OGH 7Ob250/98k

OGH7Ob250/98k13.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses ***** W*****, L*****gasse *****, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Rudolf I*****, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Juni 1998, GZ 41 R 250/98p-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 19. März 1998, GZ 17 C 537/97x-23, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur (allenfalls zu ergänzenden) Berufungsverhandlung und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die die klagende Partei repräsentierenden Personen waren früher Mieter und sind nunmehr Eigentümer ihrer früheren Mietwohnungen im Haus ***** W*****, L*****gasse *****. Der Beklagte ist offensichtlich als einziger Mieter seiner Wohnung top Nr ***** geblieben. Die gegen ihn zu ***** des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, zu ***** und ***** des Erstgerichtes auf § 30 Abs 2 Z 3 MRG gestützten Aufkündigungen wurden entweder mit ihrer Zurückziehung oder mit einer Abweisung wegen mangelnder Aktivlegitimation der Kläger, weil sich zu wenig Anteilseigentümer an der Klageführung beteiligt hatten, beendigt. Der Beklagte bzw seine Familie war bis 1991 mit dem im selben Haus wohnenden Ehepaar W***** befreundet. Bei einem plötzlich ausgebrochenen Streit und in der Folge hat der Beklagte Frau W***** in betrunkenem Zustand mit Trampel, Hure, teppertes Weib beschimpft. Die Beschimpfungen gegenüber den W***** und in der Folge gegenüber der ebenfalls im Haus wohnenden Familie L***** hielten bis 1995 an. Der Beklagte verwendete dabei die Worte Hure, Trampel, Drecksau, Arschloch, Offiziersschwein. 1995 bedrohte er Frau W***** im Stiegenhaus, im Winter 1993 bedrohte er Frau L***** und beschimpfte ihren Mann mit Offiziersschwein. Am 10. 12. 1992 warf der Beklagte in alkoholisiertem Zustand zur Entrümpelung des Dachbodens dort vorgesehene Gegenstände durch das Stiegenhaus hinunter, wodurch dieses beschädigt wurde. Zu weiteren Vorfällen kam es am 16. 3. 1993 (Beschimpfung des Mitbewohners G***** mit Scheißer), am 7. 2. 1995 (Beschimpfung und Bedrohung der Frau L*****) und im Dezember 1995 (Beklagter lag betrunken auf dem Papiercontainer). In einem Schreiben vom 15. 2. 1997 (= Beilage E) an die Mitbewohnerin Mag Ute H***** warf der Beklagte Frau W***** ordinärstes Verhalten vor. Der Sohn der Beklagten hinterließ auf einem Telefonanrufbeantworter der Familie W***** im Jahr 1997 folgende Nachricht: "Sorgt dafür, daß im Hof nicht dauernd tote Mäuse herumliegen, weil sonst komm ich drauf, daß in diesem Haus die Haustierhaltung grundsätzlich verboten ist und das könnte das Ende für den Moritz zur Folge haben. Jetzt kannst irgendwo zum Ausweinen hingehen, zB zu den L*****, weil darin hast ja schon Übung. Halt dich diesmal an die Wahrheit, weil wenn du das diesmal wieder nicht tust und ich dir wieder draufkomme, klage ich dich strafrechtlich an wegen übler Nachrede und das hat bis zu 6 Monaten Gefängnis zur Folge."

Der Beklagte beschimpfte anläßlich einer Msch-Verhandlung die Hausverwalterin mit "Scheiß Hausverwaltung" und verpflichtete sich im folgenden Ehrenbeleidigungsprozeß unter gleichzeitiger Entschuldigung, dessen Kosten vergleichsweise zu bezahlen.

In der am 14. 5. 1997 bei Gericht eingelangten und am 16. 5. 1997 dem Beklagten zugestellten Aufkündigung wurden die aufgezählten Fakten als Kündigungsgründe nach § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG geltend gemacht.

