OGH 7Ob281/99w

OGH7Ob281/99w23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Johann N*****, vertreten durch den Kollisionskurator Dr. Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, infolge Revisionsrekurses des Kollisionskurators gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 5. August 1999, GZ 14 R 409/99m-67, womit infolge Rekurses der Antragstellerin Gertraud N*****, der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 30. Juni 1999, GZ 14 P 278/97h-64, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes vom 9. 3. 1998, GZ 14 P 278/97h-13, über die Sperre der Spareinlagen wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Über Anzeige der Gendarmerie, dass Gertraud N*****, die Tochter des nach einem Schlaganfall im Jahre 1994 geistig verwirrten 83-jährigen Betroffenen diesen vernachlässige, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 4. 2. 1998 der Sohn E***** N***** zum einstweiligen Sachwalter u.a. zur Sicherstellung und Verwahrung allenfalls vorhandenen Vermögens bestellt. Dieser teilte unter anderem am 4. 3. 1998 mit, dass nach seinen Aufzeichnungen und Mitteilungen sein Vater Inhaber des Sparbuches ***** bei der Sparkasse F***** mit der Bezeichnung Gertraud N*****, ebenso wie anderer im einzelnen angeführter Sparbücher sei. Am 9. 3. 1998 erschien die Tochter des Betroffenen und übergab die im Schreiben vom 4. 3. 1998 genannten Sparbücher - sowie andere -, mit Ausnahme des Sparbuches ***** dem Gericht. Zu diesem gab sie bekannt, dass der Vater ihr dieses Sparbuch geschenkt habe. Ferner brachte sie vor, dass sie über die Sparbücher ***** der Sparkasse F***** lautend auf Maria N***** und ***** bei der R***** lautend auf N***** Maria verfüge, die bisher vom Sachwalter nicht angegeben worden waren. Sie sei aber nicht bereit, diese dem Gericht auszufolgen, da sie ihr ebenfalls von ihrem Vater geschenkt worden seien. Mit Beschluss vom 9. 3. 1998 verfügte das Gericht unter anderem die Sperre der Spareinlagen bei der Sparkasse F***** ***** (= *****) lautend auf Gertraud N***** und ***** lautend auf Maria N***** sowie hinsichtlich der bei der R***** bestehenden Spareinlage Nr ***** lautend auf Maria N*****. Das Bezirksgericht Linz-Land bestellte den Sohn des Betroffenen schließlich mit Beschluss vom 30. 11. 1998 zum Sachwalter für alle Angelegenheiten gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB.

Die Tochter stellte am 18. 12. 1998 den hier maßgeblichen Antrag zur Aufhebung der Sperre der in ihrem Besitz und Eigentum stehenden Sparbücher Nr ***** (nunmehr Nr *****) und 0010-004851 Bezeichnung Gertraud N*****, beide bei der Sparkasse F***** sowie Nr ***** lautend auf N***** Maria bei der Raiffeisenbank R*****.

Der Sachwalter äußerte sich zu diesem Antrag dahin, dass die Sparbücher ***** und ***** der Mutter gehört hätten und an den Sachwalter selbst als Alleinerben übergegangen seien. Diese hätten sich jedoch bei seinem Vater, dem Betroffenen, in Verwahrung befunden, seine Schwester habe sich diese widerrechtlich angeeignet. Das Sparbuch ***** sei ein Sparbuch seines Vaters, das seine Schwester ebenfalls widerrechtlich an sich genommen habe. Im Wesentlichen beantragte der Sachwalter für sich sowie seinen Vater unter Darstellung dieses Sachverhaltes die Einleitung der Voruntersuchung wegen §§ 127, 128, 133 StGB gegen seine Schwester.

Nach Einvernahme einer Sparkassenangestellten zur Berechtigung an den Sparbüchern wurde der Kollisionskurator für den Betroffenen zur Erhebung seiner Ersparnisse und seines Vermögens bestellt.

Das Erstgericht wies nach Einholung von Berichten des Kollisionskurators zu den Sparbüchern, woraus hervorging, dass zwei der strittigen Sparbücher sowohl vom Sachwalter als auch von der Tochter des Betroffenen beansprucht werden, die auch ihren Anspruch auf das dritte Sparbuch geltend mache und dass in den Fächern des Betroffenen die Sparbücher nicht vorhanden seien, die Anträge der Tochter auf Aufhebung der gerichtlichen Sperre diese drei Sparbücher betreffend zurück. Es begründete dies damit, dass die Antragstellerin als verfahrensfremde Person zur Antragstellung nicht legitimiert sei. Die Feststellung der strittigen Eigentumsverhältnisse könne nicht Gegenstand des Sachwalterschaftsverfahren sein.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der antragstellenden Tochter Folge und hob die angeordnete Sperre der drei Sparbücher auf. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 260.000 übersteigend und erklärte die Erhebung des Revisionsrekurses für zulässig. Das Rekursgericht ging dabei unter anderem davon aus, dass der Betroffene nach einem Schlaganfall bereits im Jahre 1994 an im Einzelnen dargestellten massiven Einschränkungen leidet.

