OGH 9Ob286/99w

OGH9Ob286/99w12.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Kraftloserklärungssache der Antragsteller 1) Aloisia K*****, Pensionistin, 2) Matthias K*****, Elektriker, beide *****, 3) Anna W*****, Hausfrau, *****, alle vertreten durch Dr. Karl Ludwig Vavrovsky, Rechtsanwalt in Salzburg, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der R***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 20. September 1999, GZ 1 R 168/99b-20, womit der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 25. August 1999, GZ 50 T 61/99k-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Der Antrag der Antragsteller, das Gericht möge amtswegig die fehlenden Daten, insbesondere die Bezeichnung der verfahrensgegenständlichen Sparurkunden und allenfalls die bestehenden Losungsworte, bei der R***** reg GenmbH erheben und das Aufgebotsedikt nach Einholung der ergänzenden Identifizierungsmerkmale berichtigen, wird abgewiesen."

Text

Begründung

Josef K***** ist am 3. 10. 1996 ohne Hinterlassung eines gültigen Testamentes verstorben. Im zu A 69/96x des Bezirksgerichtes Abtenau geführten Verlassenschaftsverfahren wurde der Nachlass den Antragstellern (Witwe bzw. Kinder des Erblassers) als gesetzlichen Erben je zu einem Drittel eingeantwortet. Im Laufe des Verfahrens hatte die Erstantragstellerin (Witwe des Erblassers) angegeben, dass der Erblasser Sparguthaben in Höhe von etwa S 6,000.000,- gehabt habe; der Verbleib der Sparbücher sei jedoch ungeklärt. Da im Verlassenschaftsverfahren keine Klärung erfolgte, ob der Erblasser im Todeszeitpunkt im Besitz der behaupteten Sparguthaben war, wurden diese nicht in das Verfahren einbezogen. In der Folge wurde mit der Begründung, nunmehr sei bekannt, dass die Sparbücher der R*****reg. GenmbH. (in der Folge: Geldinstitut) Nr. 570234 (lautend auf "Josef und Kath. K*****") und Nr. 500801 (lautend auf "Josef K*****") Nachlassbestandteil seien, eine Nachtragsabhandlung eingeleitet. Mit Beschluss vom 6. 5. 1998 "ersuchte" daraufhin das Verlassenschaftsgericht das Geldinstitut, die Höhe der betroffenen Sparguthaben bekanntzugeben. Dieser Aufforderung leistete das Geldinstitut mit der Begründung nicht Folge, dass bisher kein Nachweis erbracht worden sei, dass die Sparbücher verlassenschaftszugehörig seien, und dass jegliche Auskunftserteilung an die Vorlage der Originalurkunden gebunden sei. Einer Anregung des Gerichtskommissärs, die Bank mit Zwangsmitteln zur Auskunftserteilung zu verhalten, entsprach das Erstgericht mit der Begründung, die Sparbücher seien nicht im Nachlass befindlich und daher kein Bestandteil des Nachlassvermögens, nicht. Ein gegen diesen Beschluss erhobener Rekurs der nunmehrigen Erstantragstellerin vom 4. 8. 1998 (ergänzt mit Eingabe vom 19. 8. 1998) wurde vom Verlassenschaftsgericht erster Instanz nicht dem Rekursgericht vorgelegt, weil - wie in einem Amtsvermerk vom 23. 9. 1998 festgehalten wurde - die Witwe auf den Rechtsweg verwiesen worden sei. Das Abhandlungsverfahren wurde seither nicht fortgesetzt.

Nunmehr beantragten die Antragsteller beim Erstgericht die Kraftloserklärung der oben genannten Sparbücher. Diese hätten sich "im Besitz des Verstorbenen" befunden, seien aber nicht aufzufinden gewesen. Als eingeantwortete Erben des Erblassers seien die Antragsteller zur Antragstellung legitimiert. Unter anderem beriefen sich die Antragsteller auf einen mit einem handschriftlichen Vermerk des Erblassers versehen Kassazettel vom 2. 7. 1996, aus denen der Guthabensstand der betreffenden Sparbücher mit S 1,341.033,98 bzw. mit S 1,515.907,42 ersichtlich sei.

