OGH 15Os88/99

OGH15Os88/991.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aichinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hatixhe (Linda) und Safet P***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 und 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 7. Oktober 1998, GZ 11 Vr 965/97-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch der Angeklagten enthaltenden) Urteil wurden die (zur Tatzeit noch Jugendliche) Hatixhe (auch: Linda) P***** und (ihr Vater) Safet P***** der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 und 15 StGB (zu A.I.1. und 2.; Hatixhe P***** auch zu A.II.) sowie der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (zu B.) schuldig erkannt.

Danach haben

(zu A.) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet bzw zu verleiten getrachtet, die sie in einem 500.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, und zwar

I. Hatixhe und Safet P***** gemeinsam mit der abgesondert verfolgten Badema P***** (Großmutter bzw Mutter der Angeklagten) in Mattersburg, Eisenstadt und Wien verantwortliche Organe nachgenannter Versicherungsanstalten durch die falsche Behauptung, die Versicherte (Badema P*****) sei am 3. Februar 1997 verstorben, wobei sie zur Täuschung "falsche bzw verfälschte Urkunden bzw Beweismittel", nämlich eine ärztliche Bestätigung über das (behauptete) Ableben sowie einen Auszug aus dem Sterberegister der Gemeinde Prizren, benützten,

1. am 25. und 26. Februar 1997 die G***** Versicherung zur Auszahlung von 192.895 S und 197.046 S aus den Versicherungsverträgen mit den Polizzen-Nr. 10.720.728 und 10.725.818 verleitet, Gesamtschaden

389.941 S;

2. im Februar 1997 zu verleiten versucht, nämlich

a) die D***** Versicherung zur Auszahlung von 500.000 S aus dem Vertrag mit der Nr. 0.655.597-J-X,

b) die V***** Versicherungen zur Auszahlung von 505.216 S aus dem Vertrag mit der Nr. 81-4638397;

II. Hatixhe (Linda) P***** (überdies allein) zwischen 17. Dezember 1997 und 18. Jänner 1998 in Weppersdorf durch die Vorgabe, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Gast zu sein, Andrea B***** zur Überlassung eines Zimmers, Gesamtschaden 5.800 S;

(zu B.) Hatixhe und Safe P***** am 15. Oktober 1997 in der gegen sie vor dem Landesgericht Eisenstadt zum AZ 11 Vr 965/97-Hv 3/97 durchgeführten Hauptverhandlung die Polizeibeamten des Sicherheitsbüros Wien Thomas K*****, N. W***** und Günther G*****, die sie am 12. Mai 1997 am Gendarmerieposten Mattersburg vernommen hatten, dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung wegen einer mit ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten, von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung, nämlich des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 3 StGB, ausgesetzt, indem sie behaupteten, die Beamten hätten den Inhalt ihres Geständnisses in der Niederschrift erfunden und sie durch die Drohung, sie müßten unterschreiben, andernfalls würden sie verhaftet, erst nach zehn Jahren Gefängnis wieder freikommen und nach der Haft aus Österreich abgeschoben werden, zur Unterschriftsleistung gezwungen, sohin durch Drohung mit Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und anderer wichtiger Interessen zu einer Handlung genötigt, wobei sie wußten (§ 5 Abs 3 StGB), daß die behauptete Verdächtigung falsch ist.

Dagegen richten sich die von beiden Angeklagten aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO (in einer gemeinsamen Rechtsmittelschrift) erhobenen, jedoch unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst versagt die Verfahrensrüge (Z 4) gegen das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis (S 125 f/II), mit dem mehrere vom Verteidiger in der (gemäß § 276a StPO wegen Zeitablaufs neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 7. Oktober 1998 gestellte, auf die entscheidende Tatsache, daß Badema P***** wirklich am 3. Februar 1997 verstorben ist, gerichtete Anträge (S 221 ff/II) abgewiesen wurden.

