OGH 1Ob299/99y

OGH1Ob299/99y23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Alena W*****, geboren am *****, und des mj Dominik W*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau, Krems, Körnermarkt 1, gegen den Beschluß des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 16. August 1999, GZ 2 R 36/99b-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 19. Jänner 1999, GZ 2 P 4/98a-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die beiden unehelichen Kinder befinden sich in Obsorge ihrer Mutter und werden in deren Haushalt betreut.

Der Unterhaltssachwalter beantragte, die väterlichen Großeltern ab 1. 3. 1996 zur Leistung des altersentsprechenden Regelunterhalts für deren beide Enkelkinder zu verpflichten. Die Mutter gehe keiner Beschäftigung nach; sie werde von der mütterlichen Großmutter, die ihr bei der Pflege und Erziehung der Kinder und der Führung des Haushalts helfe, finanziell unterstützt. Der Vater leiste derzeit seinen Präsenzdienst; nach dessen Beendigung habe er die Absicht, weiter zu studieren. Alimente für seine beiden Kinder habe er nie bezahlt. Die mütterliche Großmutter leiste ihren Anteil zum Unterhalt der Kinder dadurch, dass sie die Mutter bei der Pflege und Erziehung der beiden Kinder und auch finanziell unterstütze.

Die väterlichen Großeltern sprachen sich gegen diesen Antrag aus. Die Mutter könne selbst den Unterhalt für die Kinder bestreiten. Es sei zu prüfen, ob das UVG anwendbar sei; gegebenenfalls sei auch die mütterliche Großmutter zur Leistung von Geldunterhalt heranzuziehen. Im übrigen verbrächten die Kinder nahezu jedes Wochenende in der großelterlichen Wohnung und werde dadurch (Natural-)Unterhalt geleistet.

Der Unterhaltssachwalter zog einen Antrag, der auf die Bestimmung des vom Vater zu leistenden Unterhalts abzielte, zurück.

Das Erstgericht verpflichtete die väterlichen Großeltern zur Leistung bestimmter Unterhaltsbeiträge ab 1. 3. 1996.

Es stellte fest, die Minderjährigen seien einkommens- und vermögenslos und würden in dem von der Mutter geführten Haushalt betreut. Der Vater habe für seine Kinder weder Natural- noch Geldunterhalt geleistet. Seit dem Abschluss ihres Studiums warte die Mutter auf ein Engagement. Finanzielle Unterstützung sei ihr und den beiden Kindern bisher ausschließlich von der mütterlichen Großmutter geleistet worden, die auch das Wohnhaus, in dem sie gemeinsam lebten, gekauft habe. Die Kinder seien mit der Großmutter krankenversichert und diese habe auch eine weitere Versicherung für die Kinder abgeschlossen und finanziert. Vor dem Ankauf der nunmehrigen Wohnstätte im Oktober 1997 habe die mütterliche Großmutter ihren gesamten Urlaub einschließlich der Feiertage bei ihrer Tochter und den Enkelkindern verbracht, damit die Mutter ihr Studium habe weiterführen können. Sie habe während dieser Aufenthalte an der mj Alena Therapien durchführen lassen, weil das Kind an motorischen Störungen gelitten habe. Diese Therapien seien von der mütterlichen Großmutter bezahlt worden. Diese habe auch sämtliche Kleidungsstücke und Spielsachen für die Minderjährigen finanziert sowie ein geräumiges Auto, eine Waschmaschine, einen Trockner und einen Geschirrspüler angekauft. Der mütterliche Großvater sei bereits verstorben. Der Vater der Minderjährigen studiere Biochemie und arbeite an seiner Diplomarbeit. Bis zum Jänner 1998 habe er seinen Präsenzdienst abgeleistet, seit 23. 3. 1998 sei er neben seinem Studium als Buchmachergehilfe teilzeitbeschäftigt und verdiene monatlich S 7.752,80 netto. Er wohne bei seinen Eltern. Der väterliche Großvater habe in den Jahren 1996 bis 1998 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 47.000, die väterliche Großmutter ein solches von etwa S 41.000 bezogen.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, der Vater könne "nicht bzw nicht ausreichend" Unterhalt leisten. Die Mutter komme ihrer anteiligen Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung der Kinder in dem von ihr geführten Haushalt nach. Sie sei zur Leistung von Geldunterhalt nicht imstande. Die mütterliche Großmutter sei gemeinsam mit der Mutter der Minderjährigen für deren Pflege und Erziehung zuständig. Sie habe auch alle notwendigen Anschaffungen seit der Geburt der Kinder bestritten. Damit habe sie ihre subsidiäre Unterhaltspflicht voll erfüllt, wogegen die väterlichen Großeltern nach Maßgabe ihres Einkommens anteilig zur Unterhaltsleistung in Höhe der Regelbedarfssätze zu verpflichten seien. Die von den väterlichen Großeltern erbrachten freiwilligen Leistungen könnten den Kindesunterhalt nicht schmälern.

