OGH 1Ob304/99h

OGH1Ob304/99h23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriela F*****, vertreten durch Dr. Susanne Steiner, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei "Z*****" ***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Rudolf Zitta und Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 85.000 S sA und Feststellung (Streitwert 20.000 S) infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 100.000 S) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Juni 1999, GZ 2 R 60/99b-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. Dezember 1998, GZ 7 Cg 299/97z-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin stürzte am 13. Jänner 1996 gegen 16 Uhr auf dem Parkplatz des von der beklagten Partei betriebenen Schilifts und erlitt dabei Verletzungen. Spätfolgen daraus sind nicht auszuschließen. Sie benützte den Parkplatz als Vertragspartnerin der beklagten Partei. Der Parkplatz - im alpinen Gelände - weist ein leichtes Gefälle auf. Am Tag des Unfalls wurde er einmal zwischen 8 Uhr und 8 Uhr 30 geräumt und gestreut. Im Tagesverlauf war er sodann stark frequentiert. Tagsüber war es bis etwa 16 Uhr sonnig bei Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt. Am Abend wurde es merklich kühler. Um 16 Uhr war der Parkplatz "an einigen Stellen eisglatt". Das Streugut war infolge der Sonneneinstrahlung, aber auch wegen der Motorabwärme parkender Fahrzeuge und im Zuge des Anfahrens und Bremsens von Fahrzeugen "abgesunken", wurde daraufhin überfroren oder überhaupt weggeschleudert. Dieser Zustand bestand vor allem dort, wo Fahrzeuge geparkt waren. Die Klägerin betrat den Parkplatz nach 15 Uhr mit Schischuhen, geschulterten Schiern und Stöcken, um ihre Schiausrüstung in ihrem PKW, der - bezogen auf das Gefälle - im oberen Parkplatzbereich abgestellt war, zu verstauen. Sie zog schließlich leichte Wanderschuhe mit gutem Profil an und verließ den Parkplatz wieder. Später suchte sie ihn in Begleitung eines Bekannten neuerlich auf. Dabei benützte sie eine Fläche als Weg, die zuvor noch verparkt war und stürzte im Bereich einer Vereisung.

Die Klägerin begehrte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - den Zuspruch von 80.000 S sA an Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen unfallkausalen Schäden. Sie brachte vor, die beklagte Partei habe durch die Unterlassung der Streuung bzw Salzung der Parkplatzfläche Verkehrssicherungspflichten verletzt, sodaß sie für die nachteiligen Folgen des Schadensereignisses einzustehen habe.

Die beklagte Partei wendete ein, sie sei ihrer Rechtspflicht, den Parkplatz zu bestreuen, in ausreichendem Maß nachgekommen. Streumaßnahmen seien nur vor Betriebsbeginn möglich. Die Klägerin habe ihren Unfall durch Unaufmerksamkeit selbst verschuldet. Sie sei bereits vor dem Sturz einmal über den Parkplatz gegangen, habe seinen Zustand gekannt und hätte glatte Flächen nicht benützen sollen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die beklagte Partei habe ihre Streupflicht erfüllt. Diese Pflicht werde von den Verkehrsbedürfnissen und durch die Zumutbarkeit solcher Maßnahmen begrenzt. Ein stark frequentierter Parkplatz müsse tagsüber nicht nachgestreut werden, obleich eine händische Nachstreuung von Parkplatzteilen an sich möglich gewesen wäre. Die Klägerin habe die Parkplatzverhältnisse bereits vor ihrem Sturz gekannt. Ihr sei anzulasten, nicht Zufahrts-, sondern in der Zwischenzeit frei gewordene (vereiste) Parkflächen als Weg benützt zu haben.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 260.000 S nicht übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die beklagte Partei habe die Möglichkeit des gefahrlosen Begehens des Parkplatzes in Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht zu gewährleisten. Bei Verletzung dieser Vertragspflicht müsse sie nach § 1313a ABGB auch für leichtes Verschulden ihrer Mitarbeiter einstehen. Tatsachen, die eine Vertragsverletzung indizierten, seien aber von der Klägerin zu behaupten und zu beweisen.

