OGH 14Os44/99

OGH14Os44/9914.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Eduard K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 4. Dezember 1998, GZ 20 j Vr 7.156/98-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Blaschitz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 20 (zwanzig) Jahre herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eduard K***** des Verbrechens des Mordes schuldig erkannt, weil er am 5. August 1998 in Wien Johann G***** durch einen Stich mittels eines 30 cm langen Messers mit einer Klingenlänge von 18 cm und einem 3 mm breiten Klingenrücken in die rechte obere Brustkorbhälfte, wobei der 13 cm lange Stichkanal das Brustbein durchsetzte, den Herzbeutel, die Körperhauptschlagader, den rechten Luftröhrenast und die rechte Lungenschlagader durchstieß, vorsätzlich getötet hat.

Der Schwurgerichtshof unterbreitete den Geschworenen zunächst die (anklagekonforme) Hauptfrage (1 des Fragenschemas) in Richtung Mord sowie einerseits die Zusatzfrage I (2 des Fragenschemas) nach Tatverübung in einem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit und die Eventualfrage 1 (3 des Fragenschemas) nach Begehung der Tat im Zustand voller Berauschung, andererseits die Zusatzfrage II (4 des Fragenschemas) nach Notwehr und - ohne Stellung weiterer (eventueller) Zusatzfragen; vgl jedoch Mayerhofer StPO4 E 64, 66a und 67 zu § 314) - die Eventualfragen 2 bis 4 (5 bis 7 des Fragenschemas) nach fahrlässiger Notwehrüberschreitung, fahrlässiger Putativnotwehr und fahrlässiger Putativnotwehrüberschreitung. (Erst) hierauf wurde den Laienrichtern die Eventualfrage A (8 des Fragenschemas) nach Totschlag gestellt, der sich - ähnlich wie zuvor der Hauptfrage - einerseits die Zusatzfrage A/I (9 des Fragenschemas) nach Tatbegehung in einem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit sowie die Eventualfrage A/1 (10 des Fragenschemas) nach Begehung der Tat im Zustand voller Berauschung, andererseits die Zusatzfrage A/II (11 des Fragenschemas) nach Notwehr sowie die Eventualfragen A/2 bis A/4 (12 bis 14 des Fragenschemas) nach fahrlässiger Notwehrüberschreitung, nach fahrlässiger Putativnotwehr und nach fahrlässiger Putativnotwehrüberschreitung anschlossen. Auch im Zusammenhang mit den (weiters gestellten) Eventualfragen B und C nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang bzw nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (15 und 22 des Fragenschemas) gelangte dieses Fragensystem jeweils zur Anwendung.

Die Geschworenen bejahten stimmenmehrheitlich (7:1) die Hauptfrage in Richtung Mord, verneinten stimmeneinhellig die dazu gestellten Zusatzfragen und unterließen deshalb die Beantwortung der in diesem Zusammenhang gestellten Eventualfragen. Demzufolge entfiel auch die Beantwortung sowohl der (weiteren) Eventualfragen nach Totschlag, absichtlicher schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang und nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang als auch der jeweils auf diese Eventualfragen bezogenen Zusatz- und Eventualfragen.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde mit der Behauptung, das System der Fragestellung trage nicht dem in § 314 StPO festgelegten Erfordernis einer Gewichtung sämtlicher sich an die Hauptfrage anschließender Eventualfragen Rechnung, weil die Reihung der Fragen nicht nach der Höhe der in den jeweiligen Tatbeständen vorgesehenen Strafdrohungen vorgenommen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Vorwurf ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 317 Abs 2 StPO bleibt die Reihenfolge der Fragen der Beurteilung des Schwurgerichtshofes im einzelnen Fall überlassen. Beschränkt ist diese richterliche Gestaltungsfreiheit nur insoweit, als die Reihenfolge nicht unlogisch (und hiedurch der erschöpfenden faktischen und rechtlichen Beurteilung des Falles durch die Geschworenen hinderlich) sein darf (Mayerhofer StPO4 E 4 zu § 317).

Ein solcher (Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO bewirkender) Fehler ist dem Schwurgericht jedoch nicht unterlaufen; vielmehr war es (fallbezogen) gerade zur Erhaltung der Übersichtlichkeit und des logischen Aufbaus des Fragenschemas angezeigt, zunächst die Hauptfrage nach Mord samt den erforderlichen Zusatz- sowie den sich an letztere Fragen anknüpfenden Eventualfragen (in Richtung der §§ 287 Abs 1 und 80 StGB) und erst dann - unter sinngemäßer Weiterführung dieses Fragensystems - die (ohnehin nach der Höhe der Strafdrohung gereihten) weiteren Eventualfragen A, B und C (nach Totschlag, absichtlicher schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) zu stellen. Die Stellung der Even- tualfragen in Richtung der §§ 287 Abs 1 und 80 StGB erst nach der Eventualfrage C hätte zwar einer allein die Strafdrohungen berücksichtigenden Reihung, nicht jedoch dem logischen Zusammenhang der bei - entgegen der insoweit substratlosen Beschwerdebehauptung sehr wohl - indizierter voller Berauschung und (Putativ-)Notwehr zu stellenden Fragen entsprochen.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte Eduard K***** nach § 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe und wies ihn gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend, daß der Angeklagte schon zweimal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist, und daß er heimtückisch gehandelt hat; als mildernd berücksichtigte es, daß er durch seine Angaben zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Die auf Strafherabsetzung und Ausscheidung der Anstaltseinweisung abzielende Berufung des Angeklagten ist nur teilweise, nämlich was das Ausmaß der Freiheitsstrafe betrifft, berechtigt.

Der Berufung zuwider hat das Erstgericht nämlich angesichts der Ausführungen des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen in Verbindung mit der Art der Tat und der sich auch in den früheren einschlägigen Verfehlungen manifestierenden Persönlichkeit des Angeklagten dessen Gefährlichkeit in Richtung einer unter dem Einfluß seiner geistigen und seelischen Abartigkeit zu befürchtenden strafbaren Handlung mit schweren Folgen (§ 21 Abs 1 StGB Ende) zutreffend bejaht.

Demgegenüber hat aus den vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründen der Erschwerungsgrund der heimtückischen Begehung zu entfallen, während dem Angeklagten als mildernd zusätzlich seine geistige Abnormität zugute zu halten ist. Bei entsprechender Gewichtung der solcherart zu korrigierenden Strafzumessungsgründe genügt die Verhängung einer zwanzigjährigen Freiheitsstrafe der unrechtsbezogenen Täterschuld, wobei im Blick auf die zusätzliche Anstaltseinweisung nach § 21 Abs 2 StGB auch spezial- und generalpräventiven Rücksichten ausreichend Rechnung getragen ist.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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