OGH 3Ob80/98f

OGH3Ob80/98f28.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann S***** und 2. Annemarie S*****, vertreten durch Dr. Gisela Possnig-Fuchs und Dr. Peter Wasserbauer, Rechtsanwälte in Weiz, wider die beklagte Partei Christiana L*****, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwilligung in die Einverleibung eines Eigentumsrechtes, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13. Jänner 1998, GZ 2 R 232/97y-70, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 14. Juli 1997, GZ 17 Cg 160/93d-65, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens vor dem Berufungsgericht.

Text

Begründung

Die Beklagte und Karl L***** waren bis zur Scheidung ihrer Ehe am 19. 4. 1991 je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks 318/3 einer bestimmten Katastralgemeinde. Die Gesamtliegenschaft, zu der das Grundstück gehörte, war mit einem zugunsten der (am 2. 1. 1997 verstorbenen) Mutter der Beklagten im Grundbuch eingetragenen Wohnrecht und Ausgedinge, sowie einem Veräußerungsverbot, weiters mit zahlreichen Pfandrechten und Dienstbarkeiten belastet. Noch während aufrechter Ehe kamen die Beklagte und ihr Ehemann mit den Klägern überein, daß sie auf dem Grundstück 318/3 ein Ferienhaus zum Zweck der Vermietung an die Kläger errichten. Im Oktober 1988 übergaben die Kläger der Beklagten und ihrem Ehemann einen als "Pachtvorauszahlung" gewidmeten Betrag von S 100.000. Am 17. 5. 1989 unterfertigten die Vertragsparteien einen schriftlichen Mietvertrag, nach welchem die Kläger das auf dem Grundstück 318/3 von den Vermietern bis August 1989 außen, d.h. inklusive Fenster, Türen, Verputz, Treppe, Wasser- und Stromanschluß sowie Kläranlage fertigzustellende Haus samt Grundstück um monatlich S 2.000 und ab 20 Jahren Mietdauer um monatlich S 3.000, jeweils zuzüglich Betriebskosten, in Bestand nehmen. Im September 1989 übergaben die Kläger der Beklagten für die Finanzierung des Hausbaues einen weiteren Betrag von S 140.000.

Noch im Jahr 1989 wurden von der Beklagten und ihrem Ehemann der Rohbau errichtet, eine Zwischendecke eingezogen und ein Blindboden, der Dachstuhl, die Eindeckung, die Dachgaupe und die Dachrinnenentwässerung ausgeführt. Sie stellten auch Holz für die Fensterrahmen der Verkleidung zur Verfügung. Der Außenputz wurde auf drei Seiten des Hauses fertiggestellt, Eisenträger im Eingangsbereich eingezogen, eine Senkgrube errichtet und Strom zugeleitet. Die weiteren für die Fertigstellung des Hauses erforderlichen Arbeiten wurden ab September 1989 im Auftrag und auf Kosten der Kläger durchgeführt. Diese wendeten S 295.638,29 für Materialien und weitere S 35.000 für Arbeitskräfte auf; sie erbrachten Eigenleistungen im Wert von S 30.000. Der Wert der Liegenschaft samt Haus betrug im August 1989 S 816.940; davon entfiel ein Betrag von S 148.080 auf das Grundstück samt Aufschließung.

In einem am 15. 4. 1991 zur Vorbereitung der einvernehmlichen Scheidung abgeschlossenen Auseinandersetzungsvertrag vereinbarten die Beklagte und ihr Ehemann, daß für den Fall der Scheidung ihrer Ehe die Gesamtliegenschaft in das Alleineigentum der Beklagten übertragen werde und ihr der von den Klägern zu zahlende Mietzins allein zukomme.

