OGH 8ObS82/99p

OGH8ObS82/99p26.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Lothar Matzenauer und ADir. Reg.Rat Winfried Kmenta in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich L*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Bundessozialamt S*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 98.700,-- Insolvenzausfallgeld infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 1998, GZ 7 Rs 267/98h-12, mit dem

infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. August 1998, GZ 21 Cgs 12/98g-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar als gerade noch zulässig anzusehen, weil zur Frage, ob das Versehen einer Angestellten einer gesetzlichen Interessensvertretung grundsätzlich einen berücksichtigungswürdigenden Umstand iSd § 6 Abs 1 IESG bilden kann, ausdrückliche oberstgerichtliche Judikatur fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es an sich auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im Hinblick auf die fehlende oberstgerichtliche Rechtsprechung zur vorliegenden Variante der Versäumung der Antragsfrist und in Erwiderung der Revisionsausführungen ist zu bemerken:

Auszugehen ist davon, daß über das Vermögen der verstorbenen Dienstgeberin des Klägers am 8. 10. 1996 der Konkurs eröffnet wurde; die Antragsfrist endete somit am 8. 4. 1997.

Am 7. 3. 1997 verfaßte der zuständige Referent der Arbeiterkammer einen Ergänzungsantrag auf Gewährung von Insolvenz - Ausfallgeld betreffend die Abfertigungsansprüche des Klägers. Dieses Schriftstück brachte er an diesem Tag in die Postabgabestelle der Arbeiterkammer. Die in dieser Abteilung jahrelang tätige Angestellte, von der auch die beklagte Partei nicht behauptet, sie wäre unverläßlich gewesen, legte das Poststück - es war bereits Postschluß - nicht wie beabsichtigt in das Postfach, damit es am folgenden Tag weitergeleitet werden konnte, sondern irrtümlich in eine falsche Ablage, weshalb der zuständige Referent erst im Rahmen der periodischen Überprüfung bemerkte, daß dieses Schriftstück nicht abgeschickt worden war. Der mit 7. 3. 1997 datierte Ergänzungsantrag langte aus diesem Grund erst am 28. 7. 1997 bei der beklagten Partei ein.

Wenn auch das Schriftstück erst mehr als drei Monate nach Ende der Antragsfrist aufgrund der periodischen Aktenüberprüfung wiederaufgefunden (und dann sofort weitergeleitet) wurde, liegt ein berücksichtigungswürdiger Grund iSd § 6 Abs 1 IESG vor.

Nachsicht ist jedenfalls zu gewähren, wenn ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt. Durch die Änderung des § 6 Abs 1 durch die IESG-Nov 1986 sollte die bis dahin bestandene Möglichkeit, die Folgen der Versäumung der Antragsfrist durch Wiedereinsetzung iSd § 71 AVG zu beseitigen, jedenfalls erweitert werden (Liebeg IESG2 228). Ein solcher Grund wäre hier gegeben. Unterläuft einer Kanzleikraft des Vertreters des Klägers, wozu selbstverständlich auch dessen Interessenvertretung zählt, ein Versehen, so ist dieses dem Kläger nur anzulasten, wenn der Vertreter die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes auch des Obersten Gerichtshofes liegt dann, wenn einem Angestellten, dessen Verläßlichkeit im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft dargetan wird, erst nach Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes nach Kontrolle desselben durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler unterlaufen ist, ein unvorhergesehenes Ereignis vor (in diesem Sinn auch Liebeg aaO 231 Rz 23).

Von einem Rechtsanwalt bzw hier dem zuständigen Sachbearbeiter kann nicht verlangt werden, daß er die tatsächliche Postabfertigung durch eine bisher verläßliche Kanzleikraft überprüft. Ein Grund sich besonders um die sofortige Abfertigung und Zustellung am nächsten Tag zu kümmern, bestand nicht, lief doch die Anmeldungsfrist - entgegen der irrigen Annahme der beklagten Partei - nicht am nächsten Tag ab, sondern stand noch ein voller Monat zur Anmeldung zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG.

Stichworte