OGH 8Ob66/99k

OGH8Ob66/99k8.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Konkurssache der R*****, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler und Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwälte in Wien, Masseverwalter Dr. Johannes Leon, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gemeinschuldnerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15. Dezember 1998, GZ 28 R 236/98a-52, mit der der Rekurs der Gemeinschuldnerin gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 27. August 1998, GZ 6 S 2/97d-47 zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

In der Tagsatzung vom 29. 7. 1997 schloß die Gemeinschuldnerin mit ihren Gläubigern einen Zwangsausgleich ab. Das Erstgericht versagte mit Beschluß vom 27. 8. 1998 die Bestätigung des Zwangsausgleichs.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Gemeinschuldnerin gegen diesen Beschluß als verspätet zurück, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach dem Inhalt des vom Postzusteller unterfertigten Rückscheines sei die für die Gemeinschuldnerin bestimmte Ausfertigung dieses Beschlusses nach einem Zustellversuch am 9. 9. 1998 an der Anschrift der Gemeinschuldnerin unter Einlegung der Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach beim Zustellpostamt 1110 hinterlegt und noch an diesem Tag zur Abstellung bereit gehalten worden, sodaß bereits dieser Tag als Tag der wirksamen Zustellung anzusehen sei.

Der am 24. 9. 1998 zur Post gegebene Rekurs der Gemeinschuldnerin sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Gemeinschuldnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über ihren Rekurs aufzutragen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die entscheidende Rechtsfrage zu lösen sei, ob es zulässig sei, daß das Rekursgericht trotz Angabe eines Zustelltages im Rechtsmittel dieses ohne weitere Erhebungen im Sinn des § 526 Abs 1 ZPO als verspätet zurückweise. Aus dem im Original vorgelegten Kuvert jener RSb-Briefsendung, mit der die Zustellung erfolgt sei, ergebe sich eindeutig der 10. 9. 1998 als Hinterlegungs- und damit Zustelltag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof (JBl 1994, 264)hielt trotz Kritik der Lehre daran fest, daß eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO abzulehnen ist, wenn ein Rekurs aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (Kodek in Rechberger Komm ZPO § 527 Rz 5). Durch die Wertgrenzennovelle 1997 ist insoweit keine Änderung eingetreten (vgl die Übersicht bei Danzl, ÖJZ Sonderheft 5A/98 S 13 unten und S 19). Die Aussprüche des Rekursgerichtes sind daher zutreffenderweise aufgenommen worden, jedoch hält der Oberste Gerichtshof, der an den Spruch über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit gemäß § 526 Abs 2 zweiter Satz ZPO iVm § 171 KO nicht gebunden ist, den vorliegenden Revisionsrekurs für zulässig. Da nämlich gemäß § 502 Abs 1 bzw § 528 Abs 1 ZPO auch die Rechtssicherheit und die Rechtseinheit geschützt werden sollen, kann auch einem Fehler des Rechtsmittelgerichtes, der nicht zu grundlegenden Ausführungen des Obersten Gerichtshofes Anlaß bietet - wie etwa einem einfachen Rechen- oder sonstigen Denkfehler -, erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 bzw § 528 Abs 1 ZPO zukommen, liegt es doch nicht nur im Interesse der betroffenen Partei, sondern auch im allgemeinen Interesse, daß Fehlentscheidungen verhindert werden (Kodek aaO § 502 Rz 3). Um einen derartigen Fehler handelt es sich im vorliegenden Fall.

Vorauszuschicken ist, daß bei der Versagung der Bestätigung die individuelle Zustellung an die Beteiligten maßgeblich ist, da eine öffentliche Bekanntmachung nicht vorgesehen ist (EvBl 1963/326).

Das Rekursgericht hat den Rekurs entgegen den sich aus dem Akt ergebenden Indizien ohne nähere Prüfung nur aufgrund der Angaben des Zustellers am Rückschein für verspätet erachtet.

Der erstgerichtliche Beschluß wurde laut Abfertigungsvermerk des Gerichtes am 7. 9. 1998 abgefertigt, das Aufgabepostamt 1010 Wien stempelte die Sendung an die Gemeinschuldnerin - ebenso wie die an den Masseverwalter - aber erst mit 9. 9. 1998, 14.00 Uhr ab. Beim für die Gemeinschuldnerin zuständigen Postamt 1100 Wien erhielt die Sendung den Stempel 10. 9., 19.00 Uhr; auch die an den Masseverwalter gerichtete Sendung, für deren Zustellung das Aufgabepostamt 1010 Wien zuständig war, wurde dort mit 10. 9., 13.00 Uhr abgestempelt; an diesem Tag bestätigte auch die Kanzlei des Masseverwalters den Erhalt der Sendung.

Da erfahrungsgemäß Postsendungen in Wien, insbesondere solche, die von einem anderen Postamt als dem Aufgabepostamt zuzustellen sind, frühestens am nächsten Tag zugestellt werden bzw die Zustellung versucht und der Empfänger von der Hinterlegung verständigt wird, kann der Beschluß erst am 10. 9. 1998 für die Gemeinschuldnerin hinterlegt worden sein. Hiefür spricht auch der handschriftliche Hinterlegungsvermerk und Hinterlegungsstempel mit dem Datum 10. 9. 1998 auf dem Originalkuvert der RSb-Sendung. Der als Datum des Zustellversuches und Beginn der Abholfrist den 9. 9. 1998 nennende handschriftliche Vermerk des Zustellers am Rückschein, an dem sich das Rekursgericht ausschließlich orientiert hat, muß daher auf einem Versehen beruhen. Der an die Gemeinschuldnerin zuzustellende Beschluß kann frühestens am 10. 9. 1998 hinterlegt worden sein, woraus folgt, daß der am 24. 9. 1998 erhobene Rekurs rechtzeitig ist.

Demzufolge ist der angefochtene Beschluß ersatzlos zu beheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

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