OGH 4Ob191/99p

OGH4Ob191/99p13.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** GmbH, *****, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. April 1999, GZ 4 R 62/99p-12, mit dem der Beschluß des Handelsgerichts Wien vom 5. Februar 1999, GZ 38 Cg 5/99t-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat 8/9 ihrer Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; 1/9 hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 5.586,12 S bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 931,02 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Beide Parteien vertreiben (ua) Zahnbürsten. Die Beklagte brachte die Zahnbürste "Mentadent C ADAPTOR" auf den Markt und vertreibt sie österreichweit. Die Rückseite der Verpackung ist wie folgt gestaltet:

Das flexible Gummifeld an den äußeren Rändern des Bürstenkopfs ist aus einem Thermoelastomer, einem synthetisch hergestellten Material, gefertigt.

Die Klägerin beantragt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptungen

a) die Zahnbürste "Mentadent C ADAPTOR" entferne wirklich gründlich Zahnbelag, sofern dadurch der Eindruck erweckt wird, die Zahnbürste "Mentadent C ADAPTOR" entferne Zahnbelag besser als andere Zahnbürsten,

b) die äußeren Borsten der Zahnbürste "Mentadent C ADAPTOR" seien in ein flexibles Kautschuk-Feld eingebettet,

c) die beweglichen Borsten der Zahnbürste "Mentadent C ADAPTOR" könnten sich so der Form der Zähne des Benützers anpassen und, indem sie Druck individuell nachgeben, könnten sie millimetergenau über interdentale Mikrofissuren gleiten und so Zahnbelag gründlicher entfernen sowie die bildliche Darstellung dieser Behauptung in der folgenden Form:

Die Werbung der Beklagten bringe zum Ausdruck, daß ihre Zahnbürste deutlich besser Zahnbelag entferne als andere Zahnbürsten. In Wahrheit bestehe kein Unterschied. Die Borsten seien nicht so flexibel und anpassungsfähig wie behauptet und graphisch dargestellt werde. Der Bürstenkopf werde nicht aus dem Naturprodukt Kautschuk erzeugt, sondern aus einem chemisch hergestellten Kunststoff. Auch insoweit sei die Werbung zur Irreführung geeignet.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Ihre Zahnbürste entferne wirklich gründlich Zahnbelag; ein Bezug zu anderen Zahnbürsten werde durch ihre Werbehauptung nicht hergestellt. Bei der Flexibilität und Beweglichkeit der äußeren Borsten gebe es eine "vom Hersteller angegebene Größenordnung von mehreren Millimetern" tatsächlich nicht. Die Abbildungen böten dafür auch keinerlei Anhaltspunkt. Damit werde nur die Funktionsweise der technischen Neuentwicklung dargestellt. Die Darstellung der Funktionsweise in besonders deutlicher, visuell überhöhter Form sei - auch bei den Produkten der Klägerin - üblich. Den beteiligten Verkehrskreisen sei bewußt, daß es sich dabei um keine detailgenaue und maßstabgetreue Wiedergabe handle. Durch den Hinweis auf ein "flexibles Kautschuk-Feld" werde nicht der Eindruck erweckt, daß es sich um ein Naturprodukt handle.

Das Erstgericht erließ die zu Punkt b) und c) beantragte einstweilige Verfügung; das zu Punkt a) erhobene Begehren wies es ab. Die Aussage, die Zahnbürste der Beklagten entferne wirklich gründlich Zahnbelag, stelle keinen Bezug zu den Produkten anderer Hersteller her. Die Aussage sei auch nicht zur Irreführung geeignet. Es werde damit keine Spitzenstellung behauptet. Irreführend sei hingegen die Aussage, die äußeren Borsten seien in ein flexibles Kautschuk-Feld eingebettet. Damit werde der tatsachenwidrige Eindruck erweckt, der flexible Teil der Zahnbürste sei aus einem Naturprodukt hergestellt. Daß sich der flexible Teil mühelos verformen lasse und sich so der Zahnoberfläche anpasse, sei ebenfalls irreführend, weil dazu eine Krafteinwirkung notwendig wäre, zu der es beim Zähneputzen nicht komme. Es treffe nicht zu, daß sich die äußeren Ränder des Bürstenkopfs der Zahnoberfläche anpaßten, ohne daß sich die Borsten verformten. Sowohl der Text als auch die Abbildung seien zur Irreführung geeignet.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es ergänzte die Feststellungen wie folgt:

Wird die Zahnbürste mit einer beim Zähneputzen üblichen Kraft von 300 g gegen ein Zahnprofil gepreßt oder vorwärts oder rückwärts über eine Zahnreihe bewegt, kommt es zu einer bei den jeweiligen Borstenbündeln unterschiedlichen Verformung des Borstenbodens bis zu rund 0,4 mm, wobei die Verformung proportional zur angewandten Kraft ist. Kautschuk ist die Bezeichnung für unvernetzte, aber vernetzbare (vulkanisierbare) Polymere mit gummielastischer Eigenschaft bei Raumtemperatur. Bei höheren Temperaturen und/oder unter Einfluß deformierender Kräfte zeigen Kautschuke viskoses Fließen. Kautschuke können bei geeigneten Bedingungen formgebend verarbeitet werden. Sie sind Ausgangsstoffe für die Herstellung von Elastomeren und Gummi. Kautschuke werden systematisch in Natur-Kautschuke und Synthese-Kautschuke unterteilt.

Aufgrund des ergänzend als bescheinigt angenommenen Sachverhalts erweise sich die Aussage, die äußeren Borsten seien in ein flexibles Kautschuk-Feld eingebettet und dadurch "beweglich", als richtig. Die Beklagte behaupte nicht, natürlichen Kautschuk zu verwenden. Mangels eines Hinweises auf die Umweltfreundlichkeit des verwendeten Materials bestehe auch keine Aufklärungspflicht. Die Behauptungen über die Wirkungsweise und ihre bildliche Darstellung seien zwar übertrieben. Bildliche schematische Darstellungen müßten aber überzeichnet sein, um verstanden zu werden. Dies sei auch für jedermann erkennbar. Sie seien, ebenso wie Reime oder Verse, milder zu beurteilen als andere Aussagen und nur selten streng auszulegen. Im vorliegenden Fall sei der Tatsachenkern - die Borsten sind beweglich und passen sich druckabhängig der Zahnoberfläche an - an sich wahr, wenn der angegebene Effekt auch nur in äußerst geringfügigem Ausmaß eintrete. Die bildliche Darstellung erwecke aber nicht den Eindruck, maßstabgetreu zu sein und die Wirkung der Borsten im richtigen Ausmaß wiederzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob bildliche Darstellungen milder zu beurteilen sind als Texte; der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, daß die Behauptung, die Zahnbürste der Beklagten entferne "wirklich gründlich" Zahnbelag, aus mehreren Gründen wettbewerbswidrig sei. Es werde damit ein Vorteil gegenüber den Zahnbürsten anderer Hersteller angepriesen, der in Wahrheit nicht gegeben sei. Darüber hinaus liege in der Aussage auch eine unzulässige Alleinstellungswerbung.

Die Ausführungen der Klägerin überzeugen nicht. Weder werden mit der beanstandeten Behauptung die Zahnbürsten anderer Hersteller herabgesetzt, noch nimmt die Beklagte damit für ihr Erzeugnis eine Spitzenstellung in Anspruch. Daß eine Zahnbürste "wirklich gründlich" Zahnbelag entferne, wird als Behauptung verstanden, eine Zahnbürste entwickelt zu haben, die die Zähne nicht bloß oberflächlich von Zahnbelag befreie, sondern eben wirklich gründlich. Damit wird die Vorstellung verbunden, die mit der Zahnbürste der Beklagten geputzten Zähne erweckten nicht bloß den Anschein, gut gereinigt zu sein, sondern seien tatsächlich frei von Zahnbelag. Daß nur die Zahnbürste der Beklagten derart wirkungsvoll sei, wird hingegen nicht ausgesagt.

