OGH 7Ob20/99p

OGH7Ob20/99p1.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Huber, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas Z*****, vertreten durch Mag. Walter Choc, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei V*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Raoul Troll, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 132.392,76 sA (Revisionsinteresse S 126.522,36 sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 20. Oktober 1998, GZ 5 R 120/98a-24, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Juni 1998, GZ 20 Cg 196/97a-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 132.392,76 samt 4 % Zinsen seit 23. 4. 1997 zu zahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die in allen Instanzen mit insgesamt S 92.503,16 (darin enthalten S 9.593,86 USt und S 34.940,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 28. 3. 1997 gegen 19 Uhr auf der Gemeindestraße "F*****" im Gemeindegebiet von S***** mit seinem PKW Opel Vectra Turbo Diesel einen Unfall. Er hatte für diesen PKW bei der beklagten Partei eine Teilkaskoversicherung ("Vario Kasko 95") abgeschlossen, die unter anderem Fahrzeugschäden durch Berührung des in Bewegung befindlichen Fahrzeuges mit Tieren auf Straßen mit öffentlichem Verkehr abdeckt.

Die asphaltierte Fahrbahn der Gemeindestraße ist im Unfallsbereich 4 m breit. Der Unfall ereignete sich (vom Kläger aus gesehen) in einer Linkskurve, die einen mittleren Krümmungsradius von 61 m aufweist und der eine Rechtskurve vorangeht. Die Gemeindestraße hat ein Gefälle von 1 bis 2 % in Fahrtrichtung und eine Querneigung von ca 5 % zur Kurveninnenseite. Von rechts her mündet auf einer Länge von 12 m etwas nach dem Kurvenscheitel eine Hauszufahrt in die Gemeindestraße ein. Ansonsten schließt sich an den rechten Fahrbahnrand ein 0,2 bis 0,4 m breites Schotterbankett, das in eine leicht abfallende grasbewachsene Böschung übergeht, an, an die in einem Abstand von 1,5 bis 2 m vom rechten Fahrbahnrand ein ca 0,5 bis 0,75 m tiefer Wassergraben anschließt. Links vom Fahrbahnrand verläuft ein 0,3 bis 0,4 m breites Erdbankett, welches in ein abfallendes Ackergelände übergeht. Im Bereich der Hauszufahrt befindet sich ein mit einem Maschendrahtzaun abgegrenztes Grundstück mit Baum- und Strauchbewuchs. Die Unfallstelle liegt im Freiland. Von Norden kommend (aus Fahrtrichtung des Klägers) besteht die Sicht im Unfallbereich auf mindestens 150 m.

Der Kläger fuhr auf dieser Gemeindestraße mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h in Fahrbahnmitte Richtung Süden. Beim Befahren der Linkskurve erreichte sein PKW eine Querbeschleunigung von 6,2 m/sec2. Dies entspricht einer sportlichen Fahrweise. Die Fahrbahn war trocken. Der Kläger hatte an seinem Fahrzeug das Abblendlicht eingeschaltet. Er wußte, daß mit dem Auftreten von Wild zu rechnen war. In einer Entfernung von etwa 38 m vor der späteren Querungslinie sah er im Bereich des westlichen Fahrbahnrandes ein sich zur Straße hin bewegendes Reh, das dann die Fahrbahn übersetzte. Der Kläger leitete daraufhin keine Bremsung ein, sondern lenkte den PKW nach rechts aus und geriet dadurch auf den geschotterten Einmündungsbereich der Hauszufahrt. Dadurch kam der PKW ins Schleudern, überschlug sich und kam im Bereich des Wassergrabens am Dach liegend zum Stillstand. Eine Berührung zwischen dem PKW und dem Reh fand nicht statt.

Die Laufgeschwindigkeit des Rehs betrug 4 bis 5 m/sec. Es hätte vor dem Einlangen des PKWs die Fahrbahn geräumt gehabt.

Am PKW des Klägers entstand ein Reparaturschaden in Höhe von S 139.360,80. Der Kläger verkaufte den PKW, der vor dem Unfall einen Zeitwert von S 245.000 bis S 246.940 hatte, unrepariert um S 105.000. Im Fall einer Reparatur träte am bis zum Unfall vorschadenfreien Fahrzeug eine Wertminderung von S 20.000 ein.

