OGH 6Ob51/99i

OGH6Ob51/99i15.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger ua Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Josef D*****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch ua Rechtsanwälte in Graz, wegen 314.916,47 S über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1999, GZ 4 R 229/98y-49, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. August 1998, GZ 16 Cg 57/96d-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit insgesamt 45.269,-- S (darin enthalten 5.336,50 S USt und 13.250,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei installierte in dem vom Beklagten gemieteten Geschäftslokal eine Beleuchtungs- und Alarmanlage, wofür sie dem Beklagten am 8. 9. 1995 insgesamt 542.017,32 S incl. USt abzüglich eines Sondernachlasses von 27.100,86 S und der Anzahlung von 200.000 S in Rechnung stellte. Mit Schreiben vom 4. 7. 1995, 18. 9. 1995 und 4. 12. 1995 machte der Beklagte jeweils Mängel der Anlage geltend. Das Herabfallen der ursprünglich mangelhaft befestigten Glasbruchsensoren führte zu Fehlalarmen. Als am 27. 5. 1996 beim Beklagten tatsächlich eingebrochen wurde, unterblieb eine Intervention der Polizei, weil ein neuerlicher Fehlalarm angenommen wurde. Der Beklagte beauftragte deshalb ein Bewachungsunternehmen, wodurch ihm Kosten von 22.437,20 S entstanden.

Die klagende Partei begehrte den restlichen Werklohn von 314.916,47 S. Der Beklagte habe zu Unrecht einen Austausch der Anlage begehrt. Ein Wandlungsanspruch stehe ihm nicht zu, weil die Mängel behebbar und im Verhältnis zur gesamten Anlage minimal seien. Der Beklagte habe eine Mängelbehebung abgelehnt. Die klagende Partei sei nach wie vor zur Mängelbehebung bereit.

Der Beklagte wendete zunächst die mangelnde Passivlegitimation ein. Diesen Einwand zog er im Verlauf des Verfahrens zurück. Weiters brachte er vor, daß eine Mängelbehebung hinsichtlich der Beleuchtungsanlage nur durch deren Gesamtaustausch möglich sei. Es sei eine andere als die bestellte Beleuchtungsanlage montiert worden. Die Alarmanlage funktioniere nicht und löse ständig Fehlalarm aus. Mängelbehebungsversuche der klagenden Partei seien gescheitert. Der Werklohn sei daher insgesamt nicht fällig. Die Kosten von 22.437,20 S für die Bewachung des Geschäftslokales wendete der Beklagte aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein.

In der Tagsatzung vom 26. 1. 1998 kamen die Parteien überein, daß die klagende Partei die im Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen aufgelisteten Mängel, deren Behebungskosten er mit insgesamt 30.000 S bezifferte, am 5. 2. 1998 beheben werde. Nach Durchführung der Verbesserungsarbeiten verblieben noch Mängel, deren Behebung einen Aufwand von 18.000 S incl USt erforderte. Im März oder April 1998 zog der Beklagte gegen Erhalt einer Ablösezahlung unter anderem für die Beleuchtungs- und Alarmanlage aus den Geschäftsräumlichkeiten aus.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit 296.916,47 S als zu Recht bestehend, die Gegenforderung mit 22.437,20 S als zu Recht bestehend und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 274.479,27 S sA. Das Mehrbegehren von 40.437,20 S sowie ein Zinsenmehrbegehren wies es rechtskräftig ab.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß dem Beklagten jegliches Interesse an der Verbesserung des Werkes verlorengegangen sei, weil er es inzwischen an Dritte veräußert und nicht einmal behauptet habe, daß er wegen der Mängel eine geringere Investitionsablöse erzielt oder sein Verbesserungsrecht überbunden habe. Er könne daher nicht weiter auf seinem Leistungsverweigerungsrecht bestehen. Die Klageforderung sei abzüglich einer Preisminderung von 18.000 S berechtigt. Die eingewendete Gegenforderung stehe dem Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zu.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Eine schikanöse Rechtsausübung seitens des Beklagten sei im Hinblick auf das Verhältnis des Verbesserungsaufwandes zum noch offenen Werklohn zu verneinen. Der Wegfall des Interesses des Beklagten an der Verbesserung sei nicht schon aufgrund der Veräußerung des Werkes anzunehmen. Die hiefür beweispflichtige Klägerin habe nicht einmal behauptet, daß der nunmehrige Eigentümer des Werkes eine weitere Verbesserung nicht mehr wünsche, etwa weil er auf Verbesserungsansprüche gegenüber dem Veräußerer verzichtet oder sich mit ihm anderweitig verglichen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Dem Besteller steht das auf der Mangelhaftigkeit des Werkes beruhende Leistungsverweigerungsrecht und damit der Einwand der mangelnden Fälligkeit des Werklohnes nur solange zu, als er noch ein Interesse an der Verbesserung hat. Es entspricht zwar der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß der Unternehmer den die Einrede der mangelnden Fälligkeit vernichtenden Umstand des Wegfalls des Verbesserungsinteresses des Bestellers - auch im Fall einer Veräußerung der mangelhaften Sache - behaupten und beweisen muß (8 Ob 1652/92 = eco 1993, 83). Die Tatsache der Veräußerung der mangelhaften Sache besagt grundsätzlich noch nicht, daß der nunmehrige Eigentümer eine Verbesserung nicht mehr in Anspruch nehmen werde, etwa weil er sich mit dem Werkbesteller und Voreigentümer auf eine Preisminderung geeinigt habe (vgl auch RdW 1984, 41). Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerberin deutet eine entsprechend hohe Ablösezahlung eher darauf hin, daß kein Preisabstrich wegen der Mängel der abgelösten Sachen vereinbart wurde und der Erwerber somit noch mit einer Verbesserung rechnet. Allein die Höhe der Ablösezahlung, zu deren Nachweis sich die klagende Partei auf einen Zeugen "N.N." berief, läßt noch keinen sicheren Schluß auf eine Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer über eine Preisminderung und ein daraus resultierendes mangelndes Interesse des Bestellers an der Verbesserung zu.

