OGH 7Ob296/98z

OGH7Ob296/98z23.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, reg.Gen.m.b.H, ***** vertreten durch Dr. Tassilo Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Lucia L*****, und 2.) Jakob L*****, beide vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,508.815,24 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Juli 1998, GZ 14 R 258/97g-43, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. September 1997, GZ 8 Cg 142/95a-37, teilweise bestätigt wurde, sowie über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den in das Teilurteil aufgenommenen Beschluß des Berufungsgerichtes, womit das Urteil des Erstgerichtes teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.084,92 (darin enthalten S 3.680,82 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten erwarben je zur Hälfte eine Liegenschaft und übernahmen ein dem Voreigentümer seitens der klagenden Partei eingeräumtes "Zwischendarlehen" betreffend dessen Bausparvertrag. Die Beklagten unterfertigten die von der klagenden Partei übermittelte Schuldübernahmeerklärung und einen Antrag auf Übernahme des Bausparvertrages des Voreigentümers. Die Erstbeklagte unterfertigte weiters einen Antrag auf Abschluß einer Restdarlehensschuldversicherung bei der W***** Lebensversicherungs AG. Der Abschluß einer solchen Versicherung war im Übernahmevertrag vorgesehen. Sämtliche Verträge wurden hinsichtlich des damals noch mj. Zweitbeklagten pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Die Versicherungsprämien wurden von der klagenden Partei vereinbarungsgemäß vorgestreckt. In diesem Umfang wurde das Darlehenskonto der Beklagten belastet. Die Prämien wurden seitens des Versicherers unter Berücksichtigung eines Risikozuschlages von 10,1 %o der Versicherungssumme berechnet, weil bei der Erstbeklagten aufgrund einer Information einer anderen Versicherungsunternehmung ein erhöhtes Gesundheitsrisiko angenommen wurde. Ob die Erstbeklagte das diesbezügliche Informationsschreiben der W***** Lebensversicherungs AG erhielt, kann nicht festgestellt werden. Eine Versicherungspolizze wurde der Vereinbarung entsprechend nicht ausgestellt. Aus den dem Erstbeklagten jährlich übermittelten Kontoauszügen ging unter anderem auch die Höhe der von der klagenden Partei beglichenen und zu Lasten des Kreditkontos gebuchten Versicherungsprämien hervor. Auf dem Kreditkonto haftete zuletzt ein Betrag von S 1,508.815,24 unberichtigt aus, den die klagende Partei infolge des Verzuges der Beklagten mit den Rückzahlungsraten fällig stellte und mit vorliegender Klage geltend machte.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritten unter anderem das Zustandekommen eines Restschuldversicherungsvertrages (Lebensversicherungsvertrages). Bei Berücksichtigung der von der klagenden Partei angewiesenen Versicherungsprämien einschließlich darauf entfallender Verzugszinsen von insgesamt S 163.559,62 ergebe sich, daß im Zeitpunkt der Fälligstellung des Darlehens keine Rückstände bestanden hätten. Sollte tatsächlich eine Restschuldversicherung abgeschlossen worden sein, seien hiefür lediglich Prämien von S 45.876,25 angefallen, sodaß sich ein Differenzbetrag von S 93.785,08 zugunsten der Beklagten ergebe. Diesen Betrag wendeten die Beklagten aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein und brachten weiters noch vor, daß die Erstbeklagte keinen Versicherungsschein erhalten habe. Sie habe die aufgrund des Risikozuschlages erhöhte Prämie nicht genehmigt. Der Risikozuschlag sei auch nicht gerechtfertigt gewesen, weil die Erstbeklagte gesund gewesen sei.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung von S 1,508.815,24 zur Gänze zu Recht bestehe, die Gegenforderung von S 93.785,08 nicht zu Recht bestehe und die Beklagten daher zur ungeteilten Hand schuldig seien, der klagenden Partei den begehrten Betrag sA zu ersetzen.