Ihr ist vorweg zu erwidern, daß es nach ständiger Rechtsprechung zwar nicht notwendig ist, in jedem Beweisantrag zusätzlich darzulegen, warum eine begehrte Beweisaufnahme auch das vom Beschwerdeführer behauptete Ergebnis erbringen werde. In besonders gelagerten Fällen müssen aber zum Zwecke der von den Tatrichtern stets vorzunehmenden Relevanzprüfung sowie zur Hintanhaltung ungebührlicher Verfahrensverzögerungen und unzulässiger Erkundungsbeweise sehr wohl bei Antragstellung zudem jene konkreten Gründe angeführt werden, die - bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes - den in sie gesetzten, der Bereicherung der Wahrheitsfindung dienenden Erfolg erwarten lassen. Dabei hat die Antragsbegründung ein solches besonderes begleitendes Vorbringen umsomehr zu enthalten, je fraglicher die Brauchbarkeit der geforderten Verfahrensschritte im Lichte der bereits vorhandenen Gesamtheit der Beweisergebnisse einschließlich der wechselnden Verantwortungen der Angeklagten zu sein scheinen und je unerreichbarer (nach Lage der Umstände) die Beweisaufnahmen selbst sowie die intendierten Beweiszwecke sind (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19, 19b, 19bb, 19c, 19cc, 19d, 19dd, 83 jeweils mwN).

Im Sinne dieser von der Judikatur entwickelten Grundsätze haben es die Beschwerdeführer aber vorliegend unterlassen, bei Antragstellung substantiiert zu behaupten, warum - ungeachtet gewichtiger, dagegensprechender Beweise, vor allem ihrer am 12. Mai 1997 vor Beamten des Sicherheitsbüros Wien abgelegten übereinstimmenden (ausdrücklich als der Wahrheit bzw der Richtigkeit entsprechend bezeichneten) Geständnisse, wonach Badema P***** nicht verstorben sei, sondern nach wie vor gesund in Prizren lebe, der Sterbeurkunde, welche ein bekannter Arzt namens Dr. A***** gegen Überlassung eines Videorecorders gefälligkeitshalber ausgestellt habe, ihres Eingeständnisses, in Betrugsabsicht gehandelt zu haben (vgl S 13 ff und 19 f/I), sowie der in der Hauptverhandlung erörterten belastenden Detektivberichte des Franz M***** (ON 31, 32) iVm seiner gerichtlichen Zeugenaussage (S 99 ff/II) - bei Durchführung der begehrten Beweise dennoch hervorkommen könnte, daß Badema P***** zum angegebenen Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist.

Im einzelnen ist dazu ergänzend auszuführen:

1. Auf welche Weise die Überprüfung der Echtheit der Sterbeurkunde durch Anfrage bei der österreichischen Botschaft in Belgrad erfolgen und die diplomatische Vertretung Österreichs diese Erhebungstätigkeit durchführen sollte, bleibt im dunkeln.

2. Weshalb gerade die drei moslemischen Imami von Pristina, nämlich Hoxha, Belul-Vezia und Kemajl-Alia unter den aktenkundigen Umständen den Tod der Badema P***** vom 3. Februar 1997 in Prizren sowie die mangelnde Identität jener Frau auf dem vorgelegten Videoband bestätigen könnten (vgl S 57/II iVm US 23), läßt der Beweisantrag ebenfalls offen.

3. Angesichts des Eingeständnisses der Angeklagten, der Totenschein sei von einem Arzt namens Dr. A***** ausgestellt worden, der die Tote gar nicht persönlich gesehen habe (vgl S 15, 19, 302, 221, 247, 251, 255, 257/I iVm US 19), hätte es einer zielführenden und spezifischen Begründung bedurft, weshalb nunmehr ein Dr. Janos Ag*****, Gemeindearzt in Prizren, die Echtheit und Richtigkeit des Totenscheines bestätigen könne.

4. Ob Badema P***** (irgendwann) über ein erhebliches Vermögen verfügt hat, ist für die Wahrheitsfindung ohne Belang und bedurfte keiner Überprüfung durch den beantragten Zeugen, Rechtsanwalt Xherat

O. H*****. Zum vorgelegten "Namensregisters" vom 18. November 1997 (ersichtlich gemeint: S 367/I) hinwieder wird - abgesehen vom bisher Erwogenen - im Antrag nicht behauptet, der beantragte Rechtsanwalt könne aus eigener Wahrnehmung bezeugen, daß die im Namensregister angeführten Personen am (vorgeblichen) Begräbnis der Badema P***** wirklich teilgenommen haben.