Ungeachtet der Veräußerung der mangelhaften Sache besteht ein Zurückbehaltungsrecht betreffend den Werklohn bis zur vollständigen Verbesserung jedenfalls dann nicht, wenn die Ausübung dieses Rechts zur Schikane ausartet (RdW 1997, 449 uva). Schikane liegt nach neuerer Rechtsprechung vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt, es also augenscheinlich im Vordergrund steht, oder auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht (EvBl 1993, 101 ua). Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits ausgesprochen, daß etwa bei einem Verbesserungsaufwand von 5 % des (noch offenen) Werklohns keine Schikane vorliege (EvBl 1993/101). Die Interessenabwägung ist aber nach den Umständen des Falles vorzunehmen (1 Ob 215/97t). Es kann daher keine "fixe Prozentsatzgrenze" im Verhältnis zwischen (restlichem) Werklohn und Verbesserungsaufwand geben (10 Ob 384/98p). Die Abwägung der Motive und Interessen der Streitparteien im vorliegenden Fall schlägt hier im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes zu Lasten des Beklagten aus:

Der noch verbleibende Verbesserungsaufwand beträgt zwar etwas über 5 % des noch nicht beglichenen Werklohnes, aber nur etwa 3 % des gesamten Werklohnes. Der zunächst eingenommene Prozeßstandpunkt des Beklagten, er habe ein Recht auf Austausch der gesamten Anlage, erwies sich ebenso als unhaltbar wie der von ihm erhobene Einwand der mangelnden Passivlegitimation, der erst nach entsprechendem Verfahrensaufwand zurückgezogen wurde. Eine Einigung über einen der klagenden Partei gewährten Verbesserungstermin kam erst nach zweijähriger Verfahrensdauer zustande. Kurz danach gab der Beklagte das Geschäftslokal überhaupt auf und ließ zumindest wesentliche Teile der Anlage dort zurück. Ungeachtet all dieser Umstände ist er nach wie vor nicht bereit, sich mit einem Preisabstrich für die noch verbliebenen Mängel zu begnügen und den seit Jahren offenen, relativ hohen Werklohnrest (abzüglich einer Preisminderung) zu begleichen. Die im Verhältnis zum Werklohn relativ geringen Verbesserungskosten (für die Beseitigung einiger geringfügiger optischer Mängel wie Klebstoffreste usw) lassen im vorliegenden Fall insbesondere mit der an den Tag gelegten Prozeßtaktik des Beklagten und die Aufgabe des gemieteten Geschäftslokals samt der darin befindlichen Anlage ungeachtet der grundsätzlichen Beweispflicht der klagenden Partei für ein mangelndes Interesse des Erwerbers an der Verbesserung des Werkes hier den Schluß darauf zu, daß der Beklagte den Kläger letztlich nur hinhält und versucht, seine Zahlungspflicht jahrelang hinauszuzögern.

Es war daher das Urteil des Erstgerichtes, das ohnehin eine entsprechende Preisminderung berücksichtigt hat, wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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