Der Beklagte beantragte in seinen rechtzeitig erhobenen Einwendungen die Aufhebung der Aufkündigung. Soweit noch revisionsgegenständlich, bestritt er die einzelnen Vorfälle.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Es erachtete den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG durch den Beklagten als verwirklicht.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine Aufhebung der Aufkündigung ab und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. Es verneinte eine nicht mehr revisionsgegenständliche Nichtigkeit mit der Begründung, daß eine wegen unleidlichen Verhaltens zu einem anderen Termin sowie unter Geltendmachung weiterer Tatbestandselemente erklärte Aufkündigung mit einer früheren nicht im Sinne des § 411 ZPO ident sei. Es ließ die Mängel- und Beweisrüge der Berufung unbehandelt. Für die Beurteilung des Vorliegens eines Kündigungsgrundes seien regelmäßig die Umstände im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner (16. 5. 1997) maßgeblich. Bei Tatbeständen wie dem des zweiten Falles des § 30 Abs 2 Z 3 MRG sei eine Prognose - , ob künftig eine Besserung zu erwarten sei - erforderlich. Darüber hinaus müsse auch das Verhalten des Gekündigten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz gewürdigt werden. Selbst dann, wenn der Mieter das in der Kündigung geltend gemachte Verhalten erst nach Zustellung der Aufkündigung einstelle, sei dies - nach seinem Gesamtverhalten - im Rahmen der Prognose mitzuberücksichtigen und führe zur Aufhebung der Aufkündigung, wenn eine Wiederholung des bisher unleidlichen Verhaltens künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. Hier habe der Beklagte sein störendes Verhalten zur Mitte des Jahres 1996, also bereits mehr als zehn Monate vor Zustellung der Aufkündigung, gänzlich eingestellt und es auch seither nicht wieder aufgenommen. Berücksichtige man weiters die schon davor abnehmende Intensität von Beschimpfungen und Belästigungen von Mitbewohnern sowie den Umstand, daß diese und ihr Verwalter die grundsätzliche Neigung des Beklagten zu Unmutskundgaben durch Beeinträchtigung der ihm zustehenden Nutzungsrechte jedenfalls nicht gemindert hätten, erscheine die Annahme gerechtfertigt, daß es zu keiner Wiederholung der früheren gravierenden Unzukömmlichkeiten mehr kommen werde.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vom Beklagten wird die Qualifikation der klagenden Partei als Eigentümergemeinschaft im Sinne des § 13c WEG nicht bestritten. Die von ihm in der Revisionsbeantwortung behaupteten Vorgänge (Aufkündigung der Hausverwalterbevollmächtigung durch die Wohnungseigentümer im Juni 1997) ist, obwohl sich diese Vorgänge noch während des Verfahrens erster Instanz ereignet haben sollen, nicht aktenkundig.

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall ("unleidliches Verhalten") liegt dann vor, wenn der Mieter oder unter Umständen auch seine Mitbenützer durch rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das friedliche Zusammenleben verleiden, in der Regel also durch längere Zeit oder durch häufige Wiederholungen. Dabei kommt es darauf an, ob das Gesamtverhalten des Mieters oder der Personen, deren Verhalten er zu vertreten hat, das Maß des Zumutbaren überschreitet oder objektiv geeignet erscheint, auch nur einem Mitbewohner das Zusammenleben zu verleiden. Auch Angriffe gegen die Ehre, insbesondere Beschimpfungen können, wenn sie schwerwiegend sind, dem zweiten Fall der Z 3 unterstellt werden; dabei sind jedoch die örtlichen Verhältnisse, insbesondere der im Haus übliche Umgangston, zu berücksichtigen. Wenn es auch grundsätzlich bedeutungslos ist, ob der Mieter sein Verhalten nach der Kündigung fortsetzt, so ist das nachfolgende Verhalten doch als Illustrationsfaktum zu werten. Es muß die Wiederholung der Unzukömmlichkeiten auszuschließen sein (vgl Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 30 MRG Rz 18 mwN). Die vom Berufungsgericht ohne Überprüfung der strittigen Tatsachenfeststellungen und damit ohne Bewertung der (Un-)Zumutbarkeit der einzelnen dem Beklagten vorgeworfenen Exzesse, letzterem attestierte Besserung beruht nur auf der unstrittigen Tatsache, daß sich seit Mitte 1996, also rund zehn Monate vor Zustellung der Kündigung, keinerlei derartige weitere Vorfälle ereignet haben. Der grundsätzlich zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bei entsprechender Besserung der geltend gemachte Kündigungsgrund im Aufkündigungszeitpunkt nicht mehr gegeben wäre, mangelt es aber an der entsprechenden Feststellungsgrundlage. Haben sich wie vom Erstgericht festgestellte Exzesse ereignet, so rechtfertigt der Umstand allein, daß sich ein zunächst gegenüber den anderen Mitbewohnern unleidlich verhaltender Mieter unter dem Druck der gegen ihn geführten Kündigungsverfahren vorerst entschließt, sein Verhalten einzustellen, noch nicht zwingend die Annahme, daß eine Wiederholung der früher vorgekommenen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist. Dazu kommt, daß der Beklagte in seiner Beweisrüge überhaupt in Abrede gestellt hat, daß es zu unzumutbaren Vorfällen durch ihn gekommen sei, woraus eine gewisse Schuldeinsichtigkeit abzuleiten wäre. Bei dieser Feststellungslage kann daher allein aufgrund des Umstandes, daß sich durch etwas mehr als zehn Monate keine "Vorfälle" mehr ereignet haben, nicht beurteilt werden, ob der Beklagte tatsächlich auf Dauer die notwendige Einsicht gewonnen hat, daß "Vorfälle" der vom Erstgericht festgestellten Art gegenüber den Mitbewohnern unzumutbar sind oder ob sich der Beklagte auch in Zukunft wieder zu solchen "Vorfällen" hinreißen läßt, weil es ihm doch an der erforderlichen Einsicht fehlt. Allein aus diesem Grund ist die angefochtene Berufungsentscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, nach allenfalls zu ergänzender Berufungsverhandlung eine neuerliche Entscheidung zu treffen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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