OGH 14Os10/99

OGH14Os10/9914.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer in der Strafsache gegen Sven J***** und Karl H***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 20. Oktober 1998, GZ 36 Vr 250/95-65, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten Karl H*****, und der Verteidiger Dr. Ploderer und Dr. Ramsauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Sven J***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Sven J***** und Karl H***** von der wider sie wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, letzterer als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB, erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dem Angeklagten Sven J***** war zur Last gelegt worden, im Herbst 1991 in Zell am See und Göteborg die ihm in seiner Eigenschaft als Präsident des Vereines "Clubhotel E*****", daher durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht und diesem einen Vermögensnachteil in der Höhe von zumindest 7,548.637,36 S zugefügt zu haben, daß er ob der Liegenschaft EZ 164, Grundbuch 57315 Schmitten, eine Löschung der Vorrangseinräumung für die bis zum 31. Dezember 2029 einverleibten Bestandrechte sowie die angemerkte Mietzinsvorauszahlung in der Höhe von 42,350.000 S zum Nachteil des genannten Vereines im Grundbuch durchführen ließ und damit einen Rangtausch aus dem Jahr 1990 zugunsten des R*****verbandes S***** wieder rückgängig machte, sodaß für den Verein, der die Time-Sharing-Rechte hielt, jene nicht ausreichend gesichert waren und auf Grund der durchgeführten Versteigerung der Verein zufolge mangelnder Deckung nicht zum Zuge kam und die einzelnen Time-Sharing-Käufer ihre erworbenen Rechte, nämlich Ferienwohnrechte für 40 Jahre, nicht mehr in Anspruch nehmen konnten.

Der Angeklagte Karl H***** soll dem Anklagevorwurf zufolge Sven J***** zur Ausführung der angeführten strafbaren Handlung mit dem Wissen eines vorsätzlichen Mißbrauchs der eingeräumten Verfügungsmacht durch diesen dadurch veranlaßt haben, daß er ihn im Herbst 1991 in Zell am See dazu aufforderte, auf den Vorrang der Rechte des Vereines "Clubhotel E*****" zu verzichten und der Löschung der Rechte des Vereines zuzustimmen.

Den wesentlichen Urteilsannahmen zufolge wurden vom Verein "Clubhotel E***** Bestandrechte, die im Jänner 1990 am 4. und 5.Stockwerk des der Hotel E***** GmbH gehörigen Hotels in Zell am See erworben worden waren, durch Verkauf von Ferienwohnrechten für 40 Jahre an (sogenannte) Time-Sharing-Nehmer, zugleich Mitglieder des Vereines, verwertet. Nach den Vereinsstatuten war Sven J*****, der auch Geschäftsführer und Halter der Mehrheitsanteile an der genannten Gesellschaft war, als Präsident gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des (aus vier Personen bestehenden) Vereinsvorstandes kollektiv vertretungsbefugt.

Wesentliche Prämisse für den Vertragsabschluß mit den Time-Sharing-Nehmern war die erstrangige grundbücherliche Sicherstellung der (zunächst nachrangig intabulierten) im Anklagetenor genannten Sicherungsrechte des Vereines, weshalb der von Karl H***** als Leiter der Filiale Zell am See vertretene R*****verband S***** in Ansehung zweier seinerseits vorrangig intabulierter Pfandrechte über insgesamt 30,600.000 S im März 1990 im Wege einer Vorrangseinräumung zugunsten des Vereines auf den ersten und zweiten grundbücherlichen Rang verzichtete.

Infolge Ausbleibens des erwarteten Zeichnungsumfanges geriet die Hotel E***** GmbH im Verlauf des Jahres 1991 in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten, weshalb der Angeklagte Sven J***** ohne Information der anderen Vorstandsmitglieder beschloß, die Liegenschaft zu verkaufen, um aus dem Erlös die bereits vertriebenen Wohnrechte abzulösen und den R*****verband zu befriedigen.

Über Vorschlag des Angeklagten Karl H*****, der bereits zuvor mit der Kündigung der Kredite und der Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens gedroht hatte, erwirkte Sven J***** zunächst den inkriminierten, im Spruch zitierten Rangtausch. Nach Scheitern der (ursprünglich erfolgversprechend verlaufenen) Verkaufsverhandlungen wurde die Liegenschaft im Mai 1994 auf Betreiben des R*****verbandes S***** zwangsversteigert, wobei die (abzüglich bereits verbrauchter Wohnrechte) mit rund 7,5 Mio S kapitalisierten Bestandrechte der Time-Sharing-Nehmer in dem lediglich zur Befriedigung der vorrangig besicherten Forderungen des R*****verbandes hinreichenden Meistbot von 30,750.000 S keine Deckung fanden.

