OGH 15Os67/99 (15Os68/99)

OGH15Os67/99 (15Os68/99)24.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aichinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Murat B***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall und Abs 4 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Jänner 1999, GZ 6 c Vr 9331/98-58, sowie über die Beschwerde gemäß § 498 Abs 3 StPO des Angeklagten gegen den unter einem gefaßten Widerrufsbeschluß gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen staatsanwaltschaftlichen Verfolgungsvorbehalt des Angeklagten gemäß § 263 Abs 2 StPO zweier in der Hauptverhandlung hervorgekommener Taten, auf welche die Anklage mündlich ausgedehnt wurde - S 537 f/II - enthaltenden) Urteil wurde Murat B***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt, weil er zwischen Anfang Oktober und 10. November 1997 den bestehenden Vorschriften zuwider "große Mengen an Suchtgiften" gewerbsmäßig in Verkehr setzte, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, und zwar

1. durch Verkauf von zumindest 250 Gramm Kokain (137,3 Gramm Reinsubstanz) an unbekannt gebliebene Abnehmer und

2. durch Übergabe von ca 10 kg Haschisch (900 Gramm THC Reinsubstanz) an Mükremin Ö*****, wovon dieser in weiterer Folge ca 4 kg an den abgesondert verfolgten Christian S***** übergab.

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 5a, (nominell auch) 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde versagt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5), die zwei isoliert herausgegriffene Feststellungsausschnitte (US 6 und US 7 jeweils 2.Absatz) als undeutlich kritisiert, ergibt sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe unmißverständlich, daß sowohl die (über Naser ["Nero"] E***** vermittelte) Einlagerung ("Bunkerung") von vorerst ca 8 kg Haschisch bei Mükremin Ö***** als auch die Lieferung von 50 Gramm ungestrecktem Kokain durch Ö***** an E***** jeweils im Auftrag des Angeklagten erfolgt sind.

Der weitere, erneut nur einzelne Feststellungsteile berücksichtigende Beschwerdevorwurf hinwieder, der Angeklagte habe sohin zumindest 10 kg Haschisch guter Qualität mit einem Reinheitsgehalt von 9 % (zu ergänzen: insgesamt daher 900 Gramm THC) sowie 42,7 Gramm Kokain mit 79,1 % Reinheitsgehalt (zu ergänzen: und zumindest weitere 217,3 Gramm Kokain mit 50 % Reinheitsgehalt) in Verkehr gesetzt (US 8), sei offenbar unbegründet, weil das Urteil nicht feststelle, daß auch die anläßlich einer Hausdurchsuchung bei Mükremin Ö***** sichergestellten und dem Nichtigkeitswerber zugerechneten Suchtgiftmengen (nämlich brutto 3.749,9 Gramm Haschisch mit 9 % Reinheitsgehalt und netto 42,7 Gramm Kokain mit 79,1 % Reinheitsgehalt) von diesem stammten oder über dessen Veranlassung bzw unter dessen Mitwirkung in die Gewahrsame des Ö***** gelangt seien, berührt keinen entscheidenden (also weder für die Schuldfrage noch für den konkret angewendeten Strafsatz maßgebenden) Umstand. Denn es ergibt sich schon aus der - wie noch ausgeführt werden wird - mängelfrei begründeten Weitergabe von insgesamt 9 kg Haschisch guter Qualität an Thomas K***** und Christian S***** (US 7 f), daß der Beschwerdeführer ein solches Quantum in Verkehr gesetzt hat, welches die gemäß Anhang V der mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Suchtgift-Grenzmengenverordnung, BGBl II 1997/377, normierte große Menge (Grenzmenge) von 20 Gramm THC um das Vierzigfache überschritten hat.

