OGH 1Ob175/99p

OGH1Ob175/99p5.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz M*****, und 2. Karl M*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Otto S*****, und 2. Edeltraud S*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 900.000), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. März 1999, GZ 14 R 185/98y-8, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2. Juni 1998, GZ 23 Cg 256/97d-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die beklagten Parteien vom Erbrecht nach der am ***** verstorbenen Amalia Maria P***** ausgeschlossen sind.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 151.836,20 (darin S 12.667,14 Umsatzsteuer und S 54.314 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die Neffen der am 31. Juli 1993 verstorbenen Erblasserin. Diese hat mehrere letztwillige Verfügungen errichtet: Am 10. April 1991 setzte sie eine verfahrensfremde Person unter bestimmten Auflagen zum Erben ein; dieses Testament enthält den Beisatz, daß Geld und Schmuck nicht vorhanden seien. Am 2. Jänner 1992 verfaßte sie eine letztwillige Verfügung, mit der sie das Testament vom 10. April 1991 für ungültig erklärte, festlegte, daß das Haus der "Familie...... (die Beklagten)" gehöre, das Geld "geteilt" werden solle, wobei eine bestimmt bezeichnete Person S 200.000 und die "Familie......(die Beklagten)" den "Rest" erhalten sollten, und schließlich zwei namentlich genannten Frauen jeweils ein bestimmtes Schmuckstück vermacht werde. Beide Testamente waren bei einem Notar hinterlegt, der sie nach dem Ableben der Erblasserin dem Gerichtskommissär übermittelte.

Am 24. Juli 1993 verfaßte die Erblasserin ein von ihr auch eigenhändig unterfertigtes weiteres Testament, in dem die beklagten Parteien unter bestimmten Auflagen als Erben eingesetzt wurden; gleichzeitig wurde ihnen aber die Verpflichtung auferlegt, an drei namentlich bezeichnete Personen je S 200.000 zu zahlen.

Nach dem Tod der Erblasserin nahmen die Beklagten (noch in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August 1993) verschiedene Schmuckstücke, zwei Sparbücher, das Testament vom 24. Juli 1993 und den Depotschein für ein Wertpapierdepot der Erblasserin, dessen Losungswort die Beklagten kannten, mit einem Einlagestand von S 500.000 an sich; diese Vermögenswerte und das Testament verhehlten sie dem Gerichtskommissär. In dem gegen sie geführten Strafverfahren (wegen Betrugs) verantworteten sie sich dahin, daß sie Erben nach der Erblasserin seien und diese in einem Testament angeführt habe, es sei weder Geld noch Schmuck vorhanden. Die Erblasserin habe den Beklagten auch mitgeteilt, daß diese nach ihrem Tod alle Wertsachen aus dem Haus entfernen sollten. Noch am 5. November 1993 leugneten sie dem Gerichtskommissär gegenüber, Schmuck oder Sparbücher aus dem Haus entfernt zu haben. Sie beantragten am 1. September 1993 beim Gerichtskommissär, im Haus der Erblasserin nach einem Testament Nachschau zu halten, das ihnen die Erblasserin zu Ostern 1993 gezeigt habe und in dem sie als Erben eingesetzt seien. Bei der Nachschau am 3. September 1993 fand der Gerichtskommissär zwar ein Sparbuch mit einem Einlagestand von S 35.000, jedoch keine weitere letztwillige Verfügung. Erst am 9. November 1993 legten die Beklagten dem Gerichtskommissär das Testament vom 24. Juli 1993 vor.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Oktober 1994 wurden die Beklagten des Vergehens des versuchten schweren Betrugs schuldig erkannt, weil sie in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August 1993 allen Schmuck der Erblasserin an sich gebracht und in der Folge dem Gerichtskommissär gegenüber vorgetäuscht hätten, es sei kein Schmuck vorhanden gewesen, wodurch zwei Vermächtnisnehmerinnen zur Unterlassung der Geltendmachung ihrer Vermächtnisansprüche veranlaßt werden sollten. Der Wert der mittels Legats zugedachten Armbänder betrug S 27.000 bzw S 8.500.

Die Kläger begehrten die Feststellung, den Beklagten stehe kein Erbrecht nach der Erblasserin zu. Dazu führten sie aus, die Beklagten hätten das Testament vom 24. Juli 1993 "unterdrückt" und damit ihr Erbrecht gemäß § 542 ABGB verwirkt. Die Kläger seien gesetzliche Erben nach der Erblasserin und hätten im Verlassenschaftsverfahren eine bedingte Erbserklärung abgegeben.