Das Erstgericht begründete den Freispruch des Angeklagten Sven J***** damit, daß ein wissentlicher Befugnismißbrauch nicht erwiesen sei, weil ihm von sämtlichen (weiteren) Vorstandsmitgliedern de facto die alleinige Verfügungsgewalt eingeräumt worden war, sodaß er sich durch deren Nichtinformation bei Einräumung des Rangverzichtes eines Befugnismißbrauches nicht habe bewußt sein müssen. Auch sei ein Schädigungsvorsatz insbesondere im Hinblick auf das Scheitern des Projektes und die anfänglich erfolgversprechend verlaufenden Verkaufsverhandlungen nicht erweislich, weil nicht zu widerlegen sei, daß Sven J***** im Zeitpunkt des Rangverzichtes auf eine verlustfreie Abfertigung der Time-Sharing-Berechtigten aus dem erhofften Liegenschaftsverkauf vertraut habe.

Der Freispruch des Angeklagten Karl H***** wurde vom Erstgericht damit begründet, daß ein Wissen um den objektiven Befugnismißbrauch des Erstangeklagten im Innenverhältnis nicht erweislich sei, er vielmehr darauf habe vertrauen dürfen, daß der Erstangeklagte allein zur Einräumung des Rangtausches berechtigt gewesen sei.

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Zutreffend ist schon der in rechtlicher Hinsicht erhobene Vorwurf (Z 9 lit a), das Erstgericht habe sich bei Verneinung des Befugnismißbrauches allein an der faktischen Alleinvertretungsbefugnis des Angeklagten Sven J***** orientiert, die für die Beurteilung der essentiellen Tatbestandsprämisse des Mißbrauchs eingeräumter Befugnisse jedoch weiters entscheidende Komponente der Verletzung der dem Erstangeklagten als Machthaber gegenüber dem Verein im Innenverhältnis auferlegten Verpflichtungen aber unbeachtet gelassen. Denn seine Befugnis mißbraucht auch, wer den Grundsätzen redlicher und verantwortungsbewußter, an den berechtigten Interessen des Machtgebers (= der Vereinsmitglieder) und den besonderen Umständen des Falles orientierter Geschäftsführung zuwiderhandelt (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 15; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 153 E 43b, 44). Das Erstgericht hat sich mit den unter diesem Gesichtspunkt für die Beurteilung des Befugnismißbrauches maßgeblichen Beweisergebnissen zwar unter dem Aspekt der fallbezogen in engem Zusammenhang stehenden Schädigung auseinandergesetzt, daraus aber, wie die Anklagebehörde zutreffend aufzeigt, unzureichende Folgerungen gezogen:

So ist das vom Erstgericht - zur Begründung des mangelnden Schädigungsvorsatzes des Erstangeklagten bei Einräumung des Rangtausches - ins Treffen geführte Argument, daß bei einem Freihandverkauf der Liegenschaft "der Verkaufserlös mit erstrangigen Rechten der Time-Sharer wesentlich zu niedrig ausgefallen wäre" (US 11 Mitte), unschlüssig, ist doch nicht nachvollziehbar, weshalb ein potentieller Kaufinteressent im Fall der erstrangigen grundbücherlichen Besicherung des R*****verbandes und der nachrangigen Besicherung des Vereines statt umgekehrt, einen wesentlich höheren Kaufpreis zu zahlen bereit sein sollte, zumal für einen Freihandkäufer erfahrungsgemäß die - durch einen Rangtausch unverändert bleibende - Gesamtbelastung, nicht aber die Rangordnung der einzelnen Gläubiger maßgeblich ist. Auch die weitere Überlegung des Schöffengerichtes, aus Sicht des Erstangeklagten sei bei Verweigerung des Rangtausches zu befürchten gewesen, der R*****verband werde die Liegenschaftsversteigerung erwirken (wodurch der Freihandverkauf vereitelt worden wäre; US 7 f), ist nicht einsichtig. Denn ausgehend von der notorischen Tatsache, daß bei einer Versteigerung regelmäßig ein geringerer Preis als im Falle eines Freihandverkaufes zu erzielen ist, konnte eine Versteigerung bei aufrechter, gegenüber dem Verein nachrangiger Besicherung der Darlehen gerade nicht im Interesse des R*****verbandes gelegen sein, welcher zufolge seiner nachrangigen Besicherung mit einer Befriedigung aus dem Versteigerungserlös in weit geringerem Umfang zu rechnen gehabt hätte; die Rechte des Vereines hingegen wären auch im Falle einer Versteigerung zufolge der erstrangigen Besicherung jedenfalls gewahrt gewesen, zumal die solcherart verbücherten Bestandrechte des Vereines von einem exekutiven Liegenschaftserwerber ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen gewesen wären (§ 150 EO).

