Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin S 1.352,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das beklagte Transportunternehmen sollte laut Auftrag der Klägerin vom 7. 4. 1994 einen Glykolrückkühler am 12. 4. 1994 um 15 Uhr auf der Baustelle *****J*****straße ***** (Mc Donald's Restaurant) liefern. Eine zeitgerechte Lieferung war wegen der für die Lieferung und Montage des Kühlers erforderlichen Vorbereitungsarbeiten, so die Bereitstellung eines Kranes, um den Kühler auf das Dach des Restaurants zu heben, die Sperre der Straße, die Stromabschaltung durch das E-Werk und die Entfernungen der Oberleitungen erforderlich. Trotz der Tatsache, daß die Lieferung am Lieferschein ausdrücklich als Termingut deklariert war und sich die zuzustellende Ware bereits zum weiteren Transport durch den von der beklagten Partei beauftragten Unterfrachtführer in W***** befunden hatte, wurde bis in die Abendstunden des 12. 4. 1994 nicht geliefert. Die Zustellung erfolgte erst am nächsten Tag, dem 13. 4. 1994. Für die Kosten der Wiederholung der gesamten Aktion am 13. 4. 1994 wurde die klagende Partei von der Firma Y***** mit einem Gesamtbetrag von S 134.792,40 belastet, wobei die Zahlung dieses Betrages durch Aufrechnung mit Gegenforderungen der klagenden Partei erfolgte. Noch am 12. 4. 1994 setzte sich der Geschäftsführer der klagenden Partei mit dem Prokuristen der beklagten Partei wegen dieses Vorfalles telefonisch in Verbindung. Mit Schreiben vom 25. 4. 1994 teilte die beklagte Partei der klagenden Partei auf Grundlage der ihr vom Wiener Disponenten erteilten Informationen mit, daß sie den von ihr verschuldeten Fehler bedaure. Sie begründete das Überschreiten der Lieferfrist mit erheblichen Verkehrsbehinderungen aufgrund einsetzender Schneefälle. Solche lagen aber tatsächlich nicht vor. Am 12. 4. 1994 lag in den westlichen Bezirken W***** maximal 5 cm Schnee, gegen das Stadtzentrum, wo der Lieferort lag, bildete sich nur kurz Schneematsch bzw blieb der Schnee wegen der positiven Oberflächentemperaturen überhaupt nicht liegen. Ein schriftlicher Vorbehalt binnen 21 Tagen ab Ablieferung wegen Überschreitung der Lieferfrist erfolgte seitens der klagenden Partei an die beklagte Partei nicht.
Die klagende Partei begehrt mit der am 6. 6. 1995 eingelangten Klage für die grob schuldhaft verspätete Lieferung des Glykolrückkühlers die ihr von der Firma Y***** als Verzögerungsschaden verrechneten S 134.792,40 samt 16 % Zinsen seit 5. 7. 1994. Die Beklagte habe ihr Verschulden anerkannt. Eine Beschränkung der Höhe des Schadenersatzes gemäß Art 23 Abs 5 CMR finde nicht statt, weil die Beklagte grobes Verschulden am Lieferverzug treffe. Auch Art 30 Abs 3 CMR, wonach die klagende Partei innerhalb von 21 Tagen einen schriftlichen Vorbehalt an die Beklagte zu richten habe, sei aufgrund des zugestandenen Verschuldens nicht anzuwenden; darüberhinaus habe die klagende Partei der Beklagten ohnehin am 9. 5. 1994 von der ungefähren Höhe des entstandenen Schadens Mitteilung gemacht.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und erwiderte, sie habe am 12. 4. 1994 gegen 15,10 Uhr durch einen Unterfrachtführer einen Lieferversuch unternommen. Dieser sei jedoch gescheitert, weil sich auf der Baustelle keine übernahmsberechtigte Person befunden habe und der Fahrer nach einer Wartezeit bis ca 16 Uhr unverrichteter Dinge wieder die Rückfahrt angetreten habe. Nach Art 23 Abs 5 CMR sei die Entschädigung mit der Höhe der vereinbarten Fracht von S 4.289 begrenzt. Die Klage sei erst nach Ablauf der Frist von einem Jahr ab Ablieferung eingebracht worden und daher gemäß § 32 CMR verjährt. Überdies habe die Klägerin innerhalb von 21 Tagen ab Ablieferung der Ware keinen schriftlichen Vorbehalt iSd Art 30 Abs 3 CMR an die Beklagte gerichtet.