Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die F***** AG, infolge Gesamtsrechtsnachfolge nunmehr A***** Baugesellschaft mbH (in der Folge A***** GmbH) meldete gemäß § 42a Abs 1 KartG die Gründung der W***** GmbH & Co KG (in der Folge KG) und der W***** GmbH (in der Folge GmbH), jeweils mit dem Sitz in H***** an.
Die KG hat folgende Gesellschaftsstruktur:
a) Persönlich haftender Gesellschafter: GmbH
b) Kommanditisten:
A***** GmbH 50 %
Dipl. Ing. Herbert L*****
Kom. Ges. für Bauwesen (in der
Folge: L***** KG) 25 %
B***** Straßenbaustoffe
GesmbH (in der Folge:
B***** GmbH), eine 100%ige
Tochter der H***** GmbH
(in der Folge: H***** GmbH) 25 %
Die GmbH hat folgende Gesellschaftsstruktur:
A***** GmbH 50 %
L***** KG 25 %
H***** GmbH 25 %
Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG gehört die GmbH der KG ohne Substanzbeteilung an; sie ist Arbeitsgesellschafterin. Von den Kommanditisten sind nachstehende Kommanditeinlagen zu leisten: A***** GmbH S 1,000.000,--, B***** GmbH und L***** KG je S 500.000,--.
Einige wichtige Geschäfte der KG, insbesondere über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und Unternehmungen, an denen ein Gesellschafter direkt oder indirekt, mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, bedürfen eines Gesellschafterbe- schlusses, der mit einfacher Stimmenmehrheit zu fassen ist.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH werden die Beschlüsse der GmbH grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefaßt.
Derzeit betreibt die A***** GmbH im örtlichen Teilmarkt das Asphaltmischwerk in A*****. Das Asphaltmischwerk in W***** wird von der N*****-BaugmbH & Co KG (in der Folge: N***** KG) betrieben, deren Anteile der B***** GmbH und der L***** KG je zur Hälfte gehören.
Nach der Vereinbarung der Gründungsgesellschaften soll die KG von der A***** GmbH aus der Anlage A***** Bestandteile um S 12,500.000,-- kaufen und das Betriebsgelände mieten; die N***** KG soll die ihr gehörige Mischanlage W***** um S 2,800.000,-- an die KG verkaufen.
Alle drei Gründungsgesellschafter sind im Straßenbau tätig. Die B***** GmbH und die L***** KG sind mittelständische Unternehmen.
Die Grundauslastung der beiden Asphaltmischwerke soll durch Abnahme der Gesellschafter sicher gestellt werden; diese werden jedoch (konditionsabhängig) auch von konkurrenzierenden Mischanlagen Asphalt beziehen. Die KG werde sich verstärkt auch um andere Abnehmer bemühen. Durch Verkäufe an Dritte wurden im letzten Jahr jeweils Umsätze von weniger als S 5 Millionen erzielt.
Die beiden Asphaltmischwerke in W***** und A***** sind überaltet und sollen - wie von den Gründungsgesellschaften ausdrücklich unverbindlich in Aussicht genommen wurde - im Laufe der nächsten Jahre durch ein einziges gemeinsames Werk ersetzt werden; es ist noch nicht entschieden, welches der beiden Werke stillgelegt bzw ausgebaut werden soll.
Mit Schriftsatz ON 6 beantragte die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte:
a) die Prüfung des Zusammenschlusses gemäß § 42b KartG und
b) festzustellen, ob die Errichtung der KG und der GmbH einen Tatbestand des Kartellgesetzes (zB § 10) erfülle;
es bestünden Zweifel, ob das neue Gemeinschaftsunternehmen tatsächlich ein konzentratives Gemeinschaftsunternehmen sei, das der Zusammenschluß- kontrolle unterliege, oder ob nicht vielmehr ein kooperatives Gemeinschaftsunternehmen, dh ein Kartell vorliege.
Die Anmelderin vertrat die Ansicht, daß kein Gemeinschaftsunternehmen vorliege, weil eine Beherrschung durch alle Gesellschafter gemeinsam nicht gegeben sei; der Zusammenschluß sei als Zusammenschluß iSd § 41 Abs 1 Z 3 KartG zu qualifizieren (ON 12).
