Spruch:
Den Revisionen (der zu A) klagenden Partei und (der zu B) beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die zu A) klagende Partei ist schuldig, den zu A) beklagten Parteien die mit S 125.212,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 20.868,75 USt) und
die zu B) beklagte Partei ist schuldig, den zu B) klagenden Parteien die mit S 15.243,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.540,63 USt)
jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die rechtliche Begründung der Berufungsentscheidung, die Gemeinsamkeit im Betrieb der zu A) klagenden Partei (Verein V*****) und der zu B) beklagten Partei (Verein W*****) sei hinsichtlich der einzelnen Merkmale und der diese berücksichtigenden Gesamtwürdigung soweit ausgeprägt, daß ein Betriebs-(Teil-)Übergang im Sinne des § 3 AVRAG mit der daran geknüpften Rechtsfolge des Überganges der Arbeitsverhältnisse (der zu A) beklagten Parteien und (der zu B) klagenden Parteien) vorliege, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO), wobei darauf hinzuweisen ist, dass das Berufungsgericht an die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang (Beschluß vom 13. 6. 1996, 8 ObA 2100/96y) gebunden war.
Den Revisionsausführungen ist ergänzend entgegenzuhalten:
Der Oberste Gerichtshof ist inzwischen der Rechtsprechung des EuGH bei der Beurteilung des Betriebsüberganges in der Anwendung der Methode des beweglichen Systems gefolgt (9 ObA 193/98t = DRdA 1999/32, 269 [Wachter]; 9 ObA 55/98y = RdW 1999, 222). Der Revisionswerberin (zu A) ist darin beizupflichten, dass bei der Prüfung, ob eine bestehende wirtschaftliche Einheit übergegangen ist und dabei ihre Identität bewahrt hat, nach der Judikatur des EuGH insbesondere folgende Tatsachen zu berücksichtigen sind (siehe auch Resch in Jabornegg/Resch Betriebsübergang, 43):
1. Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes,
2. Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie der Gebäude oder beweglichen Güter,
3. Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs,
4. Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft,
5. Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft,
6. Grad der Ähnlichkeit der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit,
7. Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.
Hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Kriterien und der abschließenden Gesamtwürdigung kann aber der Revisionswerberin nicht gefolgt werden.
Im Vordergrund steht die Gemeinsamkeit beider Vereine bei der Betreuung von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schulzeiten im engeren Sinn bei dem ergänzenden Lernen und Aufgabenmachen bzw bei der sinnvollen Freizeitgestaltung. Die unterschiedliche Gewichtung des Zweckes der Integration von Kindern ausländischer Eltern - bei der zu A) klagenden Partei deutlich im Vordergrund stehend, bei der zu B) beklagten Partei weniger ausgeprägt - tritt demgegenüber in den Hintergrund. Die unterschiedliche Organisation und Finanzierung - bei der zu A) klagenden Partei hatten die Eltern nur "symbolische" Beiträge zu leisten, bei der zu B) beklagten Partei waren deutlich höhere Monatsbeiträge zu entrichten, von denen es aber zahlreiche, sozial gestufte Begünstigungen bis zum unentgeltlichen Besuch gab - wiegt in der Gesamtwürdigung weniger, wenn berücksichtigt wird, daß in beiden Fällen die überwiegende Finanzierung durch dieselbe hinter beiden Vereinen stehende Gebietskörperschaft erfolgte und erfolgt. Die unterschiedliche budgettechnische Behandlung über andere Magistratsabteilungen ändert an der Herkunft der Mittel nichts.