Die Kläger brachten vor, sie hätten mit der Beklagten am 8. 5. 1991 einen Vertrag über den lastenfreien Kauf eines Grundstückes von 513 m**2 mit diesem Haus um S 140.000 geschlossen. Die Beklagte weigere sich jedoch, einen entsprechenden grundbuchsfähigen Vertrag zu unterfertigen. Die Kläger stellten das (bereits rechtskräftig abgewiesene) Begehren auf Unterfertigung eines inhaltlich bestimmten Kaufvertrags, weiters das Eventualbegehren, die Beklagte sei schuldig, ihre Einwilligung zu erteilen, daß nach grundbücherlicher Durchführung des Vermessungsplanes des DI Michael S***** vom 8. 5. 1991, GZ 4839, das Grundstück Nr 318/9 von der Einlage, in der es enthalten ist, abgeschrieben, hiefür eine neue Einlage eröffnet und in dieser das Eigentumsrecht für sie (Kläger), je zur Hälfte einverleibt werde.

Die Beklagte wendete ein, es sei zu keiner Einigung über Kaufpreis sowie über die einzelnen Vertragspunkte, wie Art und Weise der Bezahlung des Kaufpreises, Größe der Grundfläche, Umfang der Dienstbarkeit, gekommen. Eine Vereinbung mit einem Gesamtkaufpreis von S 140.000 sei wegen Irrtums und leasio enormis nicht rechtswirksam. Sie fühle sich nicht mehr an einen Verkauf des Gesamtobjektes gebunden, weil über einen angemessenen Kaufpreis keine Einigung erzielt worden sei. Es liege Dissens vor, weil der Erstkläger der Meinung sei, vom Verkauf sei nicht das Haus, sondern nur die Grundfläche umfaßt.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren statt; neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest:

Am 22. 4. 1991 ging die Beklagte in die Kanzlei der Rechtsanwältin der Kläger und teilte mit, daß sie das vom Erstkläger gewünschte Grundstück zu verkaufen beabsichtige. Anhand eines mitgebrachten Planes des DI Michael S***** vom 27. 7. 1990 erklärte die Beklagte, eine geringfügig kleinere Grundfläche als ursprünglich mit dem Erstkläger vereinbart, verkaufen zu wollen, dafür jedoch statt S 150.000 nur S 140.000 zu verlangen. Sie erklärte ihre ausdrückliche Einwilligung zum Verkauf des Grundstücks in der kleineren Fläche, zur Einräumung des Wegerechts, des Wasserleitungs- und Wasserbezugsrechts sowie der Strombezugsmöglichkeit und der lastenfreien Übergabe des Grundstücks an den Erstkläger. Am 23. 4. 1991 erklärte der Erstkläger seiner Rechtsanwältin, hiemit einverstanden zu sein. In der Folge einigten sich die Parteien auf einen Kaufpreis von S 140.000 für das Grundstück. Die Beklagte sagte, daß das Haus ohnehin den Klägern gehöre, weil sie es gebaut hätten.

Bei der Vermessung des Grundstücks am 8. 5. 1991 erklärte die Beklagte, einen noch kleineren Teil, als bereits von ihr zugesagt, an die Kläger verkaufen zu wollen. Die Kläger waren hiemit bei gleichbleibendem Kaufpreis von S 140.000 einverstanden. Daraufhin wurde diese Fläche nach den Angaben der Beklagten im Einverständnis mit den Klägern vermessen.