Schließlich hätte es zur erfolgreichen Geltendmachung der Verfahrensrüge auch noch eines nachvollziehbaren Vorbringens bedurft, daß - unbeschadet der zufolge notorischer Krisenzustände im Kosovo zu erwartenden Schwierigkeiten und trotz der wenig erfolgversprechenden Interpolberichte (S 323, 457/I und US 24 f) - überhaupt oder zumindest in absehbarer Zeit die Vernehmung der ausländischen Zeugen und die Überprüfung der Urkunden im Rechtshilfeweg oder die Befragung der Zeugen vor dem erkennenden Gericht gewährleistet sind. Der bloße Hinweis, daß es einer Privatdetektei mit behördlicher Hilfe möglich war, vor Ort zu recherchieren (S 123 f/II), reichte hiefür nicht aus.

Soweit die Beschwerdeausführungen aber über die im Verfahren erster Instanz ins Treffen geführten Argumente hinausgehen, müssen sie - als prozessual verspätet vorgebracht - auf sich beruhen; denn die Erkenntnisrichter konnten nur auf das Vorbringen in der Hauptverhandlung Rücksicht nehmen. Zudem erweist sich die von der Beschwerde an die verweigerten Beweisaufnahmen geknüpfte hypothetische Schlußfolgerung, bei Stattgebung der Beweisanträge hätte zwangsläufig auch ein Freispruch vom Verleumdungsvorwurf erfolgen müssen, als nicht stichhältig.

Aus all diesen Gründen wurde daher die Aufnahme der beantragten Beweise - im Ergebnis - mit Recht abgelehnt. Dadurch wurden - der Beschwerde zuwider - Verfahrensgrundsätze weder hintangesetzt noch unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist.

Dem von der Mängelrüge (Z 5) pauschal und zudem urteilsfremd erhobenen Einwand, das Erstgericht stütze seine (in der Beschwerde nicht konkretisierten) Urteilsannahmen ausschließlich bzw überwiegend auf die belastende Aussage eines "Zeugen vom Hörensagen", weil Franz M***** keine persönlichen Wahrnehmungen darüber gemacht habe, ob die vom Angeklagten vorgelegten Urkunden gefälscht sind und Badema P***** tatsächlich noch am Leben ist, genügt es zu erwidern, daß die Tatrichter gemäß den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach ausführlicher und kritischer Hinterfragung der Ergebnisse einer Vielzahl subjektiver und objektiver Beweismittel die leugnenden Verantwortungen der Beschwerdeführer vor Gericht mit denkmöglicher Begründung als unglaubwürdig verworfen haben (vgl US 16 bis 25).

Der weitere Vorwurf einer Mißachtung der Grundsätze der MRK hinwieder geht schon deshalb ins Leere, weil weder die Angeklagten noch ihr gewählter Verteidiger in der Hauptverhandlung Anträge zur Bekanntgabe des Namens jenes "unmittelbaren Zeugen" und auf dessen persönliche gerichtliche Vernehmung gestellt haben (vgl insb S 117 und 119 unten/II). Andernfalls wäre ihnen bei Ablehnung eines darauf abzielenden begründeten Antrages die Rüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO offengestanden. Auf dem Umweg einer Mängelrüge kann dieses Versäumnis der Rechtsmittelwerber jedoch nicht nachgeholt werden (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 82 ff).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) schließlich greift nur wahllos drei Feststellungsteile über den gemeinsam gefaßten betrügerischen Tatplan (US 11 zweiter Absatz), die inhaltliche Unrichtigkeit der das Ableben der Badema P***** bestätigenden Sterbeurkunde (US 12 zweiter Absatz) und über das tatrichterliche Resümee betreffend den Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz der beiden Angeklagten (US 13 vierter Absatz) aus dem Gesamtzusammenhang des Urteilssachverhalts heraus. Sodann unterstellt sie anhand lediglich zweier isoliert aus den ausführlichen Depositionen des Franz M***** entnommener Sätze mit einem bereits in der Mängelrüge vorgebrachten Argument seiner Stellung als "Zeuge vom Hörensagen" in tendenziöser Weise, dessen in der Hauptverhandlung vorgebrachten Erhebungsergebnisse seines Mitarbeiters (eines Serben albanischer Abstammung) seien "schon allein auf Grund der allgemein bekannten ethnischen Probleme im Kosovo" nicht tatsachengetreu.

Solcherart werden indes keine den Akten zu entnehmende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen geweckt; vielmehr wird damit bloß nach Art einer unzulässigen Schuldberufung die schöffengerichtliche Beweiswürdigung kritisiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die zu den Schuldprüchen A. II. und B. keine Umstände deutlich und bestimmt bezeichnen, welche die angeführten Nichtigkeitsgründe bilden sollen, waren daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die zudem erhobenen Berufungen das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285i StPO).

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