OGH 2Ob195/98k

OGH2Ob195/98k4.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Niederösterreich, 1010 Wien, Herrengasse 11 - 13, vertreten durch Dr. Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Franz K*****, und 2. ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Christian Prem, Dr. Michael Mathes und Mag. Dieter Hauser, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 126.548,42 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 1998, GZ 11 R 167/97b-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. August 1997, GZ 15 Cg 115/95g-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 8.923,20 (darin enthalten S 1.487,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 1. 6. 1991 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem ein Beamter der klagenden Partei aus Verschulden des Erstbeklagten tödlich verletzt wurde. Die zweitbeklagte Partei ist Haftpflichtversicherer des vom Erstbeklagten gelenkten PKWs. Der Beamte hinterließ eine Witwe und zwei Töchter (eine geboren am 26. 2. 1972 und die zweite am 2. 1. 1979), an die die klagende Partei Rentenleistungen erbrachte bzw für die jüngere Tochter und die Witwe auch weiter erbringt.

In dem von der klagenden Partei geltend gemachten Zeitraum vom Juli 1991 bis Dezember 1994 haben diese Leistungen insgesamt S 985.820,14 betragen. Strittig ist zwischen den Parteien nur, ob bei der Berechnung des Deckungsfonds die Dienstgeberbeiträge in Abzug zu bringen sind oder nicht. Die klagende Partei hat unter Zugrundelegung der Dienstgeberbeiträge ihr Klagebegehren in Höhe von S 126.548,42 errechnet.

Sie begehrt diesen Betrag samt 4 % Zinsen seit 6. 7. 1995 und stützt dies im Wesentlichen darauf, dass nach ihrer Ansicht bei der Berechnung der Hinterbliebenenansprüche nicht das Nettoeinkommen des Getöteten, sondern das Bruttoeinkommen zuzüglich der Dienstgeberbeiträge zugrundezulegen sei. Dies ergebe sich aus der jüngeren Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wonach auch bei den Schadenersatzansprüchen des Arbeitgebers aus der Verletzung seines Arbeitnehmers und den daraus resultierenden Ansprüchen auf Lohnfortzahlung der Ersatz des Bruttolohnes und der Arbeitgeberbeiträge zu leisten sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte aus, dass nur die Nettobezüge des Verunglückten Ausgangspunkt für die Berechnung der Ansprüche der Hinterbliebenen sein könnten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in dem der Höhe nach unstrittig auch bei Abzug der Sozialversicherungsbeiträge weiterhin zustehenden Betrag von S 18.495 sA statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von S 108.053,42 ab.