Die Beklagten wendeten ein, sie seien vom Strafgericht nicht wegen Unterdrückung eines Testaments verurteilt worden, sondern wegen Aneignung zweier Schmuckstücke, die Gegenstand eines Vermächtnisses gewesen seien. Das Testament vom 24. Juli 1993 hätten sie freiwillig vorgelegt, sodaß von einer Unterdrückung keine Rede sein könne. Ein weiteres Testament der Erblasserin, das diese den Beklagten zu Ostern 1993 vorgewiesen habe, sei verschwunden; in diesem habe die Erblasserin darauf hingewiesen, daß Schmuck und Geld nicht vorhanden seien. Die Beklagten seien dort als Erben eingesetzt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die Beklagten hätten zwar zunächst das Testament vom 24. Juli 1993 dem Gerichtskommissär deshalb nicht vorgelegt, weil sie hofften, es werde sich eine für sie günstigere letztwillige Verfügung finden, die Vorlage des Testaments am 9. November 1993 sei aber nicht vom Gerichtskommissär veranlaßt worden. In der verspäteten Vorlage könne keine Unterdrückung des letzten Willens der Erblasserin erblickt werden. Durch die Wegnahme der beiden Schmuckstücke hätten die Beklagten zwar dem Vermächtnis im Testament vom 2. Jänner 1992 zuwidergehandelt, doch sei daraus eine Erbunwürdigkeit im Sinne des § 542 ABGB nicht abzuleiten. Der Wille der Erblasserin sei, soweit er sich auf die Erbfolge beziehe, dadurch nicht vereitelt worden.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 260.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es legte zur Rechtsrüge dar, die Beklagten seien sowohl aufgrund des Testaments vom 2. Jänner 1992 wie auch aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 24. Juli 1993 zu Erben berufen worden. Durch die "Verbringung" des Testaments vom 24. Juli 1993 sei demnach nicht in die "von der Erblasserin beabsichtigte Erbfolge eingegriffen" worden. Durch die "Wegnahme" dieses Testaments hätte allerdings der Wille der Erblasserin, soweit er sich auf die darin angeführten Geldlegate beziehe, vereitelt werden können. Die Beklagten hätten das Testament jedoch noch vor Erstattung einer Strafanzeige, und zwar in einem frühen Stadium des Verlassenschaftsverfahrens und unter solchen Umständen, daß von einer Unterdrückung des Testaments im Sinne des § 542 ABGB nicht "ausgegangen" werden könne, vorgelegt. Durch die Wegnahme der Schmuckstücke, die erst bei einer Hausdurchsuchung aufgedeckt worden sei, habe nicht der auf die "Schmucklegate" gerichtete Wille der Erblasserin unterdrückt, sondern hätten die Vermächtnisnehmerinnen über die Durchsetzbarkeit ihrer Legate getäuscht werden sollen. Darin sei keine Erbunwürdigkeit im Sinne des § 542 ABGB zu erblicken.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zulässig und auch berechtigt.