Eine Sperre setze voraus, dass es sich zweifelsfrei um ein Vermögen des Betroffenen handle. Dies könne im vorliegenden Fall nicht bejaht werden. Die Klärung strittiger Eigentumsrechte habe im Streitverfahren zu erfolgen. Der von der Sperre verfolgte Zweck, die Behebung durch eine möglicherweise Unberechtigte zum Nachteil des Betroffenen zu verhindern, sei nachvollziehbar, jedoch mangle es an der Voraussetzung der Sperre, nämlich der Zuordnung zum Mündelvermögen. Die Sperre greife unzulässigerweise in die Rechtsposition der Antragstellerin ein.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Kollisionskurators mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss voll inhaltlich wieder herzustellen und die Anträge auf Aufhebung der Sperre zurückzuweisen ist zulässig, und auch berechtigt.

Dem Argument des Revisionsrekurses, dass der Beschluss des Erstgerichtes Linz-Land über die Verhängung der Sperre rechtskräftig geworden sei, da die Antragstellerin dagegen keinen Rekurs erhoben habe, ist vorweg entgegenzuhalten, dass eine Zustellung des Beschlusses an die Antragstellerin gar nicht erfolgte. Unbeachtlich eines Vergreifens in eine Bezeichnung, ist daher der Antrag auf Aufhebung der Sperre, als Vorstellung im Sinn des § 9 Abs 1 AußStrG zu sehen (vgl auch MGA AußStrG2 § 9 E 28), wobei auch bei unzulässigen Vorstellungen, etwa weil Dritte durch den Beschluss eine Berechtigung erworben haben, die Rekursfrist ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses über die Vorstellung zu rechnen ist (vgl MGA AußStrG2 § 9 E 38, so schon SZ 14/130).

Allgemein steht das Rekursrecht im Außerstreitverfahren dem zu, dessen rechtlich geschützten Interessen durch einen Beschluss beeinträchtigt worden sind (vgl MGA2 Außerstreitgesetz § 9 E 1, SZ 50/41 uva). Dazu ist es vorweg erforderlich, einerseits Umfang und Tragweite des bekämpften Beschlusses und andererseits die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers zu beurteilen.

Das Gericht hat die zur Sicherung des Mündelvermögens erforderlichen Verfügungen zu treffen. Dabei ist im Allgemeinen das angelegte Vermögen durch die Anordnung zu sichern, dass darüber nur mit gerichtlicher Genehmigung verfügt werden darf (Sperre) oder die dieses Vermögen betreffenden Urkunden zu verwahren sind. Die im Zusammenhang mit der Kontrolle über die Vermögensverwaltung des gesetzlichen Vertreters bestehende Möglichkeit der "Sperre", wird von der Judikatur nun nicht nur in Richtung einer Einschränkung der Befugnisse des gesetzlichen Vertreters, sondern sie im Sinne einer absoluten Bindung der Bank verstanden. Ohne gerichtliche Genehmigung darf dann auch ein ausreichend Legitimierter nicht über die gesperrten Konten verfügen (vgl in diesem Zusammenhang ausführlich 7 Ob 310/97g unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Rechtsansicht). Dies gilt auch hier.

Das bedeutet, dass also auch der allenfalls tatsächlich aus dem Spareinlagevertrag berechtigte Inhaber (vgl zum Charakter des Spareinlagevertrags SZ 69/65, zum obligatorischen Rückforderungsanspruch EvBl 1993/4; zur mangelnden Bedeutung der Kraftloserklärung JBl 1970, 476) von einer Sperre zugunsten eines Dritten - wie hier des Besachwalterten - betroffen sein kann.

Durch die absolute Wirkung des Beschlusses über die Sperre für alle an dem Spareinlagevertrag Berechtigten unterscheidet sich dieser Fall etwa von dem Beschluss über die Einbeziehung eines Sparbuches in eine Nachtragsabhandlung, bei dem dem Inhaber des Sparbuches kein Rekursgericht eingeräumt wurde, wohl aber hinsichtlich der Verfügung gegenüber der Bank (1 Ob 613/94, NZ 1997, 21, auch 1 Ob 530/95). Dem Inhaber eines Sparbuches, der behauptet, aus dem Spareinlagevertrag berechtigt zu sein, steht daher ein Rekursrecht zu, da seine rechtlichen Interessen unmittelbar berührt werden und es nicht nur - wie etwa im Verfahren über die pflegschaftsbehördliche Genehmigung von Verträgen - ausschließlich um die Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen geht (vgl dazu etwa zuletzt RZ 1993/77). Die Rekurslegitimation der Antragstellerin ist daher gegeben.