Über "erste Anfrage" (§ 4 Kraftloserklärungsgesetz [KEG]) teilte das Geldinstitut mit, dass die Sparbücher nicht mehr auf die angegebenen Bezeichnungen lauteten und dass auch nach dem Ableben Josef K*****s gegen Vorlage der Sparbücher und gegen Nennung der Losungsworte Transaktionen vorgenommen worden seien. Da die beiden Sparbücher somit nicht verlassenschaftszugehörig, nicht dem Verstorbenen in Verstoß geraten und nicht untergegangen seien, fehle es den Antragstellern an der Antragslegitimation.

Demgegenüber beriefen sich die Antragsteller darauf, Erben des Josef K***** und daher antragslegitimiert zu sein.

Mit Beschluss vom 15. 4. 1999 hat daraufhin das Erstgericht die genannten Sparbücher mit den von den Antragstellern angegebenen Sparbuchnummern und -bezeichnungen aufgeboten; ihr Inhaber wurde aufgefordert, sie binnen sechs Monaten vorzuweisen oder Einwendungen zu erheben. Für den Fall des fruchtlosen Ablaufes der Frist wurde die Kraftloserklärung angekündigt.

In der Folge erhob das Geldinstitut Einwendungen, in denen es abermals vorbrachte, dass zwar die Kontonummern richtig angeführt seien, dass aber die angegebenen Bezeichnungen nicht mehr zuträfen, weil sie vor und nach dem Tod des Erblassers geändert worden seien. Zu beiden Sparkonten seien unter Vorlage der Sparurkunden Transaktionen erfolgt; ein zu einem Sparbuch bestehendes Losungswort sei genannt worden. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 KEG seien daher nicht gegeben.

Dem hielten die Antragsteller entgegen, dass der vom Geldinstitut vorgebrachte Sachverhalt nicht den Schluss zulasse, dass die Sparbücher nicht gegen den Willen des Erblassers abhanden gekommen seien; ihr Inhaber sei zwar formal, nicht aber materiell berechtigt. Im Übrigen seien die Sparurkunden schon durch die Angabe des Ausstellers und der Kontonummern hinreichend bezeichnet. In einem solchen Fall habe das Gericht die fehlenden Daten bei der Bank zu erheben, um sie in das Edikt aufnehmen zu können. Es werde daher beantragt, die Bezeichnung der Sparurkunden und allenfalls bestehende Losungsworte von amtswegen beim Geldinstitut zu erheben und das Aufgebotsedikt entsprechend zu berichtigen.

Mit Beschluss vom 25. 8. 1999 trug das Erstgericht dem Geldinstitut auf, binnen 14 Tagen die nunmehr gültigen Sparbuchbezeichnungen zur Aufnahme in das Edikt bekanntzugeben. Die Antragsteller hätten glaubhaft gemacht, dass sie als Erben nach Josef K***** zur Antragstellung legitimiert seien. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass die Sparurkunden zum Nachlass gehören. Das Bankgeheimnis werde durch den nunmehrigen Auftrag nicht verletzt. Seien nämlich die Antragsteller materiell berechtigt, bestehe ihnen gegenüber kein Bankgeheimnis. Seien sie es nicht, liege die Bekanntgabe der Sparbuchbezeichnungen im Interesse des materiell Berechtigten, der zur Wahrung seiner Rechte aufgerufen werden solle und deshalb an der augenfälligen Beschreibung der Urkunden interessiert sein müsse. Zudem bestehe kein Interesse an der Geheimhaltung der Sparbuchbezeichnungen, wenn ohnedies die Sparbuchnummern und die Ausstellerin bekannt seien.

Das Rekursgericht gab einem vom Geldinstitut gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 260.000,- übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach § 3 Abs 2 Z 1 KEG habe der Antragsteller alles anzugeben, was zur Erkennbarkeit der Urkunde erforderlich sei. Sei das Geldinstitut in der Lage, die aktuelle Sparbuchbezeichnung bekanntzugeben, brauche der Antragsteller nur die Tatsachen glaubhaft zu machen, von denen er seine Berechtigung zur Antragstellung abhängig mache. Hiezu sei die Erbenstellung der Antragsteller ausreichend. Ihnen stehe das Auskunftsrecht im selben Umfang zu, wie dem Verstorbenen als Bankkunden; ihnen gegenüber bestehe daher begrifflich kein Bankgeheimnis. Dafür müsse nur erwiesen sein, dass der Erblasser - was hier unstrittig sei - Kunde der Bank gewesen sei. Der Revisionsrekurs sei nicht zuzulassen, weil sich die Entscheidung auf gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Geldinstitutes mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat; er ist auch berechtigt.

