Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. März 1999, GZ 39 Vr 1119/93-124, verletzt das Gesetz im § 43 Abs 2 StGB sowie in dem in § 498 StPO und im XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.
Dieser Beschluß wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit dem seit 27. Jänner 1994 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. November 1993, GZ 39 Vr 1119/93-92, wurde der damals jugendliche Andreas T***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 und § 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung von § 28 StGB und § 5 Z 4 JGG zu sechseinhalb Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Ein Strafteil von fünfeinhalb Monaten wurde für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen (ON 105).
Wegen überwiegend innerhalb der Probezeit begangener, auch einschlägiger Straftaten verurteilte ihn das Landesgericht Innsbruck im Verfahren AZ 23 Vr 3691/93 sodann am 13. September 1994 (rechtskräftig am 17. September 1994) zu vier Monaten Freiheitsstrafe. Zugleich faßte der Einzelrichter gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf der im Vorurteil gewährten teilbedingten Strafnachsicht; die der Gerichtsabteilung 39 unverzüglich übermittelte Urteilsausfertigung wurde am 18. Oktober 1994 unter ON 118 einjournalisiert (663/II).
Obwohl dieser Widerrufsbeschluß auch in der eingeholten Strafregisterauskunft vom 19. Februar 1999 vermerkt ist (689 f/II), sprach das Landesgericht Innsbruck mit dem vom Staatsanwalt nicht bekämpften Beschluß vom 9. März 1999, GZ 39 Vr 1119/93-124, die endgültige Strafnachsicht aus (§§ 43 Abs 2 StGB, 497 Abs 1 StPO).
Dieser Beschluß steht im Sinne der dagegen von der Generalprokuratur gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde mit § 43 Abs 2 erster Satz StGB nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Darnach ist begriffliche Voraussetzung für die endgültige Strafnachsicht das Unterbleiben des Widerrufs. Diese essentielle Bedingung war hier angesichts des vom Landesgericht Innsbruck zuvor im Verfahren 23 Vr 3691/93 rechtskräftig beschlossenen Widerrufs nicht erfüllt.
Der Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck hat demnach im Verfahren 39 Vr 1119/93 durch den im Spruch bezeichneten Beschluß eine nicht mehr eröffnete Entscheidungskompetenz in Anspruch genommen.
Der Beschluß auf endgültige Strafnachsicht konnte weder den zuvor rechtskräftig beschlossenen Widerruf beseitigen, noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; die konstitutive Wirkung des Widerrufsbeschlusses blieb vielmehr unberührt.
Zur Klarstellung der Rechtslage war der verfehlte Beschluß gemäß § 292 letzter Satz StPO aufzuheben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)