Später teilte die Beklagte den Klägern mit, nicht mehr an einem Verkauf interessiert zu sein. Am 18. 12. 1991 erklärte sie vor dem Bezirksgericht Weiz, sie habe das Grundstück an die Kläger verkauft, stehe jedoch nun nicht mehr dazu und lasse sich ihr Grundstück nicht wegnehmen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, da nicht hinsichtlich aller Punkte des Kaufvertrags Einigung erzielt worden sei, hätten die Kläger keinen Anspruch auf Unterfertigung des Kaufvertrags; das Hauptbegehren sei daher abzuweisen. Da bei der Vermessung am 8. 5. 1991 mündlich eine Einigung zwischen den Parteien über den Verkauf des Grundstückes 318/9 an die Kläger gegen Bezahlung von S 140.000 zustandegekommen sei, liege ein rechtsgültiger Kaufvertrag vor. Eine Einigung über den Kauf des benachbarten Grundstücks sei nicht Bedingung für das Zustandekommen dieses Kaufvertrags gewesen. Das damals im Grundbuch einverleibte Veräußerungsverbot habe auf den rechtsgültigen Abschluß des Kaufvertrags keinen Einfluß gehabt. Aufgrund des Ablebens der Verbotsberechtigten am 2. 1. 1997 bestünden nun auch keine rechtlichen Hindernisse gegen die Einverleibung des Eigentumsrechts der Kläger. Die Beklagte sei nicht berechtigt, vom Vertrag wegen Irrtums über den Verkehrswert der Liegenschaft zurückzutreten, weil der Irrtum über den Verkehrswert der Sache kein Geschäftsirrtum sei. Der gemeine Wert einer Sache zähle nicht zu ihren Eigenschaften. Ein Wertirrtum sei nur im Rahmen der laesio enormis zu berücksichtigen. Der Einwand der laesio enormis bestehe jedoch nicht zu Recht, weil die Beklagte ein Grundstück, das einen Bodenwert von S 102.080 und Aufschließungen im Wert von S 46.000 aufweise, um S 140.000 verkauft habe.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten das Ersturteil dahin ab, daß auch das Eventualbegehren abgewiesen wurde; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und die ordentliche Revision "angesichts der vorliegenden und zitierten Judikatur" nicht zulässig sei. Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus, nach den Feststellungen des Erstgerichtes hätten sich die Parteien über den Verkauf eines Trennstückes eines Grundstückes der Beklagten, auf dem das von den Klägern vermietete Haus bereits errichtet war, um S 140.000 geeinigt. Daß sich die Parteien über den Kauf des Grundstückes samt Haus um einen Kaufpreis von S 140.000 geeinigt hätten, lasse sich den Feststellungen des Erstgerichtes nicht entnehmen. Beide Parteien hätten für die Errichtung des zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bereits bestehenden und von den Klägern in Bestand genommenen Hauses umfangreiche Aufwendungen und finanzielle Beiträge geleistet. Da das Eigentum an diesem Gebäude dem Eigentum am Grundstück folge, weil das Gebäude unselbständiger Bestandteil des Grundstückes werde (§§ 417 ff ABGB), sei die Beklagte unbeschadet der auch von den Klägern zur Errichtung des Hauses geleisteten finanziellen Beiträge als Eigentümerin des Gebäudes anzusehen. Davon ausgehend habe sämtlichen Vertragsparteien bei den Verhandlungen klar sein müssen, daß Vertragsgegenstand nur die Gesamtliegenschaft, d.h. das Grundstück samt Haus und nicht nur das Grundstück allein, sein konnte. Es könne daher allein aufgrund der Festsetzung des bestimmten Kaufpreises für ein Trennstück eines zur Liegenschaft der Beklagten gehörigen Grundstückes, ohne Berücksichtigung des darauf befindlichen Gebäudes, nicht auf ein Einverständnis der Beklagten zum Verkauf des Grundstückes samt Gebäude an die Kläger geschlossen werden. Einen solchen Schluß lasse auch die vom Erstgericht in seinen Feststellungen wiedergegebene Äußerung der Beklagten, nach der das Haus den Klägern gehöre "weil sie es gebaut hätten", nicht zu, weil diese Äußerung nicht erkennen lasse, daß die Beklagte tatsächlich bereit gewesen sei, das Grundstück samt Haus um einen Preis von S 140.000 an die Kläger zu verkaufen.

