OGH 14Os72/99

OGH14Os72/9922.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Leitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Stefan S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB, AZ 16 E Vr 471/97 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 17. April 1997 (ON 8), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. April 1997, GZ 16 Vr 471/97-8, verletzt in seinem Strafausspruch das Gesetz in der Bestimmung des § 31 Abs 1 StGB.

Text

Gründe:

Zu AZ 8 U 24/96 des Bezirksgerichtes Wolfsberg wurde Stefan S***** am 25. September 1996 des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG rechtskräftig schuldig erkannt und gemäß § 13 Abs 1 JGG der Ausspruch der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten.

Mit rechskräftigem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. April 1997, GZ 16 Vr 471/97-8, wurde der Genannte wegen des in der Zeit von Mitte Oktober 1995 bis Feber 1996 - also vor dem Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg - begangenen Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB unter Anwendung des § 5 (Z 4) JGG und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Der Strafausspruch des Landesgerichtes Klagenfurt steht - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Die Bedachtnahme auf eine der nun abzuurteilenden Tat nachfolgende Verurteilung (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) setzt voraus, daß in diesem Urteil eine Strafe (allenfalls auch nur gemäß § 40 zweiter Satz StGB durch Absehen von einer Zusatzstrafe) überhaupt bemessen wurde. Ein Urteil, in dem von einem Strafausspruch abgesehen oder dieser gemäß § 13 Abs 1 JGG vorbehalten wurde, scheidet demnach aus dem Anwendungsbereich der §§ 31, 40 StGB aus (NRSp 1992/160; Ratz in WK2 § 31 Rz 6).

Stefan Sch***** konnte durch die verfehlte Verhängung (bloß) einer Zusatzstrafe nicht benachteiligt werden. Ebenso wie § 4 Abs 5 TilgG stellt nämlich auch § 55 StGB nur auf die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Zusatzstrafe, nicht aber darauf ab, ob eine solche verhängt wurde (vgl Ratz aaO § 31 Rz 1, 7, 16).

§ 55 Abs 1 StGB spricht mit der "nachträglichen Verurteilung gemäß § 31" nicht die Anwendung des § 31 StGB, vielmehr ebenfalls nur das Verhältnis vom Strafausspruch (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) des Vorurteils zu jenem des Folgeurteils an. Eine "nachträgliche Verurteilung gemäß § 31" ist also eine solche, deren Strafausspruch im Verhältnis des § 31 StGB zum Strafausspruch des Vorurteils steht, was unzweifelhaft bereits aus § 55 Abs 2 StGB erhellt, der die unterlassene Bedachtnahme voraussetzt (arg "gemäß § 31 Bedacht zu nehmen gewesen wäre"). Daraus ergibt sich, daß auch die auf die Probezeiten bezogene Vorschrift des § 55 Abs 3 StGB nicht von der Anwendung des § 31 StGB abhängt.

Umgekehrt bedeutet dies aber, daß die hier verfehlte Anwendung des § 31 StGB im Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt dieses im Verhältnis zum Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg nicht zu einer "nachträglichen Verurteilung" im Sinne dieser Gesetzesstelle mit den aus § 4 Abs 5 TilgG und § 55 Abs 3 StGB ersichtlichen, für den Angeklagten nachteiligen Konsequenzen machen konnte. Die tilgungsrechtliche (§ 3 Abs 1 Z 1 TilgG) Selbständigkeit der Verurteilung durch das Bezirksgericht Wolfsberg wurde durch die festgestellte Gesetzesverletzung ebensowenig tangiert, wie die gesetzliche (§ 55 Abs 3 StGB) Verlängerung der vom Bezirksgericht Wolfsberg gewährten Probezeit dadurch bewirkt werden konnte. Eine Maßnahme nach § 292 letzter Satz StPO erübrigte sich daher.

Stichworte