OGH 10ObS192/99d

OGH10ObS192/99d14.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Manfred Mögele (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ernst H*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Berit Mayerbrucker, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. April 1999, GZ 8 Rs 52/99z-59, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Oktober 1998, GZ 37 Cgs 13/97f-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 2. 8. 1996 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 5. 12. 1995 auf Zuerkennung der Invaliditätspension bzw vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgelehnt.

Gegen die Abweisung seines Antrages auf Zuerkennung der Invaliditätspension erhob der Kläger in einem an die beklagte Partei gerichteten Schreiben Klage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension in der gesetzlichen Höhe ab 1. 1. 1996 zu gewähren, ab. Es kam zum rechtlichen Ergebnis, daß der gemäß § 255 Abs 3 ASVG auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger die Tätigkeiten eines Verpackers, Geschirrabräumers oder Botengängers im innerbetrieblichen Bereich verrichten könne und daher nicht invalid sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger gemäß § 255 Abs 3 ASVG auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Der Kläger könne jedenfalls noch die Tätigkeit eines Botengängers im innerbetrieblichen Bereich verrichten, weil zur Ausübung dieser Tätigkeit weder die Benützung eines Fahrrades noch das Tragen mittelschwerer Lasten erforderlich sei und die Ausübung dieser Tätigkeit nur einfache Arbeitsanweisungen voraussetze. Da bereits das Vorliegen eines einzigen Verweisungsberufes eine Invalidität des Klägers gemäß § 255 Abs 3 ASVG ausschließe, müsse auf weitere Verweisungstätigkeiten nicht mehr eingegangen werden.

In der auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten und von der beklagten Partei nicht beantworteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Urteiles des Berufungsgerichtes im Sinne einer Klagestattgebung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor. Ob die schon in der Berufung behaupteten und vom Berufungsgericht verneinten Mängel des Verfahrens erster Instanz (Unterlassung der Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Orthopädie und der Erörterung des berufskundlichen Gutachtens) vom Gericht zweiter Instanz zutreffend verneint wurden, ist nach ständiger Rechtsprechung vom Revisionsgericht nicht zu prüfen (SSV-NF 7/74 mwN).

Auch die rechtliche Beurteilung des ausreichend festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht, daß der im maßgebenden Beobachtungszeitraum nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig gewesene Kläger nicht als invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG gilt, weil er infolge seines körperlichen und geistigen Zustandes noch imstande ist, unter anderem durch die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertete und ihm zumutbare Verweisungstätigkeit eines Botengängers im innerbetrieblichen Bereich wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch solche Tätigkeiten zu erzielen pflegt, ist zutreffend. Es ist im Revisionsverfahren nicht strittig, daß die Voraussetzungen der vom Kläger begehrten Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen sind. In einem solchen Fall ist aber das Verweisungsfeld für Versicherte, die keinen erlernten oder angelernten Beruf ausgeübt haben, mit dem gesamten Arbeitsmarkt ident. Ob der Versicherte auch tatsächlich einen Dienstposten im Rahmen des festgestellten Verweisungsfeldes (hier: als Botengänger im innerbetrieblichen Bereich) erlangen kann, ist nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung für die Frage der Invalidität ohne Bedeutung. Es ist offenkundig, daß mit einer Tätigkeit als Bote im Innendienst weder die Notwendigkeit des Hebens oder Tragens mittelschwerer Lasten noch die Notwendigkeit der Benützung eines Fahrrades verbunden ist. Ebenso kann als gerichtsbekannt (§ 269 ZPO) unterstellt werden, daß es in diesem Verweisungsberuf österreichweit mehr als 100 Arbeitsplätze gibt (vgl SSV-NF 10/137). Der Kläger ist nach den Feststellungen zwar nicht umschulbar und anlernbar, er ist aber in der Lage, den üblichen Arbeitsanweisungen zu folgen. Beim Kläger ist im Hinblick darauf, daß er seit 1988 in keinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mehr tätig gewesen ist, mit einer verlängerten Anpassungsphase in der Dauer von etwa vier bis sechs Wochen zu rechnen. Auch dieser Umstand steht jedoch der Verweisung auf die Tätigkeit als Botengänger im innerbetrieblichen Bereich nicht entgegen, weil es sich dabei um sehr einfache Arbeiten handelt, sodaß ein Unterweisungsbedarf kaum ins Gewicht fällt (vgl 10 ObS 72/97d ua). Daß der Kläger als älterer, in seiner Arbeitsfähigkeit geminderter Arbeitssuchender gegenüber jüngeren und voll arbeitsfähigen Mitbewerbern auf dem Arbeitsmarkt weniger Chancen hat, schließt ihn noch nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt aus (vgl 10 ObS 27/98p mwN ua). Da bereits das Vorliegen eines möglichen Verweisungsberufes eine Invalidität des Klägers ausschließt (10 ObS 269/97z mwN ua), erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für einen Zuspruch der Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 3 ASVG.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den Kläger nach Billigkeit sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht behauptet.

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