OGH 8Ob59/99f

OGH8Ob59/99f26.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, Automobiltechnik, *****, vertreten durch Dr. Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Volksbank K***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 488.188,77 sA (Revisionsinteresse jeweils S 233.224,16 sA, insgesamt somit S 466.448,32 sA) infolge Revisionen der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 12. November 1998, GZ 3 R 218/98y-18, mit dem infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. September 1998, GZ 27 Cg 16/98a-9, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revisionen beider Parteien werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 11.430,-- (darin S 1.905,-- USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die in Deutschland ansässige klagende Partei stellte am 23. 6. 1997 einen an ein italienisches Unternehmen mit einer Orderklausel zahlbar gestellten, auf eine Volksbank in Deutschland gezogenen Verrechnungsscheck über DM 66.280,40 aus. Der Scheck wurde uneingeschrieben an das italienische Unternehmen übersandt und kam auf dem Postweg zum Begünstigten abhanden. Ein slowenischer Staatsbürger kam in den Besitz des Schecks und reichte ihn - gemeinsam mit 28 weiteren Schecks unterschiedlicher Aussteller und Begünstigter - am 18. 7. 1997 bei der beklagten Partei zum Inkasso auf ein gleichzeitig eröffnetes Girokonto ein. Die beklagte Partei löste den Scheck bei der bezogenen Bank ein und erhielt die Schecksumme gutgeschrieben; sie schrieb die Summe ihrerseits am 29. 7. 1997 dem Konto ihres slowenischen Kunden gut.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei Schadenersatz in Höhe der Schecksumme von S 466.448,32 sowie inzwischen rechtskräftig zurückgewiesener vorprozessualer Kosten von S 31.740,45. Sie machte im wesentlichen geltend, daß der beklagten Partei in Ansehung des Erwerbs des Schecks grobe Fahrlässigkeit zur Last falle, weil sie im Hinblick auf die Anzahl der gleichzeitig vorgelegten Schecks, auf die Gleichheit der Schriftbilder der Indossamente, auf die gleichzeitige Kontoeröffnung durch den Einreicher und auf weiters bezeichnete Umstände den Verdacht hätte haben müssen, daß die Schecks den Inhabern abhandengekommen seien.

Die beklagte Partei wandte im wesentlichen ein, daß sie aufgrund der vorgelegten Umstände an der Berechtigung ihres Kunden zur Einlösung des Schecks nicht habe zweifeln müssen. Es treffe sie daher kein Verschulden an der Gutschrift der von der bezogenen Bank überwiesenen Schecksumme. Vielmehr treffe die klagende Partei das Alleinverschulden an ihrem Schaden, insbesondere weil sie den Scheck ungeachtet der Unsicherheit der italienischen Post auf dem - einfachen - Postweg nach Italien gesandt habe.

Beide Vorinstanzen gingen unter eingehender Darlegung des von Lehre und Rechtsprechung geforderten Umfangs der Prüfungspflicht der Berechtigung des Einreichers eines Schecks durch die Inkassobank (beklagte Partei) von deren grob fahrlässigen Verhalten aus, weil sie im Hinblick auf eine Reihe von Auffälligkeiten vor Entgegennahme der Schecks zu Nachforschungen verpflichtet gewesen wäre. Die klagende Partei treffe aber ein gleichteiliges Mitverschulden, weil sie den Scheck mit einfacher Post versandt habe.

Das Berufungsgericht ließ ungeachtet der von ihr zitierten einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil der Rechtsfrage des Umfangs der aus Art 21 SchG resultierenden Prüfungspflicht der Inkassobank eine erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung zukomme.

Beide Teile erheben wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Revision.

Die klagende Partei begehrt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung iS der Zuerkennung des vollen noch streitgegenständlichen Klagsbetrags, weil sie kein Mitverschulden treffe. Die beklagte Partei begehrt ihrerseits die Abänderung der angefochtenen Entscheidung iS der gänzlichen Klagsabweisung, weil sie ihre Prüfungspflicht nicht verletzt habe; vielmehr habe die klagende Partei das Abhandenkommen des Schecks allein zu verantworten.

Die beklagte Partei beantragt die Revision der klagenden Partei zurückzuweisen, beide Teile beantragen der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1

ZPO zurückzuweisen, weil zum Umfang der Prüfungspflicht der

Inkassobank ausreichende oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt

(vgl insb 4 Ob 504/91 = ÖBA 1991/294 [Iro] = EvBl 1991/110 = WBl

1991, 300 = ecolex 1992, 528; 1 Ob 2291/96k = ÖBA 1997/629 = ecolex

1997, 246 [Rabl]; 8 Ob 31/97k = ÖBA 1999/780 [Iro] jeweils mwN), die

auch von der Lehre geteilt wird (vgl Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I [1987] 407, 412 f mwN; für den deutschen Rechtsbereich vgl für alle Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und SchG21 Rz 8 ff zu Art 21 SchG), die von den Vorinstanzen auf den vorliegenden Fall zutreffend angewandt worden ist.