Auf einem Parkplatz im alpinen Gelände, der wegen seines starken Verkehrs von Fahrzeugen und Personen tagsüber nicht nachgestreut werden könne, müsse ein Benützer erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen. Einem Schiliftbetreiber sei es "in wirtschaftlicher Hinsicht nahezu unmöglich, derartige Parkplätze praktisch den gesamten Tag über zu beobachten und einen Mitarbeiter ausschließlich dafür abzustellen, per Hand in Betracht kommende Stellen nachzustreuen". Zu fordern sei bloß, daß ein solcher Unternehmer den Parkplatz am Morgen des Schitags räume und allenfalls auch bestreue. Nicht zumutbar sei dagegen "ein Nachstreuen im Laufe des Tages". Der Zustand der gesamten Parkplatzfläche im Unfallszeitpunkt sei somit nicht entscheidungswesentlich. Es müsse demnach nicht geklärt werden, ob die Klägerin ihren PKW auch auf nicht vereisten Flächen hätte erreichen können. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Beantwortung der Frage, ob ein Schiliftbetreiber den seinen Kunden zur Verfügung gestellten Parkplatz "bei sich ändernden Witterungsverhältnissen" tagsüber nachzustreuen habe, eine über den entschiedenen Einzelfall hinausreichende Bedeutung habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Kein Streitpunkt ist es zwischen den Parteien, daß die beklagte Partei als Schiliftbetreiberin die sichere Begeh- und Befahrbarkeit des ihren Kunden zur Verfügung gestellten Parkplatzes in Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht im Rahmen des Zumutbaren zu gewährleisten hat. Insofern genügt es, gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Richtigkeit der Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen. Streitentscheidend ist daher nur, welche faktisch möglichen Maßnahmen der beklagten Partei auch zumutbar sind.

2. Der erkennende Senat tritt der Ansicht der Vorinstanzen bei, daß es der beklagten Partei nicht zugemutet werden kann, ihren tagsüber stark frequentierten Parkplatz im alpinen Gelände über seine gesamte Fläche hinweg kontinuierlich auf eisglatte Stellen absuchen und daraufhin jeweils freiwerdende und infolge der Witterungsverhältnisse und sonstiger Einwirkungen nunmehr vereiste Parkflächen händisch nachstreuen zu lassen. Nicht erforderlich sind solche Maßnahmen auch zwischen geparkten Fahrzeugen innerhalb von Parkreihen.

Diese Beurteilung teilt im Grunde genommen auch die Klägerin, weil sie der beklagten Partei nur vorwirft, im Tagesverlauf nicht einmal "einige Gehwege" bestreut zu haben, obgleich bereits eine solche beschränkte Nachstreuung "zur Gewährleistung eines sicheren Fußgängerverkehrs von und zu abgestellten Fahrzeugen ... selbstverständlich" genügt hätte.

Nicht beizupflichten ist dagegen der Ansicht des Berufungsgerichts, der Schiliftbetreiber komme seiner vertraglichen Nebenpflicht, die Sicherheit seines Parkplatzes zum Schutz seiner Kunden durch Räum- und Streumaßnahmen zu gewährleisten, schon durch das einmalige "Herrichten" vor dem Betriebsbeginn nach, weil der Parkplatz tagsüber bis nach Betriebsschluß von einer hohen Verkehrsfrequenz betroffen sei.

Es entspricht allgemeiner Erfahrung, daß Parkplätze entweder von vornherein einer bestimmten Parkordnung unterliegen oder sich eine solche unter Berücksichtigung der jeweiligen Tagesbedürfnisse ergibt, müssen doch in jedem Fall bestimmte Zu- und Abfahrtswege ständig freigehalten werden.

Die beklagte Partei behauptet, jedermann wisse, daß auf einem "Schiparkplatz ... überall gegangen und gefahren" werde und es dort keine gesonderten "Geh- und Fahrwege" gebe. Sie bezieht sie sich damit offenkundig - im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verfahren erster Instanz (ON 2 S. 2 f) - auf eine flexible, sich täglich ändernde Parkordnung, nach der Geh- und Fahrwege nicht vorweg fixiert sind, sondern nach dem jeweiligen Verparkungsmuster entstehen, das sich aufgrund der tatsächlichen Verparkung gewöhnlich schon im Zeitraum unmittelbar vor bis wenig nach Betriebsbeginn der Schiliftanlage herausstellt.

