Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes im Umfange der Anfechtung des Beschlusses des Rekursgerichtes, das ist die gesamte einstweilige Verfügung mit Ausnahme des Verbotes der Rückkehr in die Wohnung, wieder hergestellt wird.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit S 4.871,04 (darin enthalten USt von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei beantragte mit dem am 22. 1. 1999 beim Erstgericht eingelangten Antrag die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit welcher dem Gegner der gefährdeten Partei
1.) die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung verboten;
2.) der Aufenthalt an bestimmten Orten verboten und
3.) aufgetragen werde, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei und ihrem Sohn zu vermeiden.
Die Antragstellerin brachte dazu vor, mit dem Antragsgegner bis 13. 11. 1998 in Lebensgemeinschaft gelebt zu haben. Nach der Trennung und Aufhebung der Lebensgemeinschaft sei das Verhalten des Antragsgegners immer ärger geworden, er habe Drohungen geäußert und Psychoterror ausgeübt.
Das Erstgericht erließ - ohne Anhörung des Gegners - die beantragte einstweilige Verfügung und befristete sie mit einer Dauer von 3 Monaten, beginnend mit ihrer Zustellung an den Antragsgegner.
Es stellte fest, daß die Streitteile bis 13. 11. 1998 in Lebensgemeinschaft lebten. Nach der Trennung habe der Antragsgegner die Antragstellerin brieflich, telefonisch und auch persönlich terrorisiert, beschimpft und bedroht.
Das Verhalten des Antragsgegners sei geeignet, der Antragstellerin das weitere Zusammenleben und den weiteren Kontakt mit ihm unzumutbar zu machen, weshalb gemäß § 382b EO, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gerechtfertigt sei.
Dieser Beschluß wurde dem Antragsgegner am 26. 1. 1999 zugestellt.
Das vom Gegner der gefährdeten Partei angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wurde; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.
Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, die dreimonatige Frist im § 382b Abs 3 EO habe den Sinn und Zweck, einem gefährdeten nahen Angehörigen, der infolge von Beeinträchtigungen durch den Antragsgegner die bisherige Wohnung verlassen habe, die Möglichkeit zu eröffnen, binnen drei Monaten eine Ausweisung des Antragsgegners aus dieser Wohnung zu beantragen. Voraussetzung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 und 2 EO sei aber jedenfalls, daß die inkriminierten Handlungen während einer aufrechten häuslichen Gemeinschaft erfolgen, weil sie denknotwendigerweise nur dann ein weiteres Zusammenleben unzumutbar machen könnten. Belästigungen durch einen ehemaligen Lebensgefährten innerhalb von drei Monaten nach endgültiger Beendigung der Lebensgemeinschaft sei hingegen für sich allein für die Frage der Zumutbarkeit eines beendeten Zusammenlebens nicht mehr relevant und daher vom Regelungsbereich des § 382b EO nicht erfaßt. Es wäre auch sinnwidrig, wollte man Belästigungen oder Bedrohungen durch einen ehemaligen Lebensgefährten innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Lebensgemeinschaft noch dem Regelungszweck des § 382b EO unterstellen, spätere Beeinträchtigungen aber nicht mehr.
Der letzte Halbsatz des § 382b Abs 3 EO könne daher nur in dem Sinn verstanden werden, daß die verpönten Handlungen während aufrechter häuslicher Gemeinschaft erfolgen müßten, einem gefährdeten nahen Angehörigen aber auch nach Beendigung der häuslichen Gemeinschaft noch eine dreimonatige Antragsfrist offenstehe. Keinesfalls sei die Bestimmung so auszulegen, daß irgendwelche Beeinträchtigungen innerhalb von drei Monaten nach der endgültigen Beendigung der häuslichen Gemeinschaft die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 und 2 EO rechtfertigen könnten, weil Vorfälle nach Beendigung der häuslichen Gemeinschaft für sich allein für die Frage der Zumutbarkeit eines nicht mehr bestehenden Zusammenlebens nicht mehr relevant sein könnten.
Der Sicherungsantrag sei daher als rechtlich unschlüssig abzuweisen.
Das Rekursgericht erachtete den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darüber bestehe, wie die dreimonatige Frist im § 382b Abs 3 EO zu verstehen sei.
Hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Erlassung eines Rückkehrverbotes in die Wohnung der Antragstellerin ist dieser Beschluß mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen. Im übrigen richtet sich dagegen der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Rekurs des Antragsgegners nur insoferne Folge gegeben werde, als ihm ein Rückkehrverbot in die Wohnung der Antragstellerin auferlegt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Antragsgegner hat Revisionsrekurs- beantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge zu geben. Diese ist aber zurückzuweisen, weil sie nach Ablauf der Frist des § 402 Abs 3 EO erstattet wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Daß die einstweilige Verfügung wegen Zeitablaufes überholt ist, nimmt dem Antragsgegner noch nicht die für die Sachentscheidung über seinen Rekurs erforderliche Beschwer (RIS-Justiz RS0005521; vgl 4 Ob 162/99y).