Der Kläger begehrte seinen Fahrzeugschaden abzüglich eines 5 %igen Selbstbehaltes in Höhe von S 132.392,76 sA. Er habe seinen PKW instinktiv nach rechts verrissen, um einen Frontalzusammenstoß mit dem unmittelbar vor ihm auf die Fahrbahn springenden Reh zu vermeiden. Während des anschließenden Schleudermanövers sei es zu einer Berührung mit dem Reh gekommen. Selbst wenn diese Berührung nicht zu erweisen sei, seien die Reparaturkosten als Rettungsaufwand im Sinn des § 63 VersVG zu ersetzen. Unabhängig davon habe der Kläger Anspruch auf Ersatz des Glasschadens in Höhe von S 13.934,40.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Berührung des PKWs mit dem Reh habe nicht stattgefunden, sodaß nach den Versicherungsbedingungen keine Deckungspflicht bestehe. Ein zu ersetzender Rettungsaufwand könne nur nach Eintritt des Versicherungsfalles entstehen. Das Ausweichmanöver sei nicht geboten gewesen. Die beklagte Partei sei auch deshalb leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zum Ersatz des Glasschadens in Höhe von S 5.870,40 und wies das Mehrbegehren von S 126.522,36 ab. Dem Kläger sei vorzuwerfen, daß er keine Bremsreaktion, sondern ein Ausweichmanöver durchgeführt habe, bei dem vorherzusehen gewesen sei, daß der PKW ins Schleudern geraten werde. Zu einer Berührung mit dem Wild sei es nicht gekommen, sodaß nach den Versicherungsbedingungen kein Ersatzanspruch - mit Ausnahme für den Glasschaden - bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Berufung der beklagten Partei betreffend einen Teilzuspruch von S 2.000 sei unberechtigt, weil das erstmals in der Berufung erstattete Vorbringen, daß von Glasschäden der Selbstbehalt in dieser Höhe abzuziehen sei, eine unbeachtliche Neuerung darstelle.

Der Berufung des Klägers hielt es entgegen:

Der Versicherer hafte zwar für Rettungskosten im Sinn der §§ 62, 63 VersVG nicht nur dann, wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten sei, sondern auch, wenn er unmittelbar bevorstehe. Der Kläger sei jedoch seiner Beweispflicht über eine drohende Kollision mit dem Reh nicht nachgekommen. Der Kläger habe weder ein beherrschtes noch ein beherrschbares Ausweichmanöver eingeleitet. Das Reh hätte bei Weiterfahrt des Klägers die Fahrbahn bereits geräumt gehabt, sodaß der Kläger nach den Umständen dieses Ausweichmanöver auch nicht für geboten halten habe dürfen, um den Eintritt des Versicherungsfalles zu verhindern oder dessen Folgen zu vermindern. Es sei für den Kläger vorhersehbar gewesen, daß er mit dem Ausweichmanöver ein höheres Risiko eingehe als bei einem Bremsmanöver unter Beibehaltung der Fahrlinie.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob und unter welchen Voraussetzungen die Folgen eines Ausweichmanövers als Rettungsaufwand zur Vermeidung eines Wildschadens durch Berührung in der Teilkaskoversicherung ersatzfähig seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Unter Rettungskosten werden Aufwendungen verstanden, die der Versicherungsnehmer gemäß § 62 VersVG macht. § 63 VersVG ist demnach ein notwendiges Gegenstück zur Obliegenheit des § 62 VersVG. Wenn der versicherte Schaden nur noch durch Aufwand von Kosten bekämpft werden kann, so haftet der Versicherer, weil wirtschaftlich der Schaden in Höhe dieser Kosten nicht abgewendet, sondern nur verlagert worden ist (7 Ob 10/87).

§ 62 VersVG ("Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, bei dem Eintritt des Versicherungsfalles ..."), auf den sich § 63 VersVG beruft, ist nach einhelliger Ansicht nach der Interessenlage dahin auszulegen, daß Rettungskosten (in der Sachversicherung) schon dann zu ersetzen sind, wenn der Versicherungsfall zwar noch nicht eingetreten ist, aber unmittelbar droht (SZ 9/10; 7 Ob 10/87; Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 321; Prölss/Martin, VersVG26, Rz 5 zu § 63 VersVG; BGH in VersR 91, 459; Hofmann, Privatversicherungsrecht4, 236). Diese Rettungskosten müssen grundsätzlich objektiv dem Zweck dienen, den versicherten Schaden abzuwenden oder zu vermindern. Ein "Rettungswille" im Sinn der Absicht, die Rettungsobliegenheit zu erfüllen, wird nicht verlangt. Es ist daher unerheblich, ob der Versicherungsnehmer mit seiner Maßnahme auch oder allein andere Zwecke verfolgt als die Abwehr oder Minderung des versicherten Schadens, wobei allerdings der BGH in VersR 94, 1181 als ungenügend ansah, wenn die Schadensabwendung lediglich eine "Reflexwirkung" einer Handlung des Versicherungsnehmers war.