Es ging vom eingangs dargestellten Sachverhalt aus und erörterte rechtlich, dass nach § 51 Abs 2 zweiter Satz der Dienstpragmatik der Schadenersatzanspruch der Hinterbliebenen im Umfang der an diese von der klagenden Partei erbrachten Hinterbliebenenleistungen (Witwen-, Waisenpension) auf diese übergegangen sei. Der Anspruch der Hinterbliebenen sei entsprechend der ständigen Judikatur vom Nettoeinkommen des Getöteten und dann ebenfalls unter Abzug der gesetzlichen Sozialversicherungsabgaben zu berechnen. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu Lohnfortzahlungsfällen, wonach der Arbeitgeber den Anspruch auf Ersatz des Bruttolohnes und der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung habe, sei nicht übertragbar.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Unstrittig sei, dass nach § 51 Abs 1 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 unter anderem auch der Schadenersatzanspruch eines Hinterbliebenen wegen des Todes eines Landesbeamten auf die klagende Partei, das Land Niederösterreich in jenem Umfang übergehe, in dem das Land an den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen habe. Strittig sei aber, wie groß die Ansprüche dieser Hinterbliebenen seien, also der Deckungsfonds, für den die beklagten Parteien als Schädiger bzw Haftpflichtversicherer einzustehen hätten. Nach § 1327 ABGB hätten die Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Anspruch auf das, was ihnen durch den Tod entgangen sei. Entscheidend sei also die Berechnung dieses Entganges. Nach der ständigen Judikatur sei nur das Nettoeinkommen des Getöteten Grundlage für die Berechnung. Auch im Unterhaltsrecht sei nur dieses Nettoeinkommen der Berechnung des Unterhalts zugrundezulegen. Auch wenn der Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB nicht als Unterhaltsanspruch anzusehen sei, diene er doch dazu, diesen zu ersetzen und könne daher nicht über das hinausgehen, was den Unterhaltsberechtigten gesetzlich zugestanden sei. Insoweit sei ihnen nichts entgangen. Die Entscheidung zum Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers bei Verpflichtung zur Lohnfortzahlung nach einer rechtswidrigen Verletzung seines Arbeitnehmers (SZ 67/52) habe eine ganz andere Grundlage. Dabei sei es darum gegangen, dass auf den Arbeitgeber ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers übergegangen sei, weil dem Arbeitgeber selbst unmittelbar ein Schaden daraus entstanden sei, dass er zwar weiter das Entgelt samt den darauf entfallenden Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung zu zahlen gehabt, dafür aber wegen der Verletzung des Arbeitnehmers keine Arbeitsleistung erhalten habe. Der Schaden sei auf ihn verlagert worden. Es sei dabei um die Lösung des sogenannten Drittschadensproblems, also der Frage gegangen, ob Personen, deren verletzte Vermögenswerte nicht unmittelbar von der übertretenen Norm geschützt seien, also mittelbare Geschädigte auch noch diesen Schaden geltend machen könnten. Dies stehe aber mit der gegenständlichen Problematik in keinem Zusammenhang. Hier gehe es nur um die von der klagenden Partei auf Grund der Legalzession übergegangenen Ansprüche der Hinterbliebenen und nicht jene des Getöteten bzw des Arbeitgebers. Diese hätten auch im Rahmen des Unterhaltsrechtes nur Anspruch auf Berechnung ihres Unterhaltes unter Berücksichtigung des Nettoeinkommens. Einen darüber hinausgehenden Anspruch könne dementsprechend auch die klagende Partei nicht ableiten. Dass die von ihr früher vom Einkommen des Getöteten berechneten Sozialversicherungsbeiträge auch die Grundlage für die Berechnung der Hinterbliebenenpension bildeten, könne den Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen nicht erhöhen.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zwar durch die Rechtsprechung geklärt sei, dass sich der Anspruch nach § 1327 ABGB nur auf das Nettoeinkommen des Getöteten stützen könne, jedoch noch nicht ausgesprochen worden sei, ob die neuere Judikatur zu § 1325 ABGB über den Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers bei Lohnfortzahlung daran eine Änderung bewirkt habe.

Die klagende Partei verweist in ihrer Revision darauf, dass es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen geboten erscheine, auch bei der Berechnung des Deckungsfonds für Ansprüche gemäß § 1327 ABGB vom Bruttoeinkommen des getöteten Unterhaltspflichtigen auszugehen.

Die beklagten Parteien beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zunächst ist auf die ausführliche Begründung der Vorinstanzen zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass die Bestimmung des § 1325 ABGB einen anderen Regelungsgehalt als jene des § 1327 ABGB enthält. § 1325 regelt den Fall der Ersatzansprüche bei Körperverletzung. Die neuere Rechtsprechung zu § 1325 ABGB über den Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers bei Lohnfortzahlung (SZ 67/52 ua) geht davon aus, dass in einem Lohnfortzahlungsfall eine bloße Schadensverlagerung vorliegt. Ist der verletzte Dienstnehmer und sein Dienstgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden, der aus den Entgeltzahlungen des Dienstgebers einschließlich der dafür zu leistenden Sozialversicherungsabgaben entsteht, auf den Dienstgeber überwälzt, der insofern Anspruch auf Ersatz seines Schadens hat.

Anders liegt der Fall nach § 1327 ABGB. Diese Bestimmung regelt die Ansprüche der Hinterbliebenen eines Getöteten. Nach der ständigen von den Vorinstanzen zitierten Judikatur ist bei Berechnung des Schadenersatzbetrages vom Nettoschaden auszugehen, also von den um die Steuer und Abgaben verminderten Bruttoeinkünften des Getöteten (ZVR 1978/23; RIS-Justiz RS0031017). Den Hinterbliebenen ist durch den Tod des Unterhaltspflichtigen nämlich nur das entgangen, was sie tatsächlich von der klagenden Partei faktisch erhalten haben; es ist daher vom fiktiven Nettoeinkommen des Getöteten auszugehen. Das in den jüngeren Entscheidungen angesprochene Problem der Schadensverlagerung stellt sich in diesem Fall nicht, weil die Hinterbliebenen gemäß § 1327 nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eben nur darauf Anspruch haben, was ihnen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen entgangen ist, weshalb ein Wertungswiderspruch nicht erblickt werden kann.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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