Entsprechend § 282 ABGB kommen soweit es an Sondernormen fehlt auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters die Bestimmungen über den Vormund zur Anwendung. Diese sehen in den §§ 222 bis 224 ABGB die Erforschung und Sicherstellung des Vermögens vor. Dabei ist im Verzeichnis entsprechend den §§ 93 ff AußStrG anzulegen (vgl Pichler in Rummel ABGB2 §§ 222 bis 224 Rz 3; 1 Ob 530/95) und unter anderem auch erforderlichenfalls eine gerichtliche Sperre vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung fallen ungeachtet des Besitzstandes im Todeszeitpunkt auch Sparbücher in die Verlassenschaft, wenn das Sparbuchguthaben als Forderung dem Erblasser zum Zeitpunkt des Todes "zustand" (vgl SZ 70/46). Da es nicht Aufgabe des Außerstreitverfahrens ist, über das Eigentumsrecht des Betroffenen abzusprechen, sondern darüber im streitigen Verfahren zu entscheiden ist, hindert ein Rechtsstreit darüber auch nicht die Aufnahme derart beanspruchter Sparbücher in das Inventar (3 Ob 564/87 = RZ 1988/20, 90). Inhaltlich können nun die Sperren nur den Besitzstand des Betroffenen sichern, inhaltlich aber keine Streitigkeiten zwischen diesem und anderen Personen entscheiden (1 Ob 530/95, JBl 1985, 741, vgl zum Verlassenschaftsverfahren RZ 1986/49, 166). Es darf mit diesen Anordnungen insoweit nicht in das Vermögen fremder Personen gegriffen werden (vgl dazu 2 Ob 102/97g). Die außerstreitige Entscheidung über eine Sperre von Sparbüchern schafft gegenüber anderen, die ihr Recht daran behaupten, auch nicht einmal eine Vermutung, dass dies nicht so sei (vgl 1 Ob 613/94).

Beim Spareinlagenvertrag ist grundsätzlich der Einzahler auch Gläubiger (vgl MGA ABGB35 § 959 E 7 = EvBl 1993/4, EvBl 1997/157), jedoch kann das Recht auf Rückzahlungen des Guthabens des Sparbuches jederzeit abgetreten werden (vgl EvBl 1997/157).

Bei einem auf Namen lautenden Sparbuch handelt es sich um ein Legitimationspapier, bei dem der Schuldner (= Bank) frei wird, wenn er dem Inhaber des Papiers (= d.i. die Person, die ihr das Sparbuch präsentiert) zahlt, auch wenn dieser - ohne dass es der Schuldner weiß - nicht empfangsberechtigt ist. Es steht der Bank aber frei, vom Inhaber des präsentierten Sparbuches weitere Nachweise über seine Berechtigung zu verlangen (vgl dazu auch SZ 70/46, EvBl 1985/160 ua; vgl auch zur allgemeinen Prüfungspflicht OGH ZIK 1996, 219; wobei hier noch auf die Bestimmungen der §§ 31, 32 KWG Bedacht zu nehmen ist).

Hier wurde von der Antragstellerin vorgebracht, dass es sich um Sparbücher des Vaters handle, die ihr "geschenkt" worden seien. Im Hinblick auf den obligatorischen Charakter des Rückforderungsanspruches (vgl EvBl 1993/4) ist durch die von ihr zugestandene und im Bescheinigungsverfahren bestätigte Einzahlung durch den Vater aber vorweg eine Zuordnung der Forderungen aus den gesperrten Sparguthaben zum Vermögen des Betroffenen von der Antragstellerin damit selbst behauptet worden. Allein die strittige und nicht weiter konkretisierte Behauptung, dass diese Forderung jemand anderem "schenkungsweise" übertragen worden sei, ändert aber unter Berücksichtigung des Sicherungszwecks der §§ 222 bis 224 ABGB noch nichts an der vorläufigen Zuordnung zum Vermögen des Betroffenen. Vielmehr ist die Wirksamkeit der behaupteten Schenkung im Streitverfahren zu klären. Auch der Dritte, die Bank, wird durch den Besitz der Sparurkunde ja nur berechtigt, aber nicht verpflichtet, Zahlungen zu leisten (vgl dazu MGA ABGB35 § 1393 E 62, SZ 70/46). Unabhängig von der Frage, inwieweit nicht auch der bisher aus dem Spareinlagenvertrag gegenüber der Bank als berechtigt ausgewiesene Einzahler durch eine Verlustmeldung eine Sperre des Sparbuches erreichen kann, ist schon im Hinblick auf diese Prüfungsbefugnis der Bank nicht davon auszugehen, dass die Forderung aus dem in das Inventar aufzunehmenden und zu sichernden Vermögen des Betroffenen ausgeschieden ist. Anders verhält es sich nur bei Schenkungen, bei denen die Schenkung als solche unstrittig ist (vgl OGH 28. 11. 1974, NZ 1976, 170).

Das Erstgericht ist daher zu Recht von der vorläufigen Zuordnung der Forderungen aus dem Sparguthaben zum Vermögen des Betroffenen ausgegangen. Dem Revisionsrekurs war dementsprechend Folge zu geben und die Sperre wiederherzustellen.

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