Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung des unter II/3 bezeichneten Vergehens als vollendet und demgemäß auch im Strafausspruch - ausgenommen die Vorhaftanrechnung - aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Gerhard W***** hat zu Punkt II/3 das Vergehen der versuchten sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach §§ 15, 208 StGB begangen und wird hiefür sowie für die unberührt gebliebenen Schuldsprüche (Punkte I, II/1,2 und III) nach §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard W***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (II) und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Linz
I. eine unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar
1. im September oder Oktober 1996 die am 10. August 1987 geborene Martina P*****, indem er ihr das Nachthemd und die Unterhose auszog, ihr mit seiner Hand auf die Scheide griff und mit der Zunge ihre Scheide leckte;
2. die am 23. August 1984 geborene Cornelia G*****
a) am 15. August 1996, indem er ihr das Nachthemd nach oben schob, mit der Hand in ihren Slip fuhr und ihr auf die Scheide griff;
b) am 16. August 1996, indem er ihr das Nachthemd nach oben schob, mit der Hand in ihren Slip griff und einen Finger in die Scheide einführte;
3. im Juli 1996 (wiederholt - US 9) die am 16. Dezember 1984 geborene Desiree N*****, indem er ihr den Badeanzug zur Seite schob und mit der Hand auf die Scheide griff sowie mehrmals mit der Hand unter den Badeanzug fuhr, ihr auf das Gesäß griff bzw klopfte;
4. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt "im Jahre 1991/1992", jedenfalls (auch) im September 1991 (US 8, 23) die am 13. Mai 1981 geborene Vanessa L*****, indem er ihr mehrmals zwischen die Beine und auf die Scheide griff und ihr den Finger einführte und sie aufforderte, seinen Penis anzugreifen oder in den Mund zu nehmen;
5. im Juli 1996 die am 18. Juli 1985 geborene Irina E*****, indem er ihr unter den Badeanzug fuhr und auf die Scheide griff und sie aufforderte, seinen Penis anzugreifen;
II. eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor unmündigen Personen vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar
1. im Herbst 1996 dadurch, daß er Silke und Elke E***** einen Pornofilm vorführte (wobei allein Silke E***** unter vierzehn Jahre alt war - US 24 f, 29);
2. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den Jahren 1991/92 (ab August 1991 - US 23) dadurch, daß er Vanessa L***** ein Pornoheft zum Ansehen übergab, wobei er sich selbst befriedigte;
3. im August 1996 dadurch, daß er Cornelia G***** einen Pornofilm vorzuführen trachtete, wobei er das Einlegen der bereits herbeigeholten Videokassette wegen der Ankündigung des Mädchens, es würde seine Mutter anrufen, unterließ (US 2 iVm US 10, 25 und S 35 in ON 10);
III. unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen zur Unzucht mißbraucht, "um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen" (keine Tatbestandsvoraussetzung: Leukauf/Steininger Komm3 § 212 RN 21), und zwar
1. im September oder Oktober 1996 die Martina P***** durch die unter Punkt I/1 bezeichneten Handlungen;
2. am 15. und 16. August 1996 die Cornelia G***** durch die unter Punkt I/2 bezeichneten Handlungen.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit Ausnahme des Punktes I/1 mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der bloß in einem Punkt Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge (Z 4) fehlen schon die formellen Voraussetzungen, weil einerseits der in der Hauptverhandlung vom 28. April 1998 gestellte Antrag auf Vernehmung der Zeuginnen Regina L***** und Siglinde E***** (S 131, 133/II) in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Verhandlung vom 1. Feber 1999 nicht wiederholt, und andererseits bezüglich der Nichtzulassung einer Frage an den Sachverständigen Dr. I***** kein Senatsbeschluß begehrt wurde (S 282/II; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 6, 30 f mwN).
Zu Unrecht behauptet der Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte durch Abweisung des Antrages auf Einholung eines psychologischen Gutachtens hinsichtlich Cornelia G*****, Desiree N*****, Vanessa L*****, Irina E***** sowie Silke und Elke E***** zum Nachweis einer durch sozial desolate Verhältnisse und Traumatisierung infolge negativer sexueller Erlebnisse vor der Bekanntschaft mit dem Angeklagten bewirkten Lügenhaftigkeit der Tatopfer (S 269/II). Der Antrag zielte auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 74a, 90k, 113), weil die im Beweisthema genannten lebensgeschichtlichen und milieubedingten Umstände durch das Beweisverfahren (auch nach den Einlassungen des dazu ausdrücklich befragten Angeklagten, S 131 f, 269 f/II) nicht indiziert waren und der Beschwerdeführer im Beweisantrag Gründe, die das angestrebte Beweisergebnis erwarten ließen, nicht darzutun vermochte.