Weiters sei auch die Grenzziehung unklar. Die Handlungen der Beklagten ließen nicht erkennen, daß sie tatsächlich gewillt gewesen sei, das von einem Geometer vermessene Trennstück ihres Grundstückes samt dem darauf errichteten Gebäude um S 140.000 an die Kläger zu verkaufen. Sie habe auch nicht bindend erklärt, einen Kaufvertrag über den Vertragsgegenstand - Grundstück samt Haus - abzuschließen. Der fehlende Bindungswille der Beklagten und die Nichterfüllung der Bestimmtheitserfordernisse ließen daher selbst unter Zugrundelegung der erstrichterlichen Feststellungen nur den rechtlichen Schluß zu, daß zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustandegekommen sei. Damit erübrigten sich eine weitergehende Behandlung der Tatsachen(Feststellungs-)rüge der Beklagten und auch eine Erörterung der auf dem vorgesehenen Kaufgegenstand im Grundbuch einverleibten Belastungen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der rechtlichen Beurteilung, wann Bindungswillen und Bestimmtheit als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Kaufvertrags zu bejahen sind, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Zum Zustandekommen eines Kaufvertrags genügt grundsätzlich die Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand (Aicher in Rummel, ABGB**2 Rz 2 zu § 1054; Binder in Schwimann, ABGB**2 Rz 22 zu § 1054, jeweils mit Hinweisen auf die Rsp). Die Ansicht des Berufungsgerichtes, nach den Feststellungen des Erstgerichtes hätten sich die Parteien über den Kauf des Grundstückes samt Haus um einen Kaufpreis von S 140.000 nicht geeinigt, ist verfehlt. Hier bestand das alleinige Interesse der Kläger darin, das mit ihrer maßgeblichen finanziellen Beteiligung errichtete Gebäude zu erwerben, wozu auch der Erwerb der entsprechenden, auch die unmittelbare Umgebung umfassenden Grundfläche erforderlich war. Die zwingende Bestimmung des § 297 ABGB, wonach das Gebäude unselbständiger Bestandteil ist, sollte in keiner Weise durch eine (unzulässige: SZ 61/171; JBl 1985, 751; NZ 1977, 26 ua) Vereinbarung abgeändert werden. Das Berufungsgericht übergeht mit seiner Annahme, es sei ein Kaufpreis nur für das Grundstück, ohne Berücksichtigung des darauf befindlichen Gebäudes, festgesetzt worden, den maßgeblichen und vom Erstgericht eingehend festgestellten Umstand, daß die Kläger für die Errichtung des Bauwerks bereits früher erhebliche Investitionen getätigt hatten. Es kann daher bei dieser Sachlage auf Grundlage der - vom Berufungsgericht nicht überprüften - erstgerichtlichen Feststellungen keine Rede davon sein, daß sich der festgesetzte Kaufpreis nur auf das Grundstück ohne Gebäude beziehen würde und aus diesem Grund überhaupt kein bestimmter Kaufpreis für die Liegenschaft, d.h. Grundstück mit Gebäude, vereinbart worden wäre. Für eine Ausklammerung des Gebäudes aus dem Kaufvertrag bietet der übereinstimmende Parteiwille keinen Anhaltspunkt. Vielmehr ging es gerade darum, die Eigentumsverhältnisse durch einen Grundfläche und Gebäude einheitlich erfassenden Kaufvertrag und die danach folgende grundbücherliche Durchführung klar zu begründen.

Soweit das Berufungsgericht weiters das Zustandekommen des Vertrages deshalb verneint, weil die Grenzziehung unklar gewesen sei und weil der Bindungswille der Beklagten fehle, kann dies auf Grundlage der erstrichterlichen Feststellungen nicht nachvollzogen werden.

Da das Berufungsgericht ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht die Behandlung der Tatsachenrüge unterlassen hat, ist dem Obersten Gerichtshof eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das Berufungsgericht wird nach Behandlung der Tatsachenrüge eine neuerliche Entscheidung zu treffen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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