Das Rekursgericht hob die erstinstanzliche Entscheidung infolge Rekurses der väterlichen Großeltern auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Großeltern der Minderjährigen seien subsidiär zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Eine Anspannung der Mutter, die die Kinder betreue, sei, da sie zwei Kleinkinder zu versorgen habe, nicht möglich. Ob der Vater auf ein ihm die Erfüllung seiner Unterhaltspflichten ermöglichendes Einkommen angespannt werden könne, sei nicht zu prüfen, weil die väterlichen Großeltern selbst die mangelnde Leistungsfähigkeit des Vaters unterstellt hätten. Die Großeltern hätten subsidiär anteilig zum Unterhalt der Enkelkinder beizutragen; zwischen ihnen gebe es keine Rangfolge. Allenfalls von der mütterlichen Großmutter erbrachte Betreuungsleistungen seien als freiwillige Leistungen und nicht als Unterhaltsbeitrag zu qualifizieren. Die finanziellen Zuwendungen der mütterlichen Großmutter hätten grundsätzlich keinen Einfluss auf den Unterhaltsanspruch der Kinder; insbesondere habe die mütterliche Großmutter sowohl das Bauernhaus wie auch die verschiedenen Geräte und den PKW für sich und ihren Gebrauch erworben. Die allfällige Mitbenützung durch die Tochter bzw die Enkelkinder sei nicht als Unterhaltsleistung für Letztere zu werten. Es sei aber zu prüfen, ob und inwieweit die Unterhaltsbedürfnisse der Minderjährigen von den jeweiligen Großelternteilen regelmäßig und wiederkehrend und nicht nur durch fallweise Zuwendungen befriedigt worden seien. Nur insoweit wären auf Geldunterhalt anrechenbare Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen. Eine Unterhaltsbevorschussung nach dem UVG käme im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Ausführungen des Rekursgerichts zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Großeltern gemäß den §§ 166 und 141 ABGB zur Leistung von Unterhalt an ihre Enkelkinder herangezogen werden können, stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Der Unterhaltssachwalter hält diesen Ausführungen bloß entgegen, die mütterliche Großmutter dürfe nicht zur Unterhaltsleistung herangezogen werden, weil die Mutter ihrer Unterhaltsverpflichtung dadurch nachkomme, dass sie den Kindern Pflege und Erziehung gewähre; nur die Eltern des "nicht Unterhalt zahlenden Elternteils" - also die väterlichen Großeltern - seien zur subsidiären Unterhaltsleistung zu verpflichten.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Großeltern sind erst dann zur Unterhaltsleistung heranzuziehen, wenn beide Elternteile nicht ausreichend imstande sind, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen (SZ 71/9). Die Frage, inwieweit der Vater auf Grund des von ihm erzielten Einkommens bzw bei Anspannung imstande wäre, den Unterhalt der Kinder zumindest zum Teil zu bestreiten, ließ das Rekursgericht unbeantwortet, weil die väterlichen Großeltern die "festgestellte Leistungsunfähigkeit" des Vaters nicht bestritten hätten und daher die Frage seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr zu prüfen sei. Die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Vaters gehört aber auch zur rechtlichen Beurteilung, sodass deren rechtliche Überprüfung durch das Gericht zweiter Instanz erforderlich gewesen wäre, was allein schon daraus folgt, dass die Leistungsfähigkeit des Vaters - wie im Folgenden noch darzustellen sein wird - nicht bloß für die Leistungspflicht der väterlichen Großeltern, sondern auch für jene der mütterlichen Großmutter von Bedeutung ist. Es wird deshalb vorweg zu klären sein, ob bzw inwieweit der Vater imstande ist, für den Unterhalt seiner Kinder aufzukommen.

Sollte der Vater nicht in der Lage sein, zur Gänze für den Unterhalt aufzukommen, so werden auch die Großeltern zur Bestreitung des Unterhalts für ihre beiden Enkel beizutragen haben. Zwischen den Großelternteilen eines Unterhaltsberechtigten besteht keine Rangfolge; sie haben untereinander anteilig zum subsidiären Unterhalt der Enkelkinder beizutragen. Der Beitrag jedes einzelnen Großelternteils ist im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit sämtlicher subsidiär unterhaltspflichtiger Großelternteile zu bestimmen (ÖA 1998, 71; ÖA 1997, 198; EFSlg 77.955; ÖA 1995, 165). Nur wenn ein Großelternteil die Obsorge für seine Enkelkinder selbst ausübt, leistet er seinen Beitrag zum Unterhalt dieser Kinder schon durch deren Pflege und Erziehung (vgl ÖA 1998, 71), nicht aber schon dann, wenn einem Elternteil die Obsorge für die Kinder zukommt und der Großelternteil lediglich unterstützend zur Erfüllung dieser Obsorgeverpflichtung beiträgt. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der von den väterlichen Großeltern zu leistende Unterhalt unter Bedachtnahme auf die allfällige Unterhaltspflicht des Vaters und auf die Leistungsfähigkeit der mütterlichen Großmutter nur anteilig zu bestimmen ist. Demgemäß wird das Erstgericht den vom Gericht zweiter Instanz erteilten Aufträgen nachzukommen und neuerlich zu entscheiden haben.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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