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines nicht mehr revisionsgegenständlichen Zinsenbegehrens statt. Auf Haftungshöchstgrenzen und Haftungsbeschränkungen bzw Haftungsausschlüsse des CMR könne sich der Frachtführer dann nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht habe, das nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichstehe. Unter dem Vorsatz gleichstehendem Verschulden sei grobe Fahrlässigkeit zu verstehen, wobei der vom Versender beauftragte Hauptfrachtführer für das Verschulden beauftragter Unterfrachtführer wie für eigenes einzustehen habe. In einem solchen Fall erhöhe sich auch die Verjährungsfrist nach Art 32 Abs 1 CMR von einem auf drei Jahre. Daß am 12. 4. 1994 überhaupt keine Lieferung erfolgt sei, sei als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Deshalb könnten auch die Rechtsfolgen der Versäumung des schriftlichen Vorbehalts nicht eintreten, sodaß der gesamte durch die Verspätung der Lieferung verursachte Schaden von der Beklagten zu ersetzen sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in eine gänzliche Klageabweisung ab. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Art 29 CMR sei nur auf Bestimmungen des IV. Kapitels der CMR anzuwenden. Art 30 CMR falle aber bereits unter das V. Kapitel. Der klagenden Partei falle daher die unterlassene schriftliche Erhebung eines Vorbehaltes nach Art 30 Abs 3 CMR innerhalb von 21 Tagen nach Verfehlung des Lieferungstermines zur Last. Dementsprechend könne sich der Frachtführer auf Haftungseinschränkungen oder Ausschlüsse, die nicht im IV. Kapitel der CMR enthalten seien, berufen. Dies gelte auch hinsichtlich der in Art 30 Abs 3 CMR für Lieferüberschreitungen genannten Vorbehalte. Werde die dort genannte Frist versäumt, so trete auch im Falle des Art 29 CMR ein totaler Rechtsverlust des Auftraggebers ein, der von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Auch beziehe sich Art 29 CMR ausdrücklich nur auf Bestimmungen, die die Haftung des Frachtführers "ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehrten". Art 30 Abs 3 CMR werde davon nicht erfaßt, weil er keinen Haftungsausschluß regle, sondern ein zusätzliches rechtliches Erfordernis für den Anspruch des Auftraggebers enthalte. Da die klagende Partei erst am 9. 5. 1994, sohin 26 Tage nach Ablieferung des Transportgutes der Beklagten von der ungefähren Höhe des Schadens Mitteilung gemacht habe, sei ihr Anspruch untergegangen.
Die gegen diese Entscheidung von der klagenden Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auch der erkennende Senat schließt sich gleich dem Berufungsgericht der in der Bundesrepublik Deutschland (vgl BGH in TranspR 1992, 135; Thume in Thume CMR Kommentar Art 29 RN 40, Art 30 RN 54 sowie Koller in TranspR Art 29 CMR RN 8) im Gegensatz zu den Lehrmeinungen Helms (Großkommentar Art 30 CMR RN 10) und Csoklichs (Einführung in das Transportrecht, 205 und 251) vertretenen Auffassung an, daß Art 30 Abs 3 CMR keinen Haftungsausschluß regelt, sondern ein zusätzliches von den Bestimmungen des vorangegangenen IV. Kapitels unabhängiges rechtliches Erfordernis enthält. Dementsprechend kann sich ein Frachtführer, der grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, durchaus auf weitere Haftungseinschränkungen bzw -ausschlüsse, die nicht im IV. Kapitel der CMR enthalten sind, berufen und tritt auch in Fällen des Art 29 CMR bei Nichteinhaltung der 21tägigen Frist durch den geschädigten Auftraggeber ein diesen treffender totaler Rechtsverlust ein, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Die CMR enthält streng einzuhaltende Formvorschriften, um eine international gleiche Handhabung dieses Abkommens zu erreichen. Da die klagende Partei der Formvorschrift des Art 30 Abs 3 CMR nicht entsprochen hat und das Schreiben der beklagten Partei vom 21. 4. 1994 nicht als konstitutives Anerkenntnis, sondern nur als bloßes Schuldeingeständnis ohne Verpflichtungsabsicht gewertet werden kann, war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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