Davon abgesehen hat das Erstgericht als erwiesen angenommen, daß Ö***** vorerst eine Menge von ca 8 kg Haschisch bekam (US 6 2. Absatz), der Angeklagte ihm (Ö*****) daraufhin (eine nicht konkretisierte Menge) Kokain (US 6 3.Absatz) übergab, Ö***** am 2. November 1997 vom Angeklagten erneut 200 Gramm Kokain zur Aufbewahrung bekam (US 6 letzter Absatz), in der Folge der Angeklagte die laufenden Suchtgiftverkäufe bestimmte, wobei die Verrechnung zwischen den - dem Ö***** großteils unbekannten - Abnehmern und dem Angeklagten erfolgte (US 7 1.Absatz). Daraus erhellt deutlich genug, daß auch die sichergestellten Suchtgiftmengen vom Nichtigkeitswerber stammten und ihm daher mit Recht zugerechnet wurden.

Zur Kokainmenge von 42,7 Gramm ist zusätzlich darauf hinzuweisen, daß nach den (durch die für glaubwürdig beurteilte Aussage des Zeugen Ö***** - S 279 f/I - gesicherten und daraus vom Schöffengericht denkmöglich abgeleiteten) Urteilsannahmen und -erwägungen (US 8, 9, 11, 12, 13) der Beschwerdeführer auch dieses von ihm an Ö***** gelieferte Suchtgiftquantum zusammen mit den übrigen (im Zweifel aus einer anderen Lieferung stammenden) 207,3 Gramm Kokain, somit insgesamt zumindest 250 Gramm, bereits an unbekannt gebliebene Abnehmer verkauft und demnach erfolgreich in Verkehr gesetzt hat.

Unberechtigt sind alle jene Einwände (I.1.d., e., f. und g. der Beschwerdeschrift), wonach die erstgerichtlichen Feststellungen sowohl zur subjektiven Tatseite im allgemeinen (US 12 3.Absatz) als auch zur Gewerbsmäßigkeit (US 6 1.Absatz, 8 4.Absatz, 12 4.Absatz, 14 2. Absatz), zum Wissen des Angeklagten um Art und Qualität des Suchtgiftes sowie um den beim wiederholten Verkauf auch kleinerer Suchtgiftmengen eintretenden Additionseffekt (US 8 4.Absatz, 13 letzter Absatz sowie 14 1. und 3.Absatz) im besonderen teilweise ohne Begründung, teils offenbar unbegründet oder nur scheinbegründet geblieben seien.

Demgegenüber haben die Erkenntnisrichter alle für die Erfüllung des aktuellen Suchtgiftverbrechens erforderlichen spezifischen Vorsatzkomponenten gemäß den Regeln der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) aus insgesamt tragfähigen Beweisergebnissen mängelfrei begründet, indem sie neben den aus zwei rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren wegen wiederholter einschlägiger Suchtgiftdelinquenz gemachten Erfahrungen des Nichtigkeitswerbers (US 5 f, 11 2.Absatz) auch den (hier) wiederholten Verkauf großer Mengen verschiedener Suchtgifte innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes ohne Eigenbedarf in ihren Erwägungen berücksichtigten. Vor allem aber glaubten sie den ausführlich und kritisch hinterfragten, teilweise auch durch objektive Beweise erhärteten Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Belastungszeugen Mükremin Ö***** und Thomas K***** sowie der geständigen Verantwortung des (seinerzeitigen) Mitangeklagten Christian S***** (US 9 ff). Gerade daraus hat das Erstgericht die äußeren Handlungsabläufe (z.B.: Lieferung der inkriminierten Suchtgiftmengen, telefonische Anweisungen des Beschwerdeführers an Ö***** zur Verteilung bestimmter Suchtgiftquanten an teils bekannte Zwischenhändler, teils unbekannt gebliebene Abnehmer; direkte Verrechnung zwischen diesen und dem Angeklagten), die der Rechtsmittelwerber naturgemäß nur vorsätzlich steuern konnte, mit denkmöglicher und zureichender Begründung erschlossen.