Aus den gleichen Gründen war das Erstgericht - über die Vernehmung des Sachverständigen Dr. I***** zur Relevanz konkret indizierter Umstände, nämlich einer Kleinhirnoperation und eines Kreislaufkollaps, für die Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit der Cornelia G***** hinaus (S 278 ff/II; S 29, 73 in ON 10) - ebensowenig zur Einholung eines (ergänzenden) kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich Cornelia G***** verpflichtet.
Der Beschwerde (Z 5) zuwider mußte sich das Erstgericht mit der keinen entscheidenden Umstand betreffenden Aussage der Zeugin Brigitte S*****, wonach ihr während des - schon im Jahr 1990, somit noch vor den ersten Straftaten beendeten - Zusammenlebens mit dem Angeklagten keine pädophile Neigung aufgefallen war (S 293/I), nicht auseinandersetzen.
Die Behauptung, zum Punkt II/1 fehle jede Feststellung und Begründung (undifferenziert Z 5 und Z 9 lit a), übergeht prozeßordnungswidrig sämtliche darauf bezugnehmenden Urteilspassagen (US 24 f), wobei sich die Tatrichter auf die übereinstimmenden Aussagen der Elke und Silke E***** (S 226 ff, 244 ff/II) stützen konnten und sich auch mit widerstreitenden Beweisergebnissen, nämlich den Bekundungen der Zeugen Johann W***** (S 240 f/II), Wolfgang P***** (S 232 f/II) und Nicole G***** (S 265 ff/II) denkrichtig und ausführlich auseinandersetzten.
Die gegen Punkt III/1 und 2 gerichtete Rüge, das Aufsichtsverhältnis sei unzureichend begründet und setze eine zwischen einem minderjährigen Kind und seinen Eltern ähnliche Beziehung voraus (abermals undifferenziert Z 5 und 9 lit a), geht gleichfalls fehl.
Nach den Konstatierungen wurde Martina P***** von den Eltern und Cornelia G***** von der Mutter der Aufsicht des Angeklagten anvertraut (US 6, 10, 18), was das Erstgericht logisch und empirisch einwandfrei aus den Depositionen der dazu vernommenen Zeugen ableiten konnte (US 10 und 19).
Mit der Auffassung (Z 9 lit a), ein "Anvertrauen" erfülle nicht das Tatbestandserfordernis des der Aufsicht "Unterstehens" nach § 212 Abs 1 zweite Alternative StGB, weil dies zwischen Tatopfer und Täter ein dem zwischen einem minderjährigen Kind und seinen Eltern ähnliches Verhältnis voraussetzt, das aber hier nicht bestanden habe, ist der Beschwerdeführer ebenfalls nicht im Recht. Denn er verkennt den ein Anvertrauen jedenfalls umfassenden Regelungsgehalt dieser Bestimmung. Durch das Abstellen auf ein (der Aufsicht) Unterstehen sollte ein (vormals von § 132 III StG allein umfaßtes) Anvertrauen nicht etwa aus dem Tatbestand ausgeschlossen, sondern dieser vielmehr darüber hinaus auch auf jene Fälle (einer bloß faktischen Subordination) erweitert werden, in denen man kaum von einem Anvertrauen sprechen könnte (vgl die EBRV 1971 zum StGB, 30 BlgNR 13. GP, 354; Leukauf/ Steininger Komm3 § 212 RN 4). Unzutreffend ist auch der Beschwerdestandpunkt, Schutzobjekt nach § 212 Abs 1 StGB seien nur Personen zwischen dem 14. und 19. Lebensjahr, nicht aber Unmündige, weil nach § 74 Z 3 StGB minderjährig ist, wer das neunzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, womit auch Unmündige dem Begriff unterfallen.