Der Versicherungsvertrag sei durch die Zahlung der Erstprämie zustandegekommen. Die Belastung des Darlehenskontos mit den Versicherungsprämien entspreche den getroffenen Vereinbarungen. Die Beklagten hätten die Bedingungen für die Stundung der Prämienrückstände nicht eingehalten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Umfang des Zurechtbestehens der Klageforderung mit S 1,415.030,16 und des Zuspruches dieses Betrages samt Zinsen mit Teilurteil. Im übrigen, also hinsichtlich des Zurechtbestehens der Klageforderung mit weiteren S 93.785,08, der Entscheidung über die Gegenforderung in dieser Höhe und des Zuspruches (auch) dieses Teilbetrages hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht, daß aber der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig sei. Bei Fälligstellung der Restschuld seien die Voraussetzungen des § 13 KSchG erfüllt gewesen. Die Restschuld umfasse auch die von der klagenden Partei bezahlten Versicherungsprämien. Die Übersendung des Versicherungscheines sei zwar gesetzlich vorgeschrieben, sei jedoch nicht Voraussetzung für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages. Es sei daher davon auszugehen, daß der Lebensversicherungsvertrag betreffend die Restschuld wirksam geschlossen worden sei. Habe jedoch die klagende Partei dem Versicherer höhere Prämien (Risikozuschlag) als im Versicherungsvertrag vereinbart bezahlt, könne sie den die vereinbarten Prämien übersteigenden Betrag nicht den Beklagten anrechnen. Es sei daher zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsvertrag zustandegekommen sei. Da entsprechend den vereinbarten Versicherungsbedingungen kein Versicherungsschein an den Versicherungsnehmer zu überweisen gewesen sei, habe die vertragliche Nebenpflicht der klagenden Partei bestanden, die Richtigkeit und Vertragskonformität der von ihr auf Rechnung der Beklagten gezahlten Versicherungsprämien zu überprüfen. Soweit die klagende Partei Zahlungen an den Versicherer geleistet habe, die die vereinbarten Versicherungsprämien überstiegen hätten, könne sie diesen Betrag den Beklagten ebensowenig anlasten wie die sich aus der Mehrbelastung ergebenden Verzugszinsen. Da die Beklagten vorgebracht hätten, daß ihnen S 93.785,32 zu viel angelastet worden seien, sei das Klagebegehren insoweit noch nicht spruchreif. Der Rekurs gegen den aufhebenden Beschluß sei zulässig, weil zur Frage, ob unter den gegebenen Umständen die Einhebung eines Risikozuschlages als vereinbart angesehen werden könne, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Hinsichtlich der Berechtigung der Fälligstellung der Restschuld sei die ordentliche Revision nicht zulässig; insoweit bestehe eine ausreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Die gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes erhobene, den Zuspruch eines Teilbetrages von S 164.062,38 sA bekämpfende außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Ihr gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung gerichteter Rekurs ist zulässig und - zwar nicht im Sinn einer sofortigen Abweisung des Teilbegehrens, sondern im Sinn einer Wiederherstellung des der Klage zur Gänze stattgebenden Urteiles des Erstgerichtes - berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob der Lebensversicherungsvertrag bezüglich der Restschuld wirksam zustandekam, kann im Gegensatz zur Ansicht der Rechtsmittelwerber ebenso dahingestellt bleiben, wie die nach Meinung des Berufungsgerichtes noch zu klärende Frage, in welcher Höhe die Versicherungsprämien als vereinbart anzusehen seien:

Die klagende Partei selbst war nicht Versicherer. Sie hatte es, wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, lediglich übernommen, das Antragsformular zum Abschluß der betreffenden Lebensversicherung an die Beklagten zu übermitteln und anschließend an den Versicherer, an den der Antrag gerichtet war, zurückzuleiten. Daß der klagenden Partei im Zusammenhang mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages darüber hinausgehende Aufgaben zugekommen wären, wurde weder behauptet noch festgestellt. Die klagende Partei trat insoweit weder als Vertreter der Beklagten noch insbesondere als deren Berater auf. Sie war in die Geschäftsbeziehungen der Beklagten mit der W***** Lebensversicherungs AG nicht weiter eingebunden. Eine Annahmeerklärung ihr gegenüber hatte nicht zu erfolgen. Auch bei der weiteren Abwicklung des Versicherungsvertrages fungierte sie vereinbarungsgemäß lediglich als Zahlstelle insofern, als die vom Versicherer der Erstbeklagten vorgeschriebenen Prämien vereinbarungsgemäß zu Lasten des Kreditkontos der Beklagten beglichen wurden. Von diesem Vorgang wurden die Beklagten auch durch regelmäßige Übersendung von Kontoauszügen verständigt. Da die klagende Partei nicht Vertragspartei werden sollte und die Anweisung der vorgeschriebenen Prämien an den Versicherer auch nicht von weiteren Bedingungen abhängig gemacht worden war, konnte die klagende Partei mangels einer Reaktion der Beklagten auf die aus den Kontoauszügen ersichtlichen Prämienbelastungen auch nicht wissen, daß diese Prämien allenfalls zu Unrecht vorgeschrieben wurden. Selbst wenn der Versicherungsvertrag mangels Willenseinigung oder aus sonstigen, zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages eingetretenen Vertragshindernissen überhaupt nicht zustandegekommen wäre, könnte der klagenden Partei die Unkenntnis dieses Umstandes nicht angelastet werden. Dies gilt auch für einen allenfalls im Verhältnis zum Versicherungsvertrag - sollte ein solcher wirksam geschlossen worden sein - überhöhten Prämieneinzug.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist nicht ersichtlich, welche Schutz- und Sorgfaltspflichten die klagende Partei im Zusammenhang mit der Abbuchung der seitens des Versicherers vorgeschriebenen Prämien vom Kreditkonto der Beklagten verletzt haben sollte. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die klagende Partei habe eine Prüfpflicht dahin getroffen, ob die Prämienhöhe der zwischen der Erstbeklagten und dem Versicherer geschlossenen Vereinbarung entsprochen habe, ist schon deshalb verfehlt, weil die klagende Partei in das Versicherungsvertragsverhältnis nicht weiter eingebunden war und es keinerlei Hinweise darauf gibt, daß überhaupt eine Auskunftspflicht des Versicherers gegenüber der (bloß) die Prämien anweisenden klagenden Partei bestanden hätte. Eine Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten wurde von den Beklagten auch nicht behauptet. Diese vertreten vielmehr die Rechtsansicht, daß sie den den Versicherungsprämien entsprechenden Depetstand am Kreditkonto deshalb nicht ausgleichen müßten, weil sie dem Versicherer nichts schuldeten. Dabei übersehen sie aber, daß ihre Rechtsbeziehungen zum Versicherer das Vertragsverhältnis mit der ihre Versicherungsprämien kreditierenden klagenden Partei nicht unmittelbar berührt. Soweit in diesem Vorbringen allenfalls der Einwand der Beklagten erblickt werden könnte, daß ein Irrtum über das Zustandekommen des Versicherungsvertrages auch eine Anfechtung des Kreditvertrages bezüglich der Versicherungsprämien rechtfertige, steht einer wirksamen Vertragsanfechtung allein schon der Umstand entgegen, daß die Beklagten keinerlei Behauptungen dahin aufgestellt haben, daß ihr allfälliger Irrtum von der klagenden Partei veranlaßt worden sei, daß er dieser auffallen hätte müssen oder daß er noch rechtzeitig aufgeklärt worden wäre (§ 871 Abs 1 ABGB). Für eine arglistige Vorgangsweise der klagenden Partei (§ 870 ABGB) fehlen ebenfalls jegliche Anhaltspunkte.

Aus zu Unrecht oder zuviel gezahlten Versicherungsprämien resultiert daher allenfalls ein Rückabwicklungsanspruch der Beklagten gegen den Versicherer. Eine Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages bewirkte aber nicht die Unwirksamkeit der mit der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung, die Zahlung der Versicherungsprämien zu Lasten des Kreditkontos vorzunehmen. Die Beklagten haften daher aufgrund der zwischen ihnen und der klagenden Partei getroffenen Vereinbarungen unabhängig vom Bestehen eines wirksamen Versicherungsvertrages und unabhängig von der Höhe der von ihnen zu leistenden Versicherungsprämien für den auch insoweit von ihrem Kreditkonto aufgelaufenen Minusstand.

Da die von den Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision aufgeworfene Rechtsfrage des wirksamen Zustandekommens des Versicherungsvertrages keinen Einfluß auf das Zurechtbestehen des Klageanspruches hat und auch keine Gegenforderung gegen die klagende Partei rechtfertigen kann, war die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Zudem erweist sich die Rechtssache auch im Umfang des aufhebenden Teiles der Berufungsentscheidung bereits im Sinn einer Klagestattgebung spruchreif. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO kann der Oberste Gerichtshof in einem solchen Fall durch Urteil in der Sache selbst erkennen. Da im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse nach § 519 ZPO das Verbot der reformatio in peus nicht gilt, kann aufgrund des Rekurses der Beklagten auch ein Urteil auf Klagestattgebung gefällt werden (WBl 1992, 166 ua). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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