OGH 4Ob269/99h

OGH4Ob269/99h19.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Irmgard J*****,

2. Margit H*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Horst Wendling und Dr. Katja Kaiser, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Juni 1999, GZ 2 R 271/99p-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 9. April 1999, GZ 2 C 424/98b-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerinnen haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen sind zu je 5/16, der Beklagte ist zu 1/8 Miteigentümer der Liegenschaften EZ ***** (mit dem Wohnhaus K*****, K*****gasse *****) und EZ *****, beide Grundbuch ***** K*****-Stadt. Der restliche Viertelanteil steht im Eigentum von Alexandra W*****, die sich am Verfahren nicht beteiligt hat.

Die gemeinsame Mutter der Streitteile ist am 7. 8. 1997 verstorben. Bis zu ihrem Tod hat sie das Haus gemeinsam mit dem Beklagten bewohnt. Der Beklagte wohnt nach wie vor im Haus; er benutzt allerdings nur den Vorraum, das Bad im Erdgeschoß, die Küche und die Toilette im ersten Obergeschoß und den Dachboden. In der auf dem Grundstück EZ ***** errichteten Holzhütte hat er Holz und Werkzeug gelagert. Die vom Beklagten nicht benutzten Räume werden auch von sonst niemandem genutzt.

Die Klägerinnen begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihnen die Liegenschaften in EZ ***** und in EZ ***** mit dem Einfamilienhaus, je Grundbuch K*****-Stadt, K*****, K*****gasse *****, binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben. Die Klägerinnen hätten ihrer Mutter die Nutzung des gesamten Hauses überlassen wollen und geduldet, dass auch der Beklagte im Haus wohnte. Er sei zwar seit dem Tod der Mutter auch Miteigentümer; dies ändere aber nichts daran, dass er die Liegenschaft gänzlich titellos benütze. Das von ihm behauptete Wohnrecht habe ihm die Mutter nie eingeräumt; sie wäre dazu auch nicht berechtigt gewesen.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die Mutter der Streitteile habe ihm das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht eingeräumt. Die Klägerinnen hätten dem stillschweigend zugestimmt. Als nunmehriger Miteigentümer sei er aber jedenfalls berechtigt, die Liegenschaft entsprechend seinem Miteigentumsanteil zu nutzen. Der von bewohnte Teil des Hauses umfasse rund 35 m**2; das entspreche etwa seinem Miteigentumsanteil.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Als Miteigentümer benutze der Beklagte die Liegenschaften nicht titellos. Soweit sich die Parteien über die Benützung uneinig seien, müssten sie eine Benützungsregelung im Außerstreitverfahren anstreben. Der Beklagte könne nicht durch Räumungsklage von der Mitbenützung ausgeschlossen werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach - auf Grund eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO - aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Gegen einen Miteigentümer, der ein seinen Miteigentumsanteil übersteigendes vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht behaupte, könne nicht mit einer Räumungsklage wegen titelloser Benützung vorgegangen werden. Im Falle der Störung einer tatsächlichen Gebrauchsordnung durch unverhältnismäßige Eigennutzung eines Miteigentümers wäre eine Unterlassungsklage zu erheben. Die Behauptung, dass sich die Klage nur gegen die ausschließliche und unverhältnismäßige Nutzung der Liegenschaften durch den Beklagten richte, treffe nicht zu. Durch sie solle die bedingungslose gänzliche Räumung beider Liegenschaften erreicht werden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerinnen ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Streitteile sind Miteigentümer von Liegenschaften. Die Rechtsbeziehungen einer Miteigentümergemeinschaft sind in §§ 825 ff ABGB geregelt. Nach der zu § 828 ABGB ergangenen Rechtsprechung ist jeder Teilhaber berechtigt, die gemeinschaftliche Sache auch ohne vorherige Absprache mit den übrigen Teilhabern zu benützen. Das Ausmaß seines Gebrauchs richtet sich danach, ob die Sache eine unbeschränkte oder nur eine beschränkte Gebrauchsmöglichkeit gewährt. Ist die Gebrauchsmöglichkeit unbeschränkt, so kann jeder Miteigentümer diesen Gebrauch ausüben (ua MietSlg 28.050: Spaziergänge im gemeinsamen Garten). Bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit kann der Miteigentümer das gemeinschaftliche Gut derart gebrauchen oder benützen, dass er hiedurch den Gebrauch oder die Benützung durch den (die) anderen Miteigentümer nicht beeinträchtigt. Dabei ist nicht auf abstrakte Gebrauchsmöglichkeiten anderer Miteigentümer abzustellen, sondern auf den konkreten Gebrauch durch den anderen Bedacht zu nehmen: Der Gebrauch des einen findet nur in dem tatsächlichen Mitgebrauch des anderen seine Schranke und nicht in jeder denkbaren Möglichkeit des Gebrauchs (SZ 42/119; SZ 58/10 = JBl 1985, 614 mwN; EvBl 1993/186 ua; Klang in Klang**2 III 1093; Gamerith in Rummel, ABGB**2 § 828 Rz 4; Schwimann/Egglmeier, ABGB**2 § 828 Rz 28, jeweils mwN). Es ist demnach auch nicht notwendig, den Gebrauch so einzurichten, dass jedem Teilhaber dieselbe Art des Gebrauchs ermöglicht wird (s Klang aaO, wonach einem Miteigentümer die Einquartierung auf dem Dachboden des gemeinsamen Hauses nicht verwehrt werden kann).