Für den Betriebsübergang spricht insbesondere der Umstand, dass der zu B) beklagte Verein, der knapp vor der durch den Entzug der Subvention veranlassten Einstellung des Projektes "Interkulturelles Lernen" (im folgenden: IKL) durch die zu A) klagende Partei gegründet wurde und dem nunmehr vom bisherigen Subventionsgeber für das Projekt IKL eine Subvention für die Besorgung teilweise identer Aufgaben gewährt wird, sich mit Schreiben vom 23. Mai 1995 an die bisher im Rahmen des IKL-Projektes beschäftigten Arbeitnehmer wandte, um sie unter Darstellung der Arbeitsbedingungen und des künftigen Aufgabenbereiches zu einer Bewerbung zu veranlassen, dass von dieser Möglichkeit eine größere Zahl von bisher im Rahmen des IKL-Projektes beschäftigten Arbeitnehmern Gebrauch machte und von der zu B) beklagten Partei auch angestellt wurde (legt man das von der Vertreterin der zu A) geklagten und zu B) klagenden Arbeitnehmer mit Schriftsatz ON 41 vorgelegte Dienstnehmerverzeichnis des zu B) geklagten Vereines zugrunde, das in der Tagsatzung vom 7. 5. 1997 als Beilage ./26 zum Akt genommen und dessen Richtigkeit von den Gegenparteien nicht bestritten wurde - der Hinweis auf das eigene Vorbringen ist im Hinblick auf die folgende Außerstreitstellung der Beschäftigung von ehemaligen Mitarbeitern des ILK-Projektes durch den zu B) geklagten Verein eher als Zugeständnis der Richtigkeit zu werten -, dann waren von den bei dem zu B) geklagten Verein am 23. Jänner 1996 beschäftigten 240 Arbeitnehmern 150 Arbeitnehmer zuvor von der zu A) klagenden Partei im Rahmen des IKL-Projektes beschäftigt).
Die unterschiedlichen Standorte, an denen die zu A) klagende Partei und sodann die zu B) beklagte Partei tätig war bzw tätig ist, ändern an der Gesamtwürdigung nichts, denn schon ein Betriebsteilübergang reicht für die Rechtsfolgen des Überganges der Arbeitsverhältnisse aus. Die Unterschiede in der Zielgruppe - die zu A) klagende Partei wandte sich mehr an die Kinder ausländischer Eltern, die zu B) beklagte Partei wendet sich an die "Allgemeinheit" dh sämtliche Eltern schulpflichtiger Kinder - fallen ebenfalls nicht erheblich ins Gewicht. Je nach den unterschiedlichen soziologischen Verhältnissen in den einzelnen Wiener Gemeindebezirken ist der Ausländeranteil unterschiedlich hoch, sodaß auch der Anteil von Kindern ausländischer Eltern bei der "Klientel", der von der zu B) beklagten Partei betreut wird, unterschiedlich sein wird. Das ist aber für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Tätigkeit beider Vereine, bei der deutlich im Vordergrund stehenden Zielsetzung, nämlich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schulzeiten, von weniger entscheidender Bedeutung. Dies mag zwar Rückwirkungen auf die Anforderungsprofile der Angestellten haben, indem Kenntnisse von Fremdsprachen (der Herkunftsländer der ausländischen Eltern) bei der Tätigkeit des zu B) beklagten Vereins weniger gefordert werden als bei der Tätigkeit des zu A) klagenden Vereins; es kann aber nicht bezweifelt werden, daß bei dem Vereinszweck des zu B) beklagten Vereins, der beabsichtigten Integration von Kindern ausländischer Eltern, Kenntnisse der entsprechenden Sprachen von erheblicher Bedeutung sein muß, denn anderenfalls kann die Integration nur unzureichend gelingen.
Inwiefern die Anwesenheitspflicht der Kinder und Jugendlichen in dem zu B) beklagten Verein gegenüber der bloßen Option zur Anwesenheit in dem zu A) klagenden Verein an der Ähnlichkeit beider Vereinszwecke, nämlich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schulstunden im engeren Sinn etwa ändern sollte, ist nicht erkennbar.
Es ist der zu A) klagenden Partei einzuräumen, daß neben einer nach dem AVRAG unzulässigen Kündigung (gemäß § 3) auch eine zulässige Rationalisierungskündigung (vgl SZ 70/171) erfolgen kann. Dabei übersieht sie aber, daß nach dem Schutzzweck der Kündigungsschutzbestimmungen des APSG, MSchG, EKUG und ArbVG mit Rationalisierungskündigungen primär gegenüber nicht besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmern vorzugehen ist, denn die geschützten Arbeitnehmer können erst bei einer (gänzlichen) Stillegung "des Betriebes" gekündigt werden, nicht aber schon bei einer Rationalisierung im Sinne einer Redimensionierung.
Im Sinne der acte clair-Theorie haben die Vorinstanzen einen Antrag auf Vorabentscheidung zu Recht zurückgewiesen; im Vordergrund steht nicht die Umsetzung der Richtlinie 77/187 EWG ("Betriebsübergangs-Richtlinie"), sondern die Bindungswirkung gemäß § 511 Abs 1 ZPO.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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