Als nicht zielführend erweist sich schließlich das weitwendige Beschwerdevorbringen (I.1.h.), mit dem im wesentlichen bloß nach Art einer unzulässigen Schuldberufung mit eigenen Überlegungen getrachtet wird, anhand von weiteren Zeugenaussagen die Beweiskraft der von den Tatrichtern als glaubwürdig angesehenen, sich selbst und den Beschwerdeführer belastenden Aussage des Zeugen Thomas K*****, vom Angeklagten 5 kg Haschisch bekommen und dieses danach selbst in Verkehr gesetzt zu haben, zu erschüttern. Alle in der Beschwerde dazu angeführten Zeugen wurden in den Urteilsgründen nicht nur namentlich erwähnt (US 4), sondern auch deren (mangelnder) Beweiswert zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) erörtert, ohne dabei für den Rechtsmittelwerber sprechende entscheidende Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (US 10 f). Eine noch ausführlichere Auseinandersetzung mit ihren Depositionen ist daher mit Recht unterblieben.

Auch mit der Tatsachenrüge (Z 5a) unternimmt der Beschwerdeführer bloß den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung, indem sie ausschließlich inhaltsgleiche Argument der Mängelrüge wiederholt und - wie dargelegt - zum urteilskonträren Schluß gelangt, die Aussagen der von ihr als Entlastungszeugen angeführten Personen seien glaubwürdig, während sie die Beweiskraft der Belastungszeugen Ö*****, S***** und K*****, dem Feindschaft als Motiv seiner angeblichen Falschbezichtigung des Beschwerdeführers unterstellt wird, verneint. Solcherart werden indes auf Aktengrundlage keine schwerwiegenden Bedenken gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen geweckt.

Soweit der Beschwerdeführer, nominell gestützt auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO, den im Urteil ausgesprochenen Verfolgungsvorbehalt bekämpft, genügt der Hinweis, daß dieser nicht gesondert anfechtbar ist (JBl 1988, 535; 15 Os 123/90; Mayerhofer StPO4 § 263 E 109). Allfällige Einwände in Richtung eines Erlöschens des Verfolgungsrechtes mangels ausdrücklicher Antragstellung des Anklägers im ersten Verfahrensgang können nur im weiteren Verfahren über die bezüglichen Anklagepunkte berücksichtigt werden. Der vom Nichtigkeitswerber vermißte ausdrückliche Antrag des Anklagevertreters auf Verfolgungsvorbehalt war im übrigen entbehrlich, weil schon die Anklageausdehnung begrifflich dieses Begehren enthält (vgl Mayerhofer aaO E 42).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder bringt den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Hiefür wäre nämlich nicht nur ein striktes Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt (ohne Weglassung von festgestellten Tatsachen oder Hinzufügen nicht konstatierter Umstände) erforderlich, sondern auch der ausschließlich auf dessen Basis geführte Nachweis, daß dem Erstgericht bei der darauf angewendeten Strafnorm ein Rechtsirrtum unterlaufen ist.

Entgegen diesen prozessualen Erfordernissen bestreitet die Beschwerde

Insoweit der Beschwerdeführer aber - von urteilsfremden Prämissen ausgehend und ohne konkreten Sachverhaltsbezug inhaltlich - eine Aufspaltung der verschiedenen Suchtgiftarten und damit seine (getrennte) Verurteilung auch wegen des Inverkehrsetzens von zumindest 250 Gramm Kokain mit insgesamt 137,3 Gramm Reinsubstanz gemäß § 28 Abs 2 vierter Fall SMG fordert, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu seinem Vorteil ausgeführt, weil ihn diesfalls ein weiteres (realkonkurrierendes) Suchtgiftverbrechen belasten würde. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren hiezu erhobenen Beschwerdeargumente (zum Begriff "ein Suchtgift" siehe im übrigen Foregger-Litzka-Matzka SMG Komm Anm. III.2.; Hochmayr in "Zusammenrechnung verschiedener Suchtgifte bei § 28 SMG?" in RZ 1999, S 111 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als unzulässig schon bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

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