Nicht nachvollziehbar ist auch die Erwägung des Erstgerichtes, der Rangtausch sei aus Sicht des Erstangeklagten die einzige Möglichkeit gewesen, den Vereinsberechtigten die verlustfreie Ablöse zu sichern (US 7). Vielmehr wurde die bei erstrangiger Einverleibung gewährleistete grundbücherliche Sicherstellung der Bestandrechte des Vereines (gleichermaßen im Fall einer Versteigerung oder eines Freihandverkaufes) im Ergebnis gerade durch den Rangtausch vereitelt und den Mitgliedern des Vereines durch Verlust ihres Wohnrechts ein Vermögensschaden zugefügt. Schlüssig wäre die Argumentation des Erstgerichtes nur, wenn der Erstangeklagte - geradezu in Umkehrung seiner Verpflichtungen - nicht zur Wahrung der Interessen der Vereinsmitglieder, sondern jener des R*****verbandes verpflichtet gewesen wäre. Die Preisgabe der sowohl bei einer Versteigerung als auch bei einem Freihandverkauf die Rechte des Vereines wahrenden erstrangigen Besicherung - ohne dafür irgendeinen Vermögensvorteil für den Verein zu erlangen - indiziert vielmehr, daß der Erstangeklagte nicht zum Vorteil des Vereines, sondern zum ausschließlichen Vorteil des R*****verbandes gehandelt hat.

Schon auf Grund des bisher erörterten Beschwerdevorbringens ist der Anklagebehörde beizupflichten, daß dem Erstgericht ein rechtsirriges Verständnis des Wesens des Befugnismißbrauches im Sinne des § 153 StGB wie auch eine nach den Gesetzen der Logik unhaltbare, demnach mangelhafte Begründung in bezug auf die dem Machtgeber zugefügte Vermögensschädigung unterlaufen ist.

Die auf den Freispruch des Erstangeklagten Sven J***** bezüglichen Erwägungen treffen bei der vorliegenden Fallgestaltung gleichermaßen auch auf den nach dem Urteilssachverhalt über die in Rede stehenden Vorgänge voll informierten und die Inititative zum inkriminierten Verhalten ergreifenden (US 10) Zweitangeklagten Karl H***** zu, weshalb die Urteilsaufhebung in bezug auf beide Angeklagte unumgänglich ist.

Im zweiten Rechtsgang wird sich das Schöffengericht neben dem bisher Gesagten auch mit den unter dem Titel unzureichender Begründung (Z 5) angeführten Argumenten der Nichtigkeitswerberin zu befassen haben, insbesondere der aufgezeigten Interessenkollision als Geschäftsführer der Hotel E***** GmbH und Präsident des Vereines "Clubhotel E*****", der in letztgenannter Position die Entscheidung der Vereinsversammlung über die essentielle Statutenänderung durch Verzicht auf den ersten grundbücherlichen Rang hätte herbeiführen müssen (S 69/I). Im Zusammenhalt mit der Vertretungsbefugnis des Vereinsvorstandes werden - nach allfälliger Verifizierung - die in der Anzeige ON 2 aufgeworfenen Diskrepanzen zwischen der aktenkundigen Amtsbestätigung (S 75/I) und der in der Urkundensammlung erliegenden, angeblich einen Beistrich nach dem Wort "Präsidenten" aufweisenden zu erörtern sein, hat doch Karl H***** erklärt, er habe den gegenständlichen Grundbuchsantrag unterschrieben und weggeschickt (S 96/III).

In Ansehung des Kaufpreises von ca 21 Mio S und des folgenden Versteigerungserlöses von ca 30 Mio S hätte es ungeachtet getätigter Investitionen und aktenkundigen Schätzungsgutachtens über den Realwert der Liegenschaft eingehender Erörterungen bedurft, warum insbesondere bei einem Notverkauf, nicht zumindest bedingter Schädigungsvorsatz in Ansehung der dinglichen Bestandrechte der Time-Sharer vorlag. Ob die vagen Verkaufsverhandlungen mit arabischen Interessenten vor oder nach dem Rangtausch stattfanden, blieb im Dunkeln (vgl Aussage des Zeugen Helmut S***** (S 112/III).

Geht das Erstgericht aber davon aus, daß der Angeklagte H***** der eigentliche Initiator des Rangrücktausches gewesen sei (US 13), hätte es zudem einer Erörterung der Aussage des Zeugen und Vertragserrichters Dr. Wilfried H***** bedurft, daß jener auch wußte, daß die erstrangige Absicherung der Time-Sharing-Nehmer conditio sine qua non für deren Geschäftsabschluß war (S 217/I; S 88/III).

Bei der strafrechtlichen Beurteilung des Bestimmungstäters wird darauf zu achten sein, daß es zwar hinsichtlich dessen keiner "doppelten Wissentlichkeit", wohl aber des Wissens um den (zumindest bedingt vorsätzlichen) Befugnismißbrauch des unmittelbaren Täters bedarf und daß sich sein Vorsatz auch auf die Schädigung erstreckt.

Eine kausale Einwirkung auf das Tatgeschehen ist aber bei jeder Art von Täterschaft erforderlich.

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