Mit Entscheidung des Erstgerichtes vom 11. 12. 1998 (ON 24), die mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, wurde festgestellt, daß die angemeldete Gründung der KG und der GmbH zum Betrieb der Asphaltmischwerke keinen anmeldebedürftigen Zusammenschluß begründe, und die Anmeldung zurückgewiesen: Es liege kein Gemeinschaftsunternehmen vor, weil es an der gemeinsamen Kontrolle wegen der möglichen wechselnden Mehrheiten fehle. Im übrigen sei das Vorliegen eines (konzentrativen) Gemeinschaftsunternehmens auch wegen der vorauszusehenden Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründungsunternehmer zu verneinen. Der Zusammenschluß durch Erwerb eines mitbeherrschenden Einflusses am Asphaltmischwerk in W***** durch die A***** GmbH werde als nicht anmeldebedürftig angesehen, weil der Außenumsatz des Asphaltmischwerkes im vorangegangenen Geschäftsjahr nicht die Bagatellgrenze des § 42a Abs 1 Z 2 KartG (S 5 Millionen) erreicht habe.
Mit dem nunmehr von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte angefochtenen Beschluß vom 31. 5. 1999 (ON 34) sprach das Erstgericht aus, daß der angemeldete Sachverhalt unter der Voraussetzung der Fortführung der Asphaltmischanlagen A***** und W***** durch die neugegründete KG im Hinblick auf den Anteilserwerb der Gründungsgesellschafter - A***** GmbH, L***** KG und B***** GmbH - an der KG nicht anmeldungsbedürftige, aber anzeigepflichtige Zusammenschlüsse nach § 41 Abs 1 Z 3 KartG begründe.
Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die A***** GmbH erwerbe durch den angemeldeten Vorgang einen mitbeherrschenden Einfluß an dem Asphaltmischwerk in W*****, welches bisher von der N***** GmbH betrieben und nunmehr an die neugegründete KG verkauft werde. Mit der Neugründung der KG sei somit durch die A***** GmbH der Zusammenschlußtatbestand des § 41 Abs 1 Z 3 KartG im Hinblick auf die KG, die nunmehr ein Unternehmen betreibe, in das auch das Asphaltmischwerk in W***** eingebunden sei, verwirklicht. Dieser Zusammenschlußtatbestand werde aber auch durch die B***** GmbH und die L***** KG im Hinblick auf den Erwerb von jeweils 25 % der Anteile an der neugegründeten KG, die nunmehr das Unternehmen betreibe, in das auch das Asphaltmischwerk A***** eingebunden sei, verwirklicht. Das Asphaltmischwerk in A***** sei früher im Eigentum der F***** AG gestanden und gelange erst durch den Anteilserwerb von jeweils 25 % an der KG in den Einflußbereich der B***** GmbH und der L***** KG.
Da die Gründungsgesellschaften bzw deren Konzerne nach dem Vorbringen in der Anmeldung im vorangegangenen Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mehr als S 150 Millionen erzielt hätten, seien die Zusammenschlüsse infolge von Überschreitens des Schwellenwertes des § 42 Abs 1 KartG anzeigepflichtig.
Nach dem Vorbringen der Anmelderin, das der Entscheidung zugrundegelegt werde, soll die KG die beiden Mischanlagen in A***** und W***** kaufen. Es sei ausdrücklich unverbindlich in Aussicht genommen, eines der beiden Asphaltmischwerke still zu legen. Somit liege in der Absicht, eines der beiden Asphaltmischwerke still zu legen, keine vertraglich vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung. Infolge der ausdrücklichen Unverbindlichkeit der Absprache und in Ermangelung eines Anhaltspunktes, daß zur Erzwingung der Absprache Druck ausgeübt werde oder werden solle, könne die Absprache nach § 10 Abs 2 Satz 2 KartG nicht als Vereinbarung qualifiziert werden. Das Vorliegen eines Wirkungskartelles setze nach § 10 Abs 1 KartG voraus, daß eine Wettbewerbsbeschränkung tatsächlich verwirklicht werde; es müßten also die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen bereits eingetreten sein, damit man von einem Wirkungskartell sprechen könne. Ebenso liege ein Verhaltenskartell erst vor, wenn durch eine Verhaltensabstimmung der Wettbewerb tatsächlich eingeschränkt werde. Bereits eingetretene Wettbewerbsbeschränkungen seien nicht behauptet worden und auch sonst nicht hervorgekommen, sodaß derzeit weder ein Wirkungs- noch ein Verhaltenskartell festgestellt werden könne.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß festgestellt werde, daß in der gegenständlichen Sache ein Absichtskartell vorliege. Sollte das Kartellobergericht jedoch zur Ansicht kommen, daß die Wettbewerbsbeschränkung in Form eines Wirkungskartelles gegeben sei, möge dies festgestellt werden.
