OGH 9ObA247/99k

OGH9ObA247/99k29.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Hübner und Dr. Alvarado-Dupuy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl R*****, Baupolier, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei E*****gesellschaftmbH, *****, vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 564.495,75 sA (Revisionsinteresse S 365.458,90 sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. April 1999, GZ 7 Ra 24/99z-52, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juli 1998, GZ 30 Cga 33/96y-46, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.785,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.797,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und zwei weitere Dienstnehmer der Beklagten kamen überein, bestimmte Spachtelarbeiten an einer von der Beklagten als Generalunternehmer abgewickelten Großbaustelle in Prag selbst durchzuführen, weshalb sie eine Beteiligung an der H*****BaugesmbH (in der Folge: H*****) eingingen, um entsprechende Subunternehmeraufträge zu erlangen. Dipl.Ing. K***** - Gesellschafter und Geschäftsführer der H***** - trat den drei involvierten Dienstnehmern der Beklagten einen Teil seiner Gesellschaftsanteile ab, sollte sie aber nach Abwicklung der Aufträge zurückerhalten und dafür eine Provision von 2 % des Umsatzes bekommen. "Nach außen" blieb er Geschäftsführer; er sollte jedoch nicht weiter als solcher tätig werden. Von diesem Sachverhalt machten der Kläger und die beiden weiteren betroffenen Arbeitnehmer der Beklagten keine Mitteilung. Vor der Erteilung des Subunternehmerauftrages an die H***** - der Vertrag wurde für die Beklagte von einem der involvierten Dienstnehmer unterfertigt - wurden weder eine Ausschreibung durchgeführt, noch Vergleichsangebote eingeholt, noch ein Preisspiegel angelegt, der als Vergabegrundlage hätte dienen können. Auch für Maler- und Tapeziererarbeiten wurde unter Mitwirkung der involvierten Arbeitnehmer ein Unternehmen herangezogen, das die Arbeiten im Wege eines Subauftrages an die H*****weitergab. Dem für die Beklagte als Polier auf der Baustelle tätigen Kläger oblag die Personaldisposition und die Qualitätskontrolle; de facto war er auch "Vorgesetzter" der Subunternehmer bzw. der für sie tätigen Bauleiter. Demgemäß war er auch mit der Kontrolle der von der H***** erbrachten Arbeiten betraut, legte aber seine Beteiligung an dieser Gesellschaft und die damit verbundenen Absichten seinem Dienstgeber gegenüber nicht offen. Der dem Kläger vorgesetzte Außenbauleiter wurde von einem der involvierten Dienstnehmer der Beklagten angewiesen, sich aus den von der H*****durchzuführenden Arbeiten "herauszuhalten" und übte daher insofern keine Kontrolltätigkeit aus.

Bis zum 25. 1. 1996 (Donnerstag) war der Beklagten dieser Sachverhalt nicht bekannt. In den Mittagsstunden dieses Tages holte sie aufgrund eines mündlichen Hinweises einen Firmenbuchauszug betreffend die H***** ein. Darauf wurde am selben oder am nächsten Tag eine Besprechung über die weitere Vorgangsweise abgehalten, zumal in der gegebenen Phase des Bauvorhabens negative Auswirkungen der Entlassung der in Schlüsselpositionen tätigen Dienstnehmer befürchtet wurden. Die Rechtsabteilung prüfte die Unterlagen über die Geschäftsverbindung zur H***** und stellte dabei fest, daß deren Verträge von den vergleichbaren Verträgen insofern abwichen, als eine Beteiligung der H***** an Kosten für Baustrom, Bauwasser, Sanitär- und Aufenthaltscontainern nicht vorgesehen war. Am Montag, dem 29. 1. 1996, wurde daraufhin die Zustimmung zur Entlassung vom Generaldirektor der Beklagten eingeholt. Am selben Tag wurden die Entlassungserklärungen schriftlich ausgefertigt und Ersatz für die zu entlassenden Dienstnehmer organisiert. Am Dienstag, dem 30. 1. 1996, fuhren Vertreter der Beklagten nach Prag, wo sie noch am selben Tag dem Kläger gegenüber die Entlassung aussprachen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Kläger habe den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit iS des § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, verwirklicht, ist ebenso zutreffend, wie die Rechtsauffassung, die Entlassung sei nicht verspätet erfolgt. Es reicht daher aus, insofern auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist auszuführen:

Der Kläger und die beiden weiteren involvierten Dienstnehmer waren für die Beklagte in verantwortungsvollen Positionen im Ausland tätig. Angesichts einer solchen Verwendung im Ausland muß der Dienstgeber auf seine für ihn nur unter erschwerten Umständen kontrollierbaren Angestellten unbedingt vertrauen können. Dessen ungeachtet haben der Kläger und die beiden weiteren involvierten Angestellten in der Absicht, sich dadurch Vorteile zu verschaffen, ein Verhalten gesetzt, das jedenfalls geeignet war, die Interessen des Dienstgerbers erheblich zu beeinträchtigen. Selbst wenn ein daraus erwachsender Schaden für die Beklagte nicht erweisbar sein sollte - die entsprechenden Behauptungen der Beklagten werden Gegenstand des noch ausstehenden Verfahrens über deren Gegenforderung sein - haben der Kläger und die beiden weiteren Angestellten damit jedenfalls einen schweren Interessenskonflikt geschaffen, den sie vor ihrem Dienstgeber geheim gehalten haben. Diesem war dadurch jede Möglichkeit einer effektiven Kontrolle der Aktivitäten der betroffenen Angestellten bzw. der Tätigkeit der H***** genommen. Ein solches Verhalten muß objektiv als so schwerwiegend angesehen werden, daß das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, daß ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Damit ist aber der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht; Schädigungsabsicht oder der Eintritt eines Schadens sind hiefür nicht erforderlich (SZ 62/214; SZ 58/94; RIS-Justiz RS0029323; Kuderna, Entlassungsrecht**2 86 f; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG 609 ff).

Ob die Entlassung auch nach § 27 Z 3 AngG berechtigt war, braucht daher - wie schon das Berufungsgericht erkannt hat - nicht mehr erörtert zu werden. Der Einwand des Revisionswerbers, wenn der Entlassungsgrund des § 27 Z 3 AngG nicht verwirklicht sei, könne er auch nicht wegen Vertrauensunwürdigkeit entlassen werden, entbehrt jeglicher Grundlage.

Daß die Beklagte den Kläger in Kenntnis des Entlassungsgrundes fünf Tage weiterbeschäftigt habe, um in dieser Zeit Ersatzkräfte zu finden, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Zum einen geht aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervor, daß die am 27. 1. 1996 abgehaltene Besprechung, in der auch negative Auswirkungen der Entlassung von Dienstnehmern in Schlüsselpositionen besprochen wurden, zu einer Verzögerung im Prozeß der Willensbildung innerhalb der Beklagten geführt hat. Schließlich steht auch fest, daß die Rechtsabteilung erst den komplexen Sachverhalt erhob und die Unterlagen über die Geschäftsverbindung zur H***** prüfte; erst dabei stellte sie fest, daß deren Verträge von den vergleichbaren Verträgen in der oben beschriebenen Weise abwichen. Zum anderen ist der Entlassungsgrund dem Arbeitgeber erst dann bekannt geworden, sobald ihm alle für die Beurteilung des Vorliegens des Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten der Handlung und der Person zur Kenntnis gelangt sind (DRdA 1984,233; RIS-Justiz RS0029321). Dies war aber hier nicht mit der Einholung eines Firmenbuchauszuges, sondern erst mit dem Ergebnis der sofort durchgeführten Erhebungen über den Ablauf der Geschäftsverbindung mit der H***** der Fall, weil vorher keineswegs klar war, ob der Sachverhalt die in Aussicht genommenen Entlassungen rechtfertigen werde. Berücksichtigt man ferner, daß zwischen der Einholung des Firmenbuchauszuges und dem Ausspruch der Entlassung ein Wochenende lag, daß die Zustimmung des Generaldirektors eingeholt werden mußte und daß die betroffenen Arbeitnehmer in Prag tätig waren, kann von einem ungerechtfertigten Zögern der Beklagten mit der Entlassung nicht gesprochen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Über diese Kosten war schon jetzt zu entscheiden, weil sich das Revisionsverfahren auf das vom Berufungsgericht erlassene Teilurteil als eigenen Anfechtungsgegenstand bezieht und dessen Schicksal für die Verteilung der in diesem Prozeßabschnitt aufgelaufenen Kosten maßgeblich ist (9 ObA 354/98v; 9 ObA 82/98v, 1 Ob 611/95; Fasching, Kommentar II 364).

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