Nicht anwendbar ist § 63 VersVG, wenn der Versicherungsnehmer eine Rettungsmaßnahme ergreift, obwohl er positiv weiß, daß ihm kein versicherter Schaden droht. Wenn der Versicherungsnehmer dies nicht weiß und trotzdem Rettungsmaßnahmen ergreift, kommt es gemäß § 63 VersVG darauf an, ob er diese Maßnahmen "den Umständen nach für geboten halten durfte". Die Aufwendungen sind selbst dann zu ersetzen, wenn sie nicht geboten waren, der Versicherungsnehmer sie aber für erforderlich halten durfte (vgl zu alledem Prölss/Martin aaO, Rz 5 ff zu § 63 VersVG).

Nach überwiegender deutscher Rechtsprechung und herrschender Lehre schadet dem Versicherungsnehmer hiebei nur grobe Fahrlässigkeit (Prölss/Martin aaO RN 7, 9, 20 zu § 63 VersVG; Bruck-Möller8, Bd 2, Anm 21 zu § 63 VersVG; Hofmann aaO, 237; Maier/Biela, Die Kaskoversicherung, Rz 108, S 46 f; vgl die weiteren Literatur- und Judikaturnachweise in der E des BGH vom 18. 12. 1996, VVGE § 63 Nr 3). Hiefür wird als Argument der Wertungsmaßstab des § 62 Abs 2 VersVG angeführt: Wer zuviel oder etwas Unzweckmäßiges tut, darf nicht schlechter behandelt werden als nach § 62 Abs 2 VersVG derjenige, der zu wenig oder nichts tut.

Der BGH betonte in seinen neueren Entscheidungen, daß der Versicherer jedenfalls bei einem grob fahrlässigen Irrtum über die objektive Notwendigkeit, Rettungskosten aufzuwenden, nicht zum Ersatz der Kosten verpflichtet ist. Der BGH ließ zwar letztlich offen, ob dem Versicherungsnehmer auch leichte Fahrlässigkeit schadet (VersR 1977, 709, E vom 18. 12. 1996, VVGE § 63 Nr 3), billigte aber offensichtlich die Ansicht der Lehre, daß für eine sachgerechte Auslegung des § 63 VersVG die Vorschriften der §§ 61 und 62 VersVG nicht unbeachtet bleiben dürften (so insbesondere VersR 1977, 709).

Auch der erkennende Senat sieht diese in Deutschland herrschende Auffassung als überzeugend an. Um einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch mit den vorangehenden, mit § 63 VersVG in engem Zusammenhang stehenden Bestimmungen der §§ 61 und 62 VersVG zu vermeiden, ist § 63 VersVG dahin auszulegen, daß Schäden durch Rettungsmaßnahmen, die rückblickend betrachtet nicht notwendig waren, nur dann nicht zu ersetzen sind, wenn dem Versicherungsnehmer grobe Fahrlässigkeit bei seinem Irrtum über die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen anzulasten ist, daß ihm aber leichte Fahrlässigkeit nicht schadet.

Die Frage der Beweissituation wurde im vorliegenden Rechtsmittel nicht releviert (vgl hiezu Prölss/Martin aaO, RN 43 zu § 12 AKB, S 1570 f; weiters OLG Köln in zfs 1999, 339 und 341) und ist durch die gesicherte Feststellungslage auch nicht weiter aufzugreifen. Insbesondere hat es die beklagte Partei in ihrer Berufungsbeantwortung unterlassen, anstelle der Feststellung, daß der Kläger auslenkte, die Ersatzfeststellung zu begehren, daß er sein Fahrzeug instinktiv verrissen habe.