Der beklagten Partei ist es durchaus zumutbar, bestimmte Geh- und Fahrwege ihres Parkplatzes nach der jeweiligen Tagesparkordnung während der Betriebszeit der Schiliftanlage - den Erfordernissen der ihr ohnehin bekannten Auswirkungen alpiner Wetterverhältnisse und des Betriebs von Kraftfahrzeugen entsprechend - zwei- bis dreimal auf eisglatte Flächen zu kontrollieren und erforderlichenfalls begangene und befahrene Wege nachstreuen zu lassen, um den sicheren Gebrauch des Parkplatzes bis nach Betriebsschluß zu ermöglichen. Das gilt umso mehr, als es die beklagte Partei angesichts ihrer Einflußmöglichkeit auf die jeweilige Tagesparkordnung ohnehin selbst in der Hand hat, sich die nach den örtlichen Gegebenheiten wirtschaftlich günstigste Nachstreumöglichkeit zu eröffnen.

Im Verlangen, solchen Anforderungen zu genügen, ist keine Überspannung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten zu erblicken. Es wird von der beklagten Partei vielmehr nur das gefordert, was sie nach dem Inhalt ihrer Klagebeantwortung in Erfüllung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten offenkundig selbst sicherstellen zu können glaubt, behauptete sie doch, es könne nur "nie 100 %-ig ausgeschlossen werden, daß es während des Tages an einzelnen Stellen (Hervorhebung durch den erkennenden Senat) zu Glätte" komme (ON 2 S. 2).

Die voranstehenden Erwägungen sind daher wie folgt zusammenzufassen: Die beklagte Partei hat ihren Kunden gegenüber bis nach Betriebsschluß der Schiliftanlage in den aufgezeigten Grenzen zumutbaren Verhaltens zu gewährleisten, daß diese ihre Fahrzeuge gerade (auch) unter solchen Verhältnissen, die erfahrungsgemäß zu Glatteisbildung führen können, auf bestimmten tagsüber kontrollierten und bestreut gehaltenen Wegen sicher erreichen können, solange sie nur selbst die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt an den Tag legen.

3. Wäre der Parkplatz der beklagten Partei im Unfallszeitpunkt - entsprechend einer vom Erstgericht getroffenen Feststellung - tatsächlich nur "an einigen Stellen" vor allem im Bereich zuvor noch verparkter Flächen vereist gewesen und hätte daher die Klägerin ihr Fahrzeug, ohne über solche eisglatten Flächen gehen zu müssen, auch auf einem relativ sicheren Weg erreichen können, so wäre die Klage vor dem Hintergrund der unter 2. erläuterten Rechtslage zutreffend abgewiesen worden.

Diese Feststellung wurde von der Klägerin aber im Berufungsverfahren bekämpft. Sie begehrte an deren Stelle die Feststellung, daß der Parkplatz der beklagten Partei am Nachmittag des Unfalltags "im mittleren und oberen Bereich ... eine mehr oder weniger einheitlich glatte Fläche ohne Unterscheidung zwischen Fahrstreifen, Gehwegen und Parkflächen" gewesen sei und die "Fahrflächen und Gehwege zwischen den Fahrzeugen" nicht gestreut gewesen seien.

Das Berufungsgericht unterließ eine Erledigung dieser Beweisrüge zufolge einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht. Die bekämpfte Feststellung ist jedoch bei richtiger Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen - wie voranstehend erläutert - entscheidungswesentlich. Von der Klägerin wurde das Unterbleiben der Erledigung ihrer Beweisrüge im erörterten Punkt auch gerügt.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, damit das Gericht zweiter Instanz über die Berufung der Klägerin unter nunmehriger Erledigung der Beweisrüge neuerlich entscheiden kann.

4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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