Ein Miteigentümer ist daher auch bei nur beschränkter Gebrauchsmöglichkeit berechtigt, das gemeinschaftliche Gut zu benützen, soweit er dadurch nicht den konkreten Gebrauch eines anderen Miteigentümers stört. Stört er den Gebrauch eines anderen Miteigentümers, so kann dieser die Beseitigung und Unterlassung der widerrechtlichen Maßnahmen im streitigen Verfahren fordern (Gamerith aaO § 829 Rz 4; § 835 Rz 13, jeweils mwN; ua MietSlg 28.050 mwN).

Ein Recht zu ausschließlicher Benützung der gemeinschaftlichen Sache hat der Miteigentümer nur, wenn ihm dieses Recht durch eine Benützungsvereinbarung oder durch Richterspruch eingeräumt ist. Besteht weder eine Benützungsvereinbarung noch eine gerichtliche Benützungsregelung und maßt sich der Miteigentümer dennoch ein Recht zu ausschließlicher Benützung an, so benützt er die gemeinschaftliche Sache titellos. In einem solchen Fall ist das Räumungsbegehren der Mehrheitseigentümer begründet. Der rechtswidrig benützte Teil der gemeinsamen Sache ist ihnen als den gemäß § 833 ABGB zur ordentlichen Verwaltung des Hauses Berechtigten zu übergeben (MietSlg 27.069 mwN; 32.041; s auch 5 Ob 146/96: Räumungsanspruch bei Absperren allgemeiner Teile der Liegenschaft durch Miteigentümer).

Auf den streitgegenständlichen Liegenschaften befindet sich ein Einfamilienhaus, das demnach nur eine beschränkte Gebrauchsmöglichkeit bietet. Als Miteigentümer ist der Beklagte berechtigt, das Haus soweit zu benützen, als er dadurch den konkreten Gebrauch der anderen Miteigentümer nicht stört. Ein derartiger konkreter Gebrauch anderer Miteigentümer besteht nicht, weil keine der Miteigentümerinnen das Haus benützt. Aus welchen Gründen sie nicht im Haus wohnen und dies offenbar auch nicht beabsichtigen, spielt dabei keine Rolle. Der von ihnen angestrebte Verkauf des - geräumten - Hauses ist keine Sachbenützung, die der Beklagte durch seine Benützung des Hauses stören könnte.

Seine Benützung hält sich damit im Rahmen dessen, was ihm als Miteigentümer zusteht, auch wenn er allein im Haus wohnt. Die Alleinbenützung durch ihn ist mangels eines entgegenstehenden Gebrauchsinteresses seiner Miteigentümerinnen kein ausschließlicher Gebrauch und damit auch nicht titellos. Die Vorinstanzen haben die Berechtigung des Räumungsbegehrens daher zu Recht verneint.

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

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