Berechtigt sind die Ausführungen der Klägerin aber insoweit, als sie sich gegen die Auffassung des Rekursgerichts wendet, auch die beiden übrigen, von ihr beanstandeten Werbeaussagen seien nicht wettbewerbswidrig. Die Klägerin verweist auf die ständige Rechtsprechung, wonach der Werbende bei mehrdeutigen Aussagen stets die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß (ÖBl 1993, 161- Verhundertfachen Sie Ihr Geld mwN). Danach ist die Richtigkeit einer mehrdeutigen Aussage an jenem Sinngehalt zu messen, der ihr bei der für den Werbenden ungünstigsten Auslegung entnommen werden kann. Sie verstößt schon dann gegen § 2 UWG, wenn sie von einem nicht völlig unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise in einem Sinn verstanden wird, der den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht20 § 3 dUWG Rz 44).

Das trifft für die Werbebehauptung, die äußeren Borsten seien in ein flexibles Kautschuk-Feld eingebettet, zu. Ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird bei der Bezeichnung "Kautschuk-Feld" an das Naturprodukt Kautschuk und nicht an einen synthetischen Kautschuk denken. Die damit geweckte Assoziation zu "Natur" im Gegensatz zu "Chemie" ist geeignet, den Kaufentschluß zu beeinflussen. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird eine Zahnbürste vorziehen, die (wenigstens teilweise) aus einem natürlichen Rohstoff hergestellt ist. Da das "flexible Kautschuk-Feld" aber in Wahrheit ein Kunststoffprodukt ist, verstößt die Aussage gegen § 2 UWG.

Die Irreführungseignung der Aussagen über die Wirkungsweise der beweglichen Borsten hat das Rekursgericht mit der Begründung verneint, daß sie als Übertreibung erkannt und auf das richtige Maß zurückgeführt würden. Dem hält die Klägerin entgegen, daß die Werbeaussagen Versen oder Reimen nicht gleichgehalten werden könnten. Sie erweckten den Eindruck einer wissenschaftlichen Erläuterung und nicht einer nicht ernst gemeinten Übertreibung.

Der Klägerin ist zuzustimmen, daß die bildliche Darstellung die Ernsthaftigkeit der im Begleittext enthaltenen Aussagen nicht abschwächt, sondern unterstreicht. Die Zeichnungen erwecken den Eindruck, der Beklagten sei es gelungen, eine Zahnbürste zu entwickeln, die sich der Form der Zähne in optimaler Weise anpaßt. Zwar ist bei einer bildlichen Werbung eine gewisse Übertreibung schon durch die Art dieser Werbung begründet (s Baumbach/Hefermehl aaO § 3 dUWG Rz 62); das ändert aber nichts daran, daß sie einen zur Irreführung geeigneten Tatsachenkern haben kann. Anders als Werbeverse, deren einprägsame, suggestive Wortfassung dem Durchschnittspublikum leicht erkennbar macht, daß sie inhaltlich nichts Wesentliches aussagen und nicht wörtlich zu nehmen sind (ÖBl 1978, 64 - Jolly muß her; ÖBl 1994, 239 - Die Rad-Welt ums halbe Geld; Baumbach/Hefermehl aaO), können bildliche Darstellungen durchaus den Anschein erwecken, nur aus Gründen der besseren Verständlichkeit gewählt und grundsätzlich ernst gemeint zu sein.

Das trifft für die beanstandeten Zeichnungen zu: Sie lassen zwar vermuten, daß sie die Wirkungsweise der "beweglichen Borsten" etwas übertrieben darstellen; gleichzeitig erwecken sie aber durch die "wissenschaftliche" Art der Darstellung den Eindruck, dies nur deshalb zu tun, um anschaulicher zu sein. Zusammen mit dem Text erwecken sie den Anschein, daß die beschriebene Wirkung tatsächlich eintritt und dies jedenfalls in einem Ausmaß, das weit über der vom Rekursgericht festgestellten Verformung des Borstenbodens um bis zu rund 0,4 mm liegt.

Damit sind die bildlichen Darstellungen, ebenso wie der sie begleitende Text, zur Irreführung geeignet. Daß sie geeignet sind, den Kaufentschluß zu beeinflussen, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat demnach auch damit gegen § 2 UWG verstoßen.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin hat die zu Punkt a) und b) erhobenen Begehren mit jeweils 50.000 S, das zu Punkt c) erhobene Begehren mit 350.000 S bewertet. Sie ist daher mit 1/9 unterlegen; mit 8/9 hat sie obsiegt.

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