht dem Kläger, sondern direkt der Hausverwaltung übermittelt wurde, wäre dieser Umstand noch nicht kausal für den geltend gemachten Schaden, sondern höchstens für den Verlust des übergebenen Geldes. Auch wenn der Kläger eine Verzichtserklärung der Hauptmieterin über die Aufgabe ihrer Mietrechte in Händen gehabt hätte, wäre damit allein noch nicht die Durchsetzbarkeit eines Mietvertrages zu den alten Bedingungen gegeben gewesen.

Die Behauptungen des Klägers, er und der Beklagte hätten vom Weitergaberecht der Untervermieterin gewusst, der Kläger habe einen Hauptmietvertrag zu denselben Bedingungen wie seine Untervermieterin erreichen wollen und er hätte dies auch erreichen können, sind unbewiesen geblieben. An die getroffenen Feststellungen ist der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden. Eine Haftung des beklagten Rechtsanwalts könnte somit nur auf eine unterlassene Beratung gestützt werden, dass der Kläger (der nach den Feststellungen die Verhandlungen mit der Hausverwaltung selbst führen wollte und führte) über das Weitergaberecht Informationen einholen und sich gegebenenfalls die Mietrechte abtreten lassen sollte, sodass es dann keiner weiteren Verhandlung mit der Hausverwaltung bedurft hätte. Auf einen solchen Rechtsgrund hat sich der Kläger aber nicht berufen, worauf der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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