OGH 7Ob125/99d

OGH7Ob125/99d23.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ingeborg R*****, und 2.) Albert R*****, beide vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Z***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 3,437.269,60 sA, über die Revision (Revisionsinteresse S 3,226.873,60) der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 15. Dezember 1998, GZ 5 R 148/98v-56, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20. August 1998, GZ 16 Cg 42/96w-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger haben bei der beklagten Partei für ihr landwirtschaftliches Anwesen in P***** eine Bündelversicherung abgeschlossen, die unter anderem eine Feuer- und eine Betriebsunterbrechungsversicherung umfaßt. Dem Versicherungsvertrag liegen (ua) die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) 1984 und die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden und Einrichtungen soweit sie industriell oder gewerblich genutzt sind oder Wohn- und Bürozwecken dienen, zugrunde. Diese lauten auszugsweise (Beilage 3):

Soweit Gebäude und Einrichtungen zum Neuwert versichert sind, gelten folgende Abweichungen von den der Versicherung zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB):

I. Als Ersatzwert gelten bei Gebäuden der ortsübliche Neubauwert, bei Einrichtungen und den sonstigen zum Neuwert versicherten Sachen die Wiederbeschaffungskosten (Neuwert), jeweils zur Zeit des Eintrittes des Schadenfalles.

...

IV. Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung* übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung* den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt, und in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist. Hiebei genügt es, wenn für zerstörte oder beschädigte Gebäude wieder Gebäude, für zerstörte oder beschädigte Einrichtungen wieder Einrichtungen und für zerstörte oder beschädigte sonstige Sachen gleichartige Sachen hergestellt bzw beschafft werden, soweit alle vorgenannten Sachen dem gleichen Betriebszweck dienen.

....

Unterbleibt die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Schadenfall oder erklärt der Versicherungsnehmer dem Versicherer vor Ablauf der Frist schriftlich, daß er nicht wiederherstellen wolle, so verbleibt es endgültig bei Gebäuden bei dem Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber dem Verkehrswert*, bei Einrichtungen und den sonstigen Sachen bei dem Anspruch auf Zeitwertentschädigung; im Fall eines Deckungsprozesses wird die Frist für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung um die Dauer des Deckungsprozesses erstreckt.

....

*Das ist gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bei Gebäuden die Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber nach dem Verkehrswert (bei Teilschaden nach dessen anteiligem Verkehrswert), bei dessen Ermittlung der Wert des Grundstückes außer Ansatz bleibt; bei Einrichtungen und den sonstigen Sachen die Entschädigung nach dem Zeitwert.

Am 18. 2. 1993 wurde das Wirtschaftsgebäude der Kläger durch einen Brand weitgehend zerstört.

Die Beklagte zahlte den Klägern aus der Feuerversicherung - inklusive der an zwei Hypothekargläubiger der Kläger erbrachten Leistungen - insgesamt S 1,238.359,-- und vertrat die Ansicht, damit alle Ansprüche der Kläger aus dem Schadensereignis vom 18. 2. 1993 befriedigt zu haben.

Die Kläger hingegen meinen, daß ihnen die Beklagte aus der Feuer- und der Betriebsunterbrechungsversicherung noch weitere S 3,437.269,60 zu leisten habe. Neben anderen Streitpunkten, die im Revisionsverfahren nicht mehr bestehen und daher hier nicht darzustellen sind, ist die unterschiedliche Auffassung der Streitteile über die Anspruchshöhe zum größten Teil darauf zurückzuführen, daß die Beklagte der Ansicht ist, den Klägern stehe lediglich eine Entschädigung in Höhe des Zeitwerts zu, weil sie innerhalb der Dreijahresfrist keine Wiederherstellung des Gebäudes in Angriff genommen hätten und darüber hinaus eine bestimmungsgemäße (nämlich der Wiederherstellung gewidmete) Verwendung der Entschädigung nicht gesichert sei. Die Kläger hingegen beanspruchen den Neuwert des Gebäudes und der Betriebseinrichtung.

Ihrer Klage auf Zuspruch von S 3,437.269,60 sA gab das Erstgericht mit S 210.396,-- sA unbekämpft statt. Das Mehrbegehren von S 3,226.873,60 sA sowie ein eventualiter erhobenes Feststellungsbegehren wies es ab. Soweit hier noch wesentlich stellte es dazu fest:

Ein Wiederaufbau des Betriebsgebäudes oder eine Wiederbeschaffung der Betriebseinrichtung hat während drei Jahren ab dem Schadensereignis nicht einmal ansatzweise stattgefunden. Mit Schreiben vom 13. 2. 1996 erklärten die Kläger, die noch zu erbringende Versicherungsleistung ausschließlich zur Wiederherstellung der zerstörten Gebäudesubstanz zu verwenden, worauf die Beklagte darlegte, daß ihrem Dafürhalten nach diese Verpflichtungserklärung nach den Versicherungsbedingungen nicht den Voraussetzungen für den Erwerb des Anspruches auf Zahlung der Differenzentschädigung entspreche.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diese Feststellungen unter Hinweis auf die (hier eingangs wiedergegebenen) Sonderbedingungen Beilage 3 Punkt IV dahin, die Vorlage von Kostenvoranschlägen oder eine Absichtserklärung des Versicherungsnehmers seien für eine Sicherung im Sinne dieser Bedingungen nicht ausreichend, sodaß lediglich ein Anspruch auf Zahlung des Zeitwerts der zerstörten Betriebseinrichtung und des Zeitwerts, höchstens aber des Verkehrswerts des Betriebsgebäudes bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz und erklärte die Revision für zulässig. Es erachtete die Mängel-, Tatsachen-, Beweis- und Rechtsrüge der Kläger als unberechtigt. Ausgehend daher von den Feststellungen des Erstgerichts teilte es auch dessen Rechtsansicht und führte ergänzend im wesentlichen aus:

In dem hier gegebenen Fall der Vereinbarung einer Neuwertklausel vertrete der Oberste Gerichtshof die Meinung, daß der Versicherungsnehmer ohne die fristgerechte Wiederherstellung den Anspruch auf die Neuwertdifferenz keineswegs erlange. Da bei vereinbarter Neuwertklausel also die Wiederherstellung Anspruchsvoraussetzung sei, wobei die Entschädigung nach den zwischen den Parteien vereinbarten Klauseln nicht erst mit dem Aufwand, sondern dann fällig werde, wenn die Wiederherstellung sichergestellt sei, bedürfe es keiner weiteren Feststellung darüber, warum die Kläger bisher mit der Wiederherstellung nicht begonnen haben. Die Kläger hätten behauptet, sie hätten mangels Verfügbarkeit der Entschädigungssumme mit dem Wiederaufbau nicht beginnen können und begehrten dies festzustellen. Darauf komme es aber nicht an, weil es belanglos sei, ob die Wiederherstellung verschuldet oder unverschuldet unterblieben sei. Dem Erstgericht sei darin beizupflichten, daß die Erklärung vom 13. 2. 1996, die Versicherungsleistung ausschließlich zur Wiederherstellung der zerstörten Gebäudesubstanz zu verwenden, keine die Fälligkeit der Entschädigungszahlung auslösende Sicherstellung für den Wiederaufbau bedeute; im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil die bisher erbrachten Versicherungsleistungen anderweitig und nicht für einen Teilwiederaufbau verwendet worden, im übrigen aber auch sonst keine Maßnahmen gesetzt worden seien, die keinen Zweifel an der ernstlichen Absicht der Kläger, zu bauen, aufkommen ließen. Die Einholung von Kostenvorschüssen, auch in Verbindung mit der Erklärung wiederaufzubauen, sei nicht ausreichend. Als "Beginn des Baufortschrittes" wäre es anzusehen, wenn Material zum Wiederaufbau tatsächlich beigeschafft und entsprechend vorbereitet zur Baustelle gebracht worden wäre. In der Praxis wäre es dann so, daß je nach Baufortschritt der Versicherer abschnittweise Entschädigungsleistungen erbringen könnte. Da die Kläger keine Maßnahmen gesetzt hätten, aus denen die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert sei, wäre ein Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen Zeitwert und Neuwertentschädigung noch nicht fällig, wobei nunmehr auch die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegende 3-Jahres-Frist für die Wiederherstellung bereits abgelaufen sei. Die Kläger hätten daher keinen Anspruch auf Abwicklung des Versicherungsfalles unter Zugrundelegung des Neuwertes für Gebäude- und Betriebseinrichtung.

Zur Zulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, der Frage der Sicherung des Wiederaufbaues komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes kann in der Beurteilung, ob die Wiederherstellung im vorliegenden konkreten Einzelfall gesichert ist, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erblickt werden.

Auch die Kläger machen in ihrem Rechtsmittel ausschließlich geltend, daß die Vorinstanzen die Frage, ob die Wiederherstellung des abgebrannten Wirtschaftsgebäudes gesichert ist, zu unrecht verneint hätten. Die - nach Treu und Glauben zu entscheidende (vgl Prölss/Martin VVG26 § 97 Rz 14) - Frage, ob die Wiederherstellung gesichert erscheint, hängt allein von den Umständen des Einzelfalles ab. Grundsätzlich kann lediglich gesagt werden, daß eine 100 %ige Sicherheit nicht verlangt werden kann, sondern es ausreichen muß, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen (Prölss/Martin aaO). Ob dies zutrifft, ist aber lediglich im Rahmen der Einzelfallproblematik zu entscheiden und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, es wäre denn, es läge ein Fall grober Fehlbeurteilung vor. Davon kann aber nach den erstgerichtlichen Feststellungen - insbesondere auch im Vergleich zur Entscheidung 7 Ob 28/92 (= VR 1993/309 = RdW 1994, 41 = ecolex 1994, 532), auf die sich die Kläger berufen wollen - gar keine Rede sein.

Die Revision ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 40 und 50 ZPO selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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