Die Einschreiterin beantragt in ihrer Gegenäußerung zum Rekurs, diesem keine Folge zu geben, in eventu auszusprechen, daß ein Absichtskartell/Wirkungskartell in Form eines Bagatellkartells vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerberin meint zusammengefaßt unter Berufung auf die Beurteilung solcher Sachverhalte durch die EG-Kommission, durch den Gründungsakt selbst sei eine Wettbewerbsbeschränkung eingetreten, welche in Vertragsform abgeschlossen worden und somit als Absichtskartell gemäß § 10 KartG zu beurteilen sei. Die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens selbst habe Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Gründern (sog Gruppeneffekt); bereits ein potentieller Wettbewerb reiche nach EG-Recht zur Anwendung des Art 85 EGV aus. Dies müsse auch für den österreichischen Rechtsbereich gelten.
Die Rekurswerberin verkennt, daß sich aus dem zutreffend unbekämpft gebliebenen Beschluß ON 24 ergibt, daß kein Gemeinschaftsunternehmen vorliegt, weil die gegründeten Unternehmen nicht der gemeinsamen Kontrolle der Gründerunternehmen unterliegen: Eine gemeinsame Kontrolle liegt dann vor, wenn jeder Beteiligte die Möglichkeit zur Beeinflussung strategischer Entscheidungen hat, sie also ohne die anderen Partner nicht getroffen werden können (KOG 15. 12. 1998, 16 Ok 15/98, WBl 1999, 226 = ÖBl 1999, 132; Barfuss/Wollmann/Tahedl, österreichisches Kartellrecht 117; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht I2 151; Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht I 939). Dies ist hier nicht der Fall, weil Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefaßt werden und keine sonstige Verhaltensabstimmung oder Vetorechte vorgesehen sind.
Die Gründungsurkunden selbst enthalten keinerlei Wettbewerbsbeschränkungen.
Die von der Rekurswerberin zitierten - und viele andere - Entscheidungen der EG-Kommission (weitere Nachweise bei Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 17 Rz 120 FN 532), nach denen bereits genügt, daß unerwünschte Gruppeneffekte eintreten könnten, damit die Vereinbarung als abgestimmte Verhaltensweise iSd Art 85 Abs 1 EGV (nunmehr Art 81 EGV nF) beurteilt wird, bezieht sich nur auf Fälle, in denen ein Gemeinschaftsunternehmen (iSd FKVO aF, VO 4064/89 ), also ein gemeinsamer Kontrolle der Gründerunternehmen unterliegendes Unternehmen zu beurteilen ist (Koppensteiner aaO Rz 120; Barfuss/Wollmann/Tahedl aaO 119; vgl 1. GU Bekanntmachung WuW 1993, 295). Da dies hier nicht der Fall ist, kann diese Rechtsprechung der EG-Kommission auf den hier vorliegenden Fall keinesfalls übertragen werden, sodaß sich erübrigt darauf einzugehen, ob nicht nach österreichischem Recht ungewollte Gruppeneffekte stets nur der Zusammenschlußkontrolle zu unterliegen hätten (näheres siehe Barfuss/Wollmann/Tahedl aaO 119).
Es bleibt daher nur zu prüfen, ob ein sonstiger Kartelltatbestand vorliegt. Dies hat das Erstgericht zutreffend verneint. Da diese Ausführungen von der Rekurswerberin nicht bekämpft werden, genügt es, auf die diesbezüglichen, oben wiedergegebenen Ausführungen des Erstgerichtes zu verweisen.
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