Voraussetzung für die Einleitung eines Aufgebotsverfahrens nach dem KEG ist, dass die kraftlos zu erklärende Urkunde dem Antragsteller abhanden kam oder vernichtet wurde (§ 1 Abs 1 KEG). Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 KEG hat der Antragsteller den Verlust der Urkunde sowie die Tatsachen glaubhaft zu machen, von denen seine Berechtigung zur Antragstellung abhängt. Beantragen - wie hier - die Erben die Kraftloserklärung von anonymen Inhaberpapieren (so die Rekurswerberin und auch das Rekursgericht [S 4 der Rekursentscheidung]) des Erblassers, so gehört zur Bescheinigung des Verlustes der Urkunde auch die Bescheinigung, dass die Urkunde im Todeszeitpunkt noch im Besitz des Erblassers war und nicht von ihm einem Dritten übertragen wurde. Schon dazu sind das Vorbringen der Antragsteller und - vor allem - die angebotenen Bescheinigungsmittel mehr als dürftig, weil sich der Antrag insofern in Wahrheit nur auf den vorgelegten Kassazettel stützen kann, auf dem sich nichts anderes als drei sechsstellige Zahlen, deren Summe und das handschriftlich hinzugefügte Datum 2. 7. 1996 (Todeszeitpunkt 3. 10. 1996 !) befindet. Die Notwendigkeit einer solchen Bescheinigung ist aber gerade im vorliegenden Fall augenfällig, in dem die behauptete Bezeichnung der Sparbücher geändert wurde und noch nach dem Tod des Erblassers unter Vorlage der Sparurkunden und gegen Nennung eines Losungswortes (!) Transaktionen durchgeführt wurden.

Vor allem aber ist zu beachten, dass eine Urkunde nur dann "abhanden gekommen" ist, wenn sie unauffindbar ist und ihr gegenwärtiger Inhaber oder Besitzer nicht bekannt oder nicht erreichbar ist. Weiß der Berechtigte, wer die Urkunde hat, so muss er auf Herausgabe klagen, eine Kraftloserklärung ist unter dieser Voraussetzung - vom Fall, dass der Herausgabeanspruch gegen den bekannten Inhaber nicht durchsetzbar ist, abgesehen - unzulässig (2 Ob 178/97h [teilw. veröff. in ÖBA 1998,47] mwN). Die Antragsteller hätten daher auch bescheinigen müssen, dass ihnen die Person, die die Sparbücher besitzt, unbekannt ist, bzw. dass der Herausgabeanspruch gegen die ihnen bekannte Person nicht durchsetzbar ist (2 Ob 178/97h). Dies muss gerade im vorliegenden Fall verlangt werden, in dem im Verlassenschaftsakt eine handschriftliche Eingabe des nunmehrigen Zweitantragstellers erliegt, in der davon die Rede ist, dass der Erblasser "Vorkehrungen getroffen" habe, um seine gesetzlichen Erben "auszutricksen" und dass "höchstwahrscheinlich" die Schwester des Erblassers die Sparbücher an sich genommen habe, mit der aber nicht vernünftig zu reden sei (Eingabe in ON 25 des Verlassenschaftsaktes). Trotzdem haben die Antragsteller weder behauptet, dass ihnen der Inhaber der Sparurkunden nicht bekannt sei, noch haben sie dafür Bescheinigungsmittel vorgelegt oder angeboten.

Auf Grund des Fehlens der erforderlichen Behauptungen, vor allem aber aufgrund des Fehlens tauglicher Bescheinigungsmittel, erweist sich daher der Antrag der Antragsteller für die Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens - und damit auch für die Erteilung des angefochtenen Auftrages - als nicht ausreichend. Dass das Erstgericht dessen ungeachtet mit dem Aufgebot der Urkunden (Beschluss vom 15. 4. 1999) das Verfahren (unangefochten) eingeleitet hat (§ 5 Abs 1 KEG), ändert daran nichts. Dieser Beschluss entfaltet zwar die in § 9 KEG angeführten Wirkungen, hat aber keinerlei Bindungswirkung in dem Sinne, dass das Verfahren ungeachtet eines tauglichen Antrages durch Aufträge an Dritte fortgesetzt bzw. die Urkunden wirklich für kraftlos erklärt werden müssten.

In Stattgebung des Rekurses war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

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