Zusammenfassend ist hervorzuheben, daß nach Art 21 SchG im Fall, daß der Scheck einem früheren Inhaber irgendwie abhandengekommen ist, der Inhaber, in dessen Hände der Scheck gelangt ist, zur Herausgabe des Schecks nur verpflichtet ist, wenn er ihn in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Ist der Inhaber zur Herausgabe nicht mehr in der Lage, so haftet er dem Scheckberechtigten für Schadenersatz.

Das Kreditinstitut, das einen Scheck zur Einziehung hereinnimmt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Berechtigung des Scheckinhabers nachzuprüfen, da nach dem Gesetz die Verfügungsbefugnis über den Inhaberscheck schon durch den Besitz ausgewiesen wird und es bei Orderschecks genügt zu prüfen, ob die Reihe der Scheckerklärungen nach ihrem äußerlichen Anschein formal geschlossen erscheinen (Art 19 SchG). Dies gilt auch für Verrechnungsschecks.

Eine Verpflichtung, die Berechtigung des Einreichers zu überprüfen, besteht erst dann, wenn ganz besondere Umstände - vor allem in der Person des Inhabers oder der Ungewöhnlichkeit des Geschäftes einschließlich seiner Begleitumstände oder aus dem Inhalt und dem äußeren Erscheinungsbild der Scheckurkunde - nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Verdacht nahe legen, der Scheck könnte abhanden gekommen sein. Besondere Verdachtsmomente können sich bei der Einreichung eines Verrechnungsschecks ergeben, wenn der Einreicher ein Konto ersichtlich nur zur Einziehung von Verrechnungsschecks einrichtet, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kontoeröffnung und der Scheckeinreichung besteht; auch bei der Einreichung von Schecks über größere Summen oder einer ungewöhnlichen Anzahl von Schecks wird die Bank zur Nachforschung verpflichtet sein.

Daß diese Rechtsprechung unrichtig sei oder noch weiterer Detaillierung bedürfte, behaupten beide Teile nicht. Sie meinen lediglich, die Vorinstanzen hätten diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt unzutreffend angewandt.

Das Berufungsgericht hat der beklagten Partei zu Recht vorgeworfen, daß die Begleitumstände bei Einreichung des von der klagenden Partei ausgestellten Verrechnungsschecks, sie zu weitergehenden Nachforschungen hätten veranlassen müssen: Zunächst war es selbst für die im Grenzbezirk angesiedelte beklagte Bank ungewöhnlich, daß 29 Verrechnungsschecks auf einmal zur Einlösung vorgelegt wurden, die noch dazu aus verschiedenen, nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft liegenden Ländern stammten und auf verschiedene Währungen lauteten, und deren Indossamente auf der Rückseite der Schecks alle dasselbe Bild aufwiesen. Dazu kommt, daß die Schecks von einem ausländischen Neukunden vorgelegt wurden, der zu diesem Zweck Girokonten einrichtete. Unter diesen Umständen hätte sich die beklagte Bank nicht mit einer Identitätsprüfung (Vorlage des Passes) und dem Hinweis, der Einreicher habe ein Unternehmen, begnügen dürfen, sondern hätte bei der klagenden Partei nachfragen oder wenigstens die bezogene Bank (als Hausbank der klagenden Partei) auf die verdächtigen Umstände der Scheckeinreichung im Ausland aufmerksam machen müssen.

Zu Recht ist aber das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß der klagenden Partei selbst grobe Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen ist, die gemäß § 1304 ABGB zu einer Minderung der Ersatzpflicht der beklagten Partei nach § 21 SchG führen muß. Diese grobe Sorglosigkeit liegt nicht nur darin, daß sie sich begnügte den Scheck, der auf eine höhere Geldsumme (fast eine halbe Million Schilling) lautete, mag er auch ein Verrechnungsscheck gewesen sein, uneingeschrieben in ein Ausland zu versenden, und weitere mögliche Sicherheitsmaßnahmen (zB Verwendung eines Rektaschecks) unterließ, sich nicht über dessen Einlangen beim berechtigten Scheckinhaber vergewisserte und nach Auskunft, daß er nicht eingelangt sei, ihn nach Verstreichen der Vorlagefrist iSd Art 32 SchG widerrief. Hätte sie letzteres umgehend getan, wäre es nicht zur Auszahlung der Schecksumme an den unberechtigten Schecküberbringer gekommen, weil dieser den Scheck erst nach Ablauf der Vorlagefrist bei der beklagten Partei erstmals vorlegte.

Die Verschuldensteilung ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, soferne wie hier keine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, zumal die Haftung der beklagten Partei ein Gegensatz zu der klagenden Paetei erst bei groben Verschulden gegeben ist.

Die Revisionen beider Teile sind daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Der beklagten Partei sind die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision der klagenden Partei hingewiesen und dies auch näher begründet hat.

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