Die Antragstellerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, § 382b EO enthalte keine Regelung, wann die inkriminierten Handlungen, auf welche sich der Sicherungsantrag stütze, vom Antragsgegner gesetzt werden müßten. Die Lösung der Frage, ob von dieser Bestimmung auch inkriminierte Handlungen erfaßt seien, die ausschließlich innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der häuslichen Gemeinschaft gesetzt worden seien, sei vom Schutzzweck der Norm abhängig. Zweck des Gesetzes sei es, vor jeder Art von Gewalt in der Familie während aufrechter häuslicher Gemeinschaft zu schützen, anderseits jedoch auch dort Schutz zu gewähren, wo aufgrund einer Trennung die Gefahr bestehe, daß der Antragsteller Opfer von Gewalttaten oder Bedrohungen werde. Gerade aus diesem Grund sei es erforderlich, den Schutz der Bestimmung nicht ausschließlich auf das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft zu beschränken. Insbesondere aus § 382b Abs 4 EO, wonach eine einstweilige Verfügung unabhängig vom Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft der Parteien erlassen werden könne, könne geschlossen werden, daß die Intention des Gesetzgebers dahin gehe, besonders in den Anfangsmonaten nach einer Trennung nahen Angehörigen den Schutz des § 382b EO auch ohne Bestehen einer häuslichen Lebensgemeinschaft zu gewähren, weil gerade die Realität gezeigt habe, daß nach Trennungen ein erhöhtes Schutzerfordernis bestehe.
Jedenfalls sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Absatz 2 des § 382b EO die Setzung der inkriminierten Handlung während der aufrechten häuslichen Gemeinschaft verlange, nicht nachvollziehbar. Der Schutzzweck dieser Bestimmung sei unabhängig vom Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft zu sehen, weil sie die Unzumutbarkeit des Zusammentreffens für das Opfer und nicht, wie im Abs 1, die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens normiere, somit das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft nicht denknotwendige Voraussetzung des Abs 2 sei. Die Absätze 1 und 2 des § 382b erfaßten verschiedene Tatbestände mit verschiedenen Voraussetzungen.
Hiezu wurde erwogen:
Gemäß § 382b Abs 1 EO hat das Gericht einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung ist einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erhebliche beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten und aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden, soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen. Nahe Angehörige sind unter anderem Lebensgefährten, wenn sie mit dem Antragsgegner in häuslicher Gemeinschaft leben oder innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung gelebt haben (Abs 3). Gemäß Abs 4 kann eine einstweilige Verfügung nach Abs 1 oder 2 unabhängig vom Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft der Parteien erlassen werden. § 382b Abs 3 EO umschreibt sohin, den Begriff der nahen Angehörigen. Einbezogen werden Personen, die in einem solchen Naheverhältnis zueinander stehen, in dem Gewalt in der Familie vorkommt (EBzRV 252 BlgNR 20. GP 8). Diese Begriffsdefinition enthält neben der Beschreibung des Personenkreises auch ein zeitliches Moment. Nach Ablauf von drei Monaten nach Beendigung der häuslichen Gemeinschaft zwischen Täter und Opfer erlischt die Eigenschaft als naher Angehöriger im Sinne dieser Gesetzesstelle (Neuhauser, Der gesetzliche Schutz vor Gewalt in der Familie und dessen Auswirkungen auf den Jugendwohlfahrtsträger, ÖA 1997, 45 f [46]). Ein Lebensgefährte bleibt sohin auch nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft noch drei Monate naher Angehöriger im Sinne des § 382b EO. Aus der Dreimonatsfrist des § 382b Abs 3 EO kann daher nicht abgeleitet werden, daß die inkriminierten Handlungen während der aufrechten häuslichen Gemeinschaft erfolgen müßten. Dies ergibt sich auch sonst nicht aus der Bestimmung des § 382b EO. Vielmehr ist nach der Absicht des Gesetzgebers (EBzRV 252 BlgNR 20. GP 9) die Wendung "das weitere Zusammenleben" in § 382b Abs 1 EO nicht so zu verstehen ist, daß das Verhalten, das das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, notwendigerweise während des Zusammenlebens erfolgte. Daraus folgt, daß Voraussetzung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO ist, daß die geschützte Person im Zeitpunkte der Vornahme einer Gewalthandlung mit dem Antragsgegner in häuslicher Gemeinschaft lebt bzw zwischen dem letzten Zusammenleben und dem eine einstweilige Verfügung auslösenden Verhalten nicht mehr als drei Monate verstrichen sind (Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie, ÖJZ 1997, 542 [545]). Da nicht jedes frühere Zusammenleben die in Abs 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen rechtfertigen kann, darf der letzte Zeitraum des Zusammenlebens nicht länger als drei Monate vor dem die einstweilige Verfügung auslösenden Verhalten liegen (EBzRV 252 BlgNR 20. GP 8).
Da das vom Erstgericht festgestellte Verhalten des Antragsgegners jeden weiteren Kontakt mit ihm unzumutbar macht, war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antragstellerin der einstweilige Verfügung im Umfange der Anfechtung des Beschlusses des Rekursgerichtes wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 393 Abs 2 EO, §§ 41, 50 ZPO.
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