OGH 12Os129/99

OGH12Os129/9911.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter M***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, AZ 16 Vr 657/95 des Landesgerichtes St. Pölten, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 10. Dezember 1996, GZ 16 Vr 657/95-127, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Verteidigers Dr. Berger, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 10. Dezember 1996, GZ 16 Vr 657/95-127, verletzt im Schuldspruch der Angeklagten Günter und Brunhilde M***** zu Punkt I./4. das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB.

Dieses Urteil wird hinsichtlich beider Angeklagten im Schuldspruchfaktum I./4., das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. April 1997, AZ 23 Bs 94/97 (= ON 147) hingegen zur Gänze ebenso aufgehoben wie auch der erstinstanzliche Strafausspruch und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Günter M***** und Brunhilde M***** wurden mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 25. Juli 1993, GZ 29 Vr 833/90-514, des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit von Ende 1989 bis August 1990 in Neulengbach und an anderen Orten im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in 62 Angriffen im Urteil namentlich angeführte Anlageberater, Kreditvermittler und Anleger gewerbsmäßig betrügerisch um einen Gesamtbetrag von 105,107.781 S, darunter auch Ingrid J***** um einen Betrag von 4,896.946 S (Schuldspruchfaktum 5d, 394/XXXII) am Vermögen schädigten.

Da Günter und Brunhilde M***** nach ihrer Entlassung aus den hiefür über sie verhängten Freiheitsstrafen die Anlagebetrügereien fortsetzten, wurden sie mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 10. Dezember 1996, GZ 16 Vr 657/95-127, abermals des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall (und 15) StGB mit einem strafrechtlich relevanten Schaden von mehr als 7 Mio S schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen in der Dauer von drei bzw zwei Jahren verurteilt, die vom Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 17. April 1997, AZ 23 Bs 94/97 (ON 147), auf jeweils fünfeinhalb Jahre erhöht wurden.

Als Schuldspruch Punkt I./4. liegt ihnen zur Last, im bewußten und gewollten Zusammenwirken am 12. April 1994 durch eine mittels Telefax an Ingrid J***** übermittelte "gefälschte" Beschlussausfertigung des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. Dezember 1993, GZ C 147/93 y, über die gerichtliche Anordnung der Sperre des Girokontos des Dieter G*****, Walluferstraße 9 in Wiesbaden, Deutschland, lautend auf Monika G*****, bei der Creditanstalt-Bankverein in Wien, sohin unter Verwendung eines "gefälschten" Beweismittels, zur Aufhebung des von Ingrid J***** beim Amtsgericht Böblingen, BRD, erwirkten vorläufigen Zahlungsverbotes gegen Richard F***** und zur Unterzeichnung einer Verwertungsvereinbarung vom 19. April 1994, veranlaßt und dadurch die betrügerische Schädigung des Rolf J***** und der Ingrid J***** um

493.680 DM herbeigeführt zu haben.

Hiezu wurde in den Entscheidungsgründen (262 ff/VI) - zusammengefasst wiedergegeben - mit ausdrücklicher Bezugnahme auf das Schuldspruchfaktum 5d des eingangs bezeichneten Urteils ausgeführt, daß die Geschädigte Ingrid J***** zur Hereinbringung des dort festgestellten Schadensbetrages von 4,896.946 S gegen den für die Firma des Günter M***** in Deutschland tätig gewesenen Vermittler Richard F***** am 17. August 1993 ein Urteil des Oberlandesgerichtes Stuttgart erwirkte, mit dem dieser zur Zahlung von 700.000 DM verpflichtet wurde, sowie in der Folge eine Pfändung und Sperre seiner Konten mit insgesamt zur Schadensabdeckung ausreichenden Guthaben durchsetzte. Nach seiner Entlassung aus der Haft am 24. September 1993 gab Günter M***** vor, er werde den in Rede stehenden Schaden des Ehepaars J***** bis spätestens Ende 1994 gutmachen und behauptete in diesem Kontext wahrheitswidrig, über ein - tatsächlich nicht existentes - Konto des Dieter G***** mit einem Guthaben von 9 Mio S zu verfügen, das zur Befriedigung der Forderung der Ingrid J***** herangezogen werden sollte. Um F***** schadlos zu halten, stellte er ferner tatplangemäß mit Wissen der Brunhilde M***** eine Totalfälschung einer Ausfertigung eines mit 27. Dezember 1993 datierten Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien her, inhaltlich dessen die Sperre des angeblichen Bankkontos des Dieter G***** angeordnet wird. Nach dessen Übermittlung an die Ehegatten J***** mittels Telefax zog Ingrid J***** am 20. April 1994 im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser vermeintlichen gerichtlichen Entscheidung ihre den gegen Richard F***** erwirkten exekutionsgerichtlichen Entscheidungen zugrundeliegenden Anträge zurück, wodurch F***** in die Lage versetzt wurde, über diese Konten zu verfügen und dies auch tat. Dieser Sachverhalt wurde vom Erstgericht (anklagekonform) als Beweismittelbetrug beurteilt.

Das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 10. Dezember 1996, GZ 16 Vr 657/95-127, steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - im Schuldspruchfaktum I./4. mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Nach den diesem Teilschuldspruch zugrundeliegenden Urteilsannahmen wurde dem Ehepaar J***** kein zusätzlicher, von der früheren Verurteilung der Angeklagten nicht umfasster Betrugsschaden zugefügt, sondern (bloß) die mögliche Schadensgutmachung durch Richard F***** verhindert. Dieses gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete und keinen über die Vortat hinausreichenden quantitativen Schaden bewirkende Tatverhalten der Verurteilten kann ihnen demnach nicht erneut als Betrug angelastet werden (Leukauf/Steininger Komm3 § 28 RN 51 mwN). Der Schuldspruch zu diesem Teilfaktum beruht sohin auf einem den Verurteilten zum Nachteil gereichenden Rechtsirrtum, der insoweit zur Aufhebung des Urteils zwingt.

Da der Akteninhalt Anhaltspunkte für eine Beurteilung des inkriminierten Tatgeschehens als Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (Kienapfel WK § 223, Rz 21, 23; 14 Os 146/98) und der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 und Abs 2 StGB (§ 288 dStGB) in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB bietet, die urteilsmäßigen Feststellungen aber eine dazu abschließende Beurteilung nicht zulassen, ist die Anordnung einer partiellen Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

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