Daraus folgt für den hier zu beurteilenden Fall die Bejahung der Ersatzpflicht der beklagten Partei. Der Kläger hat zwar durch das Rechtsauslenken seines PKWs ein Schadensrisiko in Kauf genommen. Ihm mußte bewußt sein, daß er damit auf das an die bloß 4 m breite, asphaltierte Fahrbahn anschließende unbefestigte Gelände geraten und dort Schwierigkeiten bekommen werde, den PKW bei der von ihm eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit zu stabilisieren. Andererseits stand ihm aber zumindest aus damaliger subjektiver Sicht eine mögliche Frontalkollision mit einem Reh bevor. Auch durch eine sofort eingeleitete Bremsung hätte er - unter Berücksichtigung der Reaktionszeit, seiner Geschwindigkeit, der relativ geringen Distanz zu dem sich der Fahrbahn nähernden Reh und des Umstandes, daß er eine Kurve befuhr - keine wesentliche Geschwindigkeitsreduktion bis zur mutmaßlichen Überquerungslinie des Rehs mehr erreichen können. Es ist ihm zugutezuhalten, daß ihm die aufgrund eines Sachverständigengutachtens nachträglich angestellten Erwägungen, daß und warum das Reh die Fahrbahn bei seiner Weiterfahrt bereits zur Gänze geräumt hätte, in dieser Deutlichkeit in dem kurzen Moment, der ihm für die Beurteilung der Gefahrenlage verblieb, nicht präsent sein mußten. Zudem war nicht von vorneherein als sicher anzunehmen, daß das Reh die Fahrbahn in einem Zug in relativ raschem Tempo überqueren werde. Eine für den Kläger somit von vornherein nicht auszuschließende Frontalkollision mit einem Reh stellte bei der allenfalls zu erwartenden Kollisionsgeschwindigkeit ein unmittelbar drohendes Unfallrisiko mit nicht unbeträchtlichen Schadensfolgen dar, dem er glaubte, durch das Rechtsauslenken entgehen zu können. Daß dieses Fahrmanöver letztlich zu einem Überschlagen des PKWs und zu einem relativ umfangreichen Fahrzeugschaden führen werde, war für ihn im Augenblick der anstehenden Entscheidung wohl nicht in dieser Deutlichkeit vorhersehbar.

Daß eine PKW-Kollision mit einem Reh wesentlich gefährlicher und schadensträchtiger ist als eine solche mit einem Hasen (wie dies der Entscheidung des BGH vom 18. 12. 1996, VVGE § 63 Nr 3, zugrundelag, in der eine plötzliche Fahrtrichtungsänderung, nur um einem Hasen auszuweichen, als grobe Fahrlässigkeit beurteilt wurde), bedarf auf Grund der Lebenserfahrung keiner weiteren Erörterung.

Selbst wenn als adäquate Reaktion auf ein sich der Fahrbahn näherndes Reh grundsätzlich eine spurhaltende Bremsung anstatt eines unkontrollierten Verreißens des Fahrzeuges oder Ausweichens auf das unbefestigte Bankett anzusehen ist, liegt doch unter den gegebenen Umständen zumindest keine grob fahrlässige Fehleinschätzung der Situation und auch kein grob fahrlässiges fahrtechnisches Fehlverhalten des Beklagten vor.

Die objektive Eignung einer Auslenkhandlung zur Vermeidung einer Wildkollision und damit des Eintrittes des versicherten Risikos kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein. Als Hauptziel der Ausweichreaktion liegt sowohl die Vermeidung von eigenen Verletzungen als auch von Beschädigungen des Fahrzeuges auf der Hand. Von einem "geringfügigen Nebeninteresse" an der Verhinderung von Fahrzeugschäden und damit einer bloßen "Reflexwirkung" der angestrebten Rettungshandlung kann hier - im Gegensatz zu dem vom BGH in VersR 94, 1181, behandelten Fall einer Versicherung gegen Glasbruch - keine Rede sein.

Der Risikoausschluß des § 61 VersVG kommt mangels grober Fahrlässigkeit des Klägers nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar eine für die Reichweite des Abblendlichtes relativ überhöhte Fahrgeschwindigkeit eingehalten. Ein bloßer Verstoß gegen eine Bestimmung der StVO bewirkt aber noch keine grobe Fahrlässigkeit, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, die den Sorgfaltsverstoß als schwer und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes als vorhersehbar erscheinen lassen (SZ 48/65; ZVR 1979/104 ua). Solche besonderen Umstände liegen hier aber nicht vor. Das Gelände im Bereich der Unfallstelle war trotz der Kurve übersichtlich und die Sichtstrecke entsprechend groß. Die Fahrbahn war zwar schmal, doch erlaubte der Kurvenradius durchaus noch die Befahrung mit der vom Kläger eingehaltenen Geschwindigkeit. Diese lag noch nicht im kritischen Grenzbereich. Die Auslenkhandlung selbst ist, wie bereits dargestellt, ebenfalls nicht als grob fahrlässige Fehlreaktion zu qualifizieren.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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