Die reklamierte Verjährung (Z 9 lit b) der unter den Punkten I/4 (§ 207 Abs 1 StGB) und II/2 (§ 208 StGB) bezeichneten Taten ist nicht eingetreten. Nach den die Tatzeitpunkte konkretisierenden Feststellungen beging der Angeklagte das Delikt nach § 208 StGB im August 1991 (US 7) und jenes nach § 207 Abs 1 StGB im September 1991 (US 8). Damit konnte eine Verjährung der früheren strafbaren Handlung erst mit Ablauf der Verjährungsfrist für die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende spätere Straftat eintreten (§ 58 Abs 2 StGB). Die solcherart verbundenen Verjährungsfristen wurden durch die neuerliche Delinquenz nach § 207 Abs 1 StGB im Juli 1996 gemäß § 58 Abs 2 StGB bis zum - nicht eingetretenen - Ablauf der Verjährungsfrist für diese Taten (I/3 und 5) verlängert. Dazu sei noch angemerkt, daß zufolge der mit dem StRÄG 1998 (BGBl I 1998/153, Art I Z 1) eingefügten, hier anzuwendenden (Art V Abs 1 und 3 leg cit) Bestimmung des § 58 Abs 3 Z 3 StGB in Beziehung auf die strafbare Handlung nach § 207 Abs 1 StGB (und damit nach § 58 Abs 2 StGB mittelbar auch für jene nach § 208 StGB) die Verjährungsfrist überhaupt erst mit Vollendung des 19. Lebensjahres der Vanessa L***** (mit 14. Mai 2000, US 2) zu laufen beginnt.
Verfehlt ist schließlich auch der Beschwerdeeinwand (sachlich nur aus Z 10) einer Konsumtion der Vergehen nach § 212 Abs 1 StGB (III/1 und 2) durch die Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB (I/1 und 2), stehen die Delikte doch im Verhältnis echter Idealkonkurrenz, weil nur durch Anwendung beider Tatbestände der gesamte Unrechtsgehalt erfaßt wird (Leukauf/Steininger Komm3 § 212 RN 23).
Der Rüge (nominell undifferenziert Z 5 und 9 lit a), der Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffend den Punkt II/3 (Vergehen nach § 208 StGB an Cornelia G*****) stünde mit sich selbst im Widerspruch, ist zunächst zu erwidern, daß dem Urteil in seiner Gesamtheit mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, daß der Angeklagte das unmittelbar bevorstehende Abspielen des zu diesem Zwecke bereits herbeigeholten Porno-Videos vor der Minderjährigen wegen der mit der Ablehnung verbundenen Ankündigung des Mädchens, es würde "dann seine Mutter anrufen" (US 10 f), sohin aus nicht autonomen Überlegungen unterließ.
Allerdings kommt dem unter einem erhobenen Einwand unrichtiger rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes (inhaltlich Z 10) Berechtigung zu, weil - mangels tatsächlicher Vorführung - das Versuchsstadium nicht überschritten wurde. Der aufgezeigte rechtliche Fehler erfordert die Aufhebung der Beurteilung, wonach der Angeklagte das in Rede stehende Vergehen in diesem Fall vollendete und die rechtliche Beurteilung der unter II/3 bezeichneten strafbaren Handlung als Versuch (§ 15 StGB) des Vergehens nach § 208 StGB.
Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben; im übrigen war sie zu verwerfen.
Bei der infolge Aufhebung des Strafausspruchs (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) notwendig gewordenen Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen von zum Nachteil mehrerer Mädchen über einen langen Zeitraum wiederholt verübten Verbrechen und Vergehen, mildernd hingegen, daß einer der drei Angriffe nach § 208 StGB beim Versuch blieb. Dem Schuldbekenntnis hinsichtlich einer strafbaren Handlung nach § 207 StGB, das weder reumütig abgelegt wurde, noch wesentlich zu der Wahrheitsfindung beitrug, kam bei der Sanktionsfindung keine Bedeutung zu.
Im Blick auf Verschlimmerungsverbot war daher neuerlich mit einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren das Auslangen zu finden. Der auch nur teilweise bedingten Strafnachsicht standen wegen der mangelnden Schuldeinsicht und der durch die oftmalige Wiederholung der strafbaren Handlungen über einen langen Zeitraum manifest gewordenen ausgeprägten schädlichen Neigung spezialpäventive Gründe entgegen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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