Gemäß § 542 ABGB ist vom Erbrecht - unter anderem - ausgeschlossen, wer einen vom Erblasser bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat. Dieser Regelung liegt die Wertung zugrunde, daß, wer sich schwerer Verfehlungen gegen den Willen des Erblassers schuldig gemacht hat, aus dem Nachlaß nichts erhalten soll. Die Aufzählung der Erbunwürdigkeitsgründe im § 542 ABGB ist nicht erschöpfend; sanktioniert ist vielmehr jedwede Handlung oder Unterlassung in der Absicht, den Willen des Erblassers zu vereiteln. Voraussetzung ist somit vorsätzliches Verhalten des Täters (NZ 1985, 13 ua; Welser in Rummel, ABGB2 § 542 Rz 1 und 4; Eccher in Schwimann, ABGB2 § 542 Rz 1 und 3; Weiß in Klang2 III 108); nach den vorinstanzlichen Feststellungen fällt den Beklagten Vorsatz unzweifelhaft zur Last, haben diese das Testament vom 24. Juli 1993 doch nur deshalb an sich gebracht und dem Gerichtskommissär vorenthalten, weil sie hofften, daß eine für sie günstigere letztwillige Verfügung aufgefunden werde, in der sie zwar gleichfalls zu Erben eingesetzt, jedoch keine oder wenigstens geringere Vermächtnisse ausgesetzt wurden (Ersturteil, S. 6). Da sie jedoch angesichts des Gesundheitszustands der Erblasserin, vor allem aber mit Rücksicht auf die kurze Zeitspanne zwischen der Errichtung des unterdrückten Testaments und dem Ableben der Erblasserin nicht ernsthaft damit rechnen konnten, daß diese danach noch ein weiteres Testament errichtet habe, konnte sich ihre "Hoffnung" nur auf eine schon früher verfaßte letztwillige Verfügung beziehen, der sie dann durch Unterdrückung des Testaments vom 24. Juli 1993 Geltung verschaffen wollten. Das kann nicht bloß ihrer Verantwortung im Strafverfahren entnommen werden, sondern ergibt sich zwanglos auch aus dem von ihnen selbst im Rechtsstreit dafür ins Treffen geführten Motiv für die viele Monate hinausgezögerte Vorlage des Testaments: die Hoffnung, daß ein für sie günstigeres Testament aufgefunden werden würde, das ihrem eigenen Vorbringen zufolge bereits zu Ostern 1993 hätte vorhanden gewesen sein müssen (Klagebeantwortung, S. 6; Berufungsbeantwortung, S. 4). In der Klagebeantwortung bzw der Berufungsbeantwortung gestanden sie somit nachgerade zu, daß sie das frühere, für sie günstigere und damit durch die unterdrückte letztwillige Verfügung aufgehobene (§ 713 ABGB) Testament zu nützen gedachten, wäre es - wie sie hofften - zum Vorschein gekommen.

Unerheblich ist es, daß sie durch ihr Vorgehen nicht die Erbfolge selbst beeinflussen wollten, sondern den Willen der Erblasserin nur soweit zu vereiteln trachteten, als diese dritten Personen (beträchtliche) Vermächtnisse ausgesetzt hatte, manifestiert sich doch der letzte Wille des Erblassers auch in solchen Anordnungen (vgl Weiß aaO 108). Die mit der Unterdrückung des letzten Willens verbundene Erbunwürdigkeit der Beklagten wurde auch nicht dadurch beseitigt, daß sie das Testament vom 24. Juli 1993 letztlich doch dem Gerichtskommissär vorlegten, nachdem sie zur Überzeugung gelangt waren, daß ein für sie günstigerer letzter Wille nicht mehr aufgefunden werde, wären sie doch sonst Gefahr gelaufen, daß sie ihres Erbrechts verlustig gehen, zumal in der letztwilligen Verfügung vom 2. Jänner 1992, in der sie erstmals - mit umfassenden Legaten - bedacht wurden, und die dann maßgeblich gewesen wäre, wenn sie das Testament vom 24. Juli 1993 schließlich nicht doch vorgelegt hätten, keine Erben eingesetzt waren. Denn für die Verwirklichung des Tatbestands der Erbunwürdigkeit gemäß § 542 ABGB kommt es nicht darauf an, daß das Verhalten des Täters nicht zu dem von ihm gewünschten Erfolg führte; es genügt schon der Versuch (Welser aaO Rz 1; Weiß aaO 108). Selbst wenn man - mit Kralik (in Ehrenzweig, Erbrecht3, 39) - die tätige Reue (§ 226 StGB) als Grund für die Beseitigung der Erbunwürdigkeit gelten lassen wollte, wäre für die Beklagten damit nichts gewonnen, weil es am Erfordernis der "Freiwilligkeit" als innerer Umkehr (vgl Hager/Massauer in WienerK StGB §§ 15, 16 Rz 123) gebräche, haben die Beklagten doch selbst nach ihrem Vorbringen das Testament vom 24. Juli 1993 dem Gerichtskommissär erst vorgelegt, als sie befürchten mußten, daß sie sonst ihr Erbrecht überhaupt verlören; das gleiche gälte auch dann, wenn man die Rechtsfolgen des Rücktritts vom Versuch (§§ 15, 16 StGB) ins Spiel bringen wollte.

In Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist demnach dem Klagebegehren stattzugeben; dem Wortlaut des § 542 ABGB entsprechend ist dieses geringfügig umzuformulieren.

Der Ausspruch über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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