OGH 15Os60/99

OGH15Os60/9910.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Ratz und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aichinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Kurt W***** wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 24. Februar 1998, GZ 9 Bs 50/98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Kirchbacher, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren 28 Vr 3389/97 des Landesgerichtes Salzburg verletzt der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 24. Februar 1998, AZ 9 Bs 50/98, § 113 Abs 1 StPO und § 36 Abs 4 MedienG.

Der bezeichnete Beschluß (ON 11) sowie der (auf dessen überbundener Rechtsansicht beruhende) Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg vom 2. Juli 1998, GZ 28 Vr 3389/97-14, werden aufgehoben, und es wird dem Gerichtshof zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten vom 6. Februar 1998 (ON 5) aufgetragen.

Text

Gründe:

Gegen den Buchhändler Peter Kurt W***** wurde am 19. Jänner 1998 beim Landesgericht Salzburg zum AZ 28 Vr 3389/97 die Voruntersuchung wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB eingeleitet. Der entsprechende Verdacht betraf Inhalt und Aufmachung des Buches "Geheimnis der Macht". Zugleich ordnete der Untersuchungsrichter auf Grund eines auf § 36 MedienG gestützten Antrages der Staatsanwaltschaft an, "gemäß den §§ 98, 139 ff, 143 ff StPO in Verbindung mit § 36 MedienG" Räumlichkeiten und Fahrzeuge des Beschuldigten "nach Stücken des Medienwerkes (Buches)" zu durchsuchen und "diese Medienwerke zu beschlagnahmen", deren Auffindung und Sicherstellung "als Beweismittel für die weitere Untersuchung" von größere Bedeutung sei und die überdies "den Verfall bzw der Einziehung nach § 33 Abs 1 MedienG" unterlägen (ON 4 und S 273/I). Am 5. Februar 1998 wurden unter anderem 493 Exemplare des genannten Buches sichergestellt (S 303 f, 319, 353 jeweils I).

Gegen diese Entscheidung des Untersuchungsrichters erhob der Beschuldigte Beschwerde (ON 5). Das Oberlandesgericht Linz sprach mit Beschluß vom 24. Februar 1998, AZ 9 Bs 50/98, seine Unzuständigkeit zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel aus, weil mangels einer Spezialbestimmung § 113 Abs 1 StPO zum Tragen komme. Dementsprechend habe die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg über die Beschwerde zu entscheiden (ON 11).

Erst in einer Übersendungsnote des Oberlandesgerichtes Linz vom 14. Mai 1998 wurde die Ansicht geäußert, daß "das Schwergewicht des Beschlusses ON 4 in der Anordnung der Hausdurchsuchung zu liegen scheint" und der Beschluß sich "der Sache nach als Sicherstellungsauftrag darzustellen scheint, sodaß hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit der Beschwerdeentscheidung die Bestimmung des § 36 Abs 4 MedienG nicht Anwendung zu finden scheint" (S 1 c).

Infolge dieser Rechtsansicht gab die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg mit Beschluß vom 2. Juli 1998, AZ Rk 74/98 (ON 14), der Beschwerde des Beschuldigten nicht Folge.

Ein weiterer Antrag der Staatsanwaltschaft vom 10. Juli 1998, "im Sinn der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz" die Beschlagnahme des genannten Buches gemäß § 36 MedienG anzuordnen (S 1 d verso), wurde vom Landesgericht Salzburg mit dem Hinweis abgelehnt, daß bereits ein rechtskräftiger Beschlagnahmebeschluß hinsichtlich des Medienwerkes vorliege und eine "Doppelbeschlagnahme" der StPO fremd sei (ON 16).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 24. Februar 1998, AZ 9 Bs 50/98, steht - wie der Generalprokurator in seiner (im Gerichtstag modifizierten) Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Über Beschwerden gegen Beschlüsse des Untersuchungsrichters hat gemäß § 113 Abs 1 StPO, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Ratskammer zu entscheiden.

Wird die Beschlagnahme "der zur Verbreitung bestimmten Stücke eines Medienwerkes" (§ 36 Abs 1 MedienG), somit der gesamten Auflage (Hartmann/Rieder MedienG 212; Mayerhofer Nebenstrafrecht4 § 36 MedienG E 2) angeordnet, kann dagegen gemäß § 36 Abs 4 MedienG Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof ergriffen werden.

Diese Bestimmung blieb in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz gänzlich unbeachtet. Aus dem Beschluß des Untersuchungsrichters vom 19. Jänner 1998 (ON 4) ergibt sich eindeutig, daß alle zur Verbreitung bestimmten Stücke des Medienwerkes "Das Geheimnis der Macht" zur Sicherung "des Verfalls bzw der Einziehung nach § 33 Abs 1 MedienG" gemäß § 36 Abs 1 MedienG beschlagnahmt werden sollten. Eine solche Beschlagnahme stellt im Hinblick auf die damit verbundene Kriminalisierung weiterer Verbreitung und Veröffentlichung (§ 38 MedienG) eine "Verhaftung des Gedankens" (Hartmann/Rieder aaO 211), somit einen gravierenden Grundrechtseingriff dar, für welchen der Gesetzgeber im Abs 4 des § 36 MedienG eine Kontrollmöglichkeit durch den übergeordneten Gerichtshof vorgesehen hat. Wenn aber ein solcher anderer Rechtszug offensteht, ist die Anfechtung von Maßnahmen des Untersuchungsrichters bei der Ratskammer gemäß § 113 Abs 1 StPO ausgeschlossen. Das Oberlandesgericht Linz hätte daher über die Beschwerde des Beschuldigten meritorisch entscheiden müssen.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereicht dem Beschuldigten insoweit zum Nachteil, als über sein Rechtsmittel nicht die gesetzlich zuständigen Richter entschieden haben (Mayerhofer StPO4 § 292 E 67). Es war somit der dem Gesetz widersprechende Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz sowie der auf Grund der Rechtsansicht des Gerichtshofes zweiter Instanz gefaßte Beschluß der Ratskammer aufzuheben und dem gemäß § 36 Abs 4 MedienG zuständigen Oberlandesgericht Linz die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten aufzutragen.

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