OGH 7Ob82/99f

OGH7Ob82/99f9.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon‑Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Luise H*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher und Dr. Renate Erlacher‑Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten Alfred F*****, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Mag. Erik K*****, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 500.000,‑- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Jänner 1999, GZ 2 R 305/98i‑83, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Juli 1998, GZ 8 Cg 261/95y‑74, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin war gemeinsam mit Hertha P*****, die während des vorliegenden Rechtsstreites verstarb, ihren Miteigentumsanteil jedoch der Klägerin vererbte, Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem im Jahre 1911 darauf errichteten Haus I*****, S*****straße *****. Der Beklagte bot den Erwerb des Dachgeschoßes in diesem Hause im Wohnungseigentum gegen Zahlung von S 200.000,‑- an und erklärte sich bereit, „sämtliche, wie auch immer gearteten Kosten, die zur Sanierung und Ausbau des Daches anfallen“, zu übernehmen. Die erforderlichen Arbeiten am Dachgeschoß und am dritten Obergeschoß präzisierte er in seinem Angebot wie folgt:

„1) Durchführung aller Dachsanierungsarbeiten inklusive jener, welche das dritte Obergeschoß betreffen. Anbringen einer Feuchtigkeits‑ und Wärmeisolierung.

2) Durchführung aller Spenglerarbeiten im Dachbereich, ebenso allenfalls anfallende Arbeiten bezüglich der Regenrinnen des dritten Obergeschoßes.

3) Durchführung der Baumeisterarbeiten, auch soweit sie das dritte Obergeschoß betreffen.

4) Sanierung der Kamine (soweit erforderlich)“.

Diese Vorschläge des Beklagten wurden im folgenden anwaltlich ausgefertigten Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag weitgehend verwertet. Dabei ließen sich die vertragschließenden Teile auf die Formulierung „notwendige Sanierung“ ein, ohne daß der tatsächliche Zustand des Daches „beweisgesichert“ wurde. Der Zustand des Daches im Jahre 1986 vor Beginn der Verbesserungsarbeiten des Beklagten konnte nicht präzise festgestellt werden. Jedenfalls war eine vollständige Entfernung der vorhandenen Lattung nicht notwendig. Daß eine Vollschalung als Unterdach einzuziehen sei, wurde weder schriftlich noch mündlich vereinbart. Eine fachgerechte Gesamtsanierung des Daches wäre unter anderem nur durch Anbringung einer Vollschalung und damit durch Erneuerung des gesamten Daches samt Verblechung und Dachziegel möglich gewesen, was aber nicht der Wille der vertragschließenden Parteien war. Mit Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag vom 3. 12. 1995 erwarb der Beklagte das Recht, den Dachboden zur Schaffung einer Wohnung auszubauen und umzugestalten. Neben der Zahlung eines Kaufpreises von S 200.000,‑- übernahm der Beklagte die Verpflichtung zur Vornahme folgender Arbeiten im Zuge des Dachbodenausbaues:

„1) Durchführen aller Arbeiten zur notwendigen Sanierung des Daches, und zwar nicht nur den Dachboden selbst, sondern auch das dritte Obergeschoß des Hauses betreffend.

2) Anbringung einer Feuchtigkeits‑ und Wärmeisolierung im Dachbereich.

3) Durchführung aller Spenglerarbeiten im Dachbereich inklusive allenfalls anfallender Arbeiten bezüglich der Regenrinnen des dritten Obergeschoßes.

4) Durchführung der notwendigen Baumeisterarbeiten an der Fassade im Dachbereich, auch wenn sie sich in den Bereich des dritten Obergeschoßes erstrecken.

5) Sanierung der Schornsteine soweit dies erforderlich ist.

Einvernehmlich wird festgestellt, daß der Käufer nur zur einmaligen Dachsanierung im Zusammenhang mit seinen Ausbauarbeiten verpflichtet ist; an den Kosten der künftigen Dacherhaltung hat der Käufer seinem Anteil entsprechend beizutragen. Die gesamten Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Dachbodenausbau sowie die gesamten vorbeschriebenen Sanierungs‑ und Instandsetzungsarbeiten erfolgen durch den Käufer auf dessen Rechnung, Gefahr und Kosten, wobei sämtliche Aufwendungen, die vom Käufer im Zuge seines Vorhabens veranlaßt werden, von ihm aus eigenem bezahlt werden. Der Käufer hat somit sämtliche Kosten, die direkt oder indirekt mit dem Dachbodenausbau oder den Sanierungs‑ und Instandsetzungsarbeiten im Zusammenhang stehen, aus eigenem zur Zahlung übernommen. Der Käufer verpflichtet sich, sämtliche Baumaßnahmen sach‑ und fachgerecht durch befugte Professionisten durchführen zu lassen, damit für das Objekt und die Bewohner des Hauses keine Beeinträchtigungen und Nachteile entstehen; hiebei ist auch auf die statischen Gegebenheiten und Erfordernisse des Hauses Bedacht zu nehmen. Der Käufer übernimmt weiters die Verpflichtung, allfällige Schäden, die am Hause oder Anteilen hievon im Zusammenhang mit den von ihm durchzuführenden Baumaßnahmen auftreten sollten, ohne Prüfung des früheren Zustandes und der Verschuldensfrage auf eigene Kosten beheben zu lassen und hält die Verkäuferinnen für allfällige Schäden, die dritten Personen zugefügt werden oder von diesen geltend gemacht werden sollten, schad‑ und klaglos.

Der Käufer erklärt, daß er über die erforderlichen Mittel zur Durchführung der Ausbau‑ und Sanierungsmaßnahmen verfügt und daß die Finanzierung dieser Arbeiten gesichert ist, und verpflichtet sich, für eine bestmögliche Erfüllung der in diesem Punkte übernommenen Verpflichtungen bemüht zu sein“.

Der Beklagte beschränkte sich auf folgende Sanierungsarbeiten: Austausch beschädigter Ziegel, Ausbesserungsarbeiten an der Südfassade, punktueller Austausch der Regenrinnen bei starkem Rost; Neuverblechung der Kamine, Anbringung von Anschlußverblechungen im Bereich der vom Beklagten gesetzten Dachfenster und der Terrasse an der Westseite.

Zur Wärmeisolierung ließ der Beklagte Heraklith und Steinwolle verwenden, für die Feuchtigkeitsisolierung eine bitumenbeschichtete Folie. Regenrinnen und Regenrohre wurden, nur soweit durchgerostet bzw fast durchgerostet, ausgetauscht. Ein Anstrich der alten Dachbleche mit Rostschutzfarbe erfolgte nicht. Insgesamt wendete der Beklagte für die 1986 abgeschlossene Verbesserung des Daches samt Fassade S 110.000,‑- bis S 120.000,‑ ‑. Die damit durchgeführten Maßnahmen genügten, um das Dach (vorläufig) dicht zu halten.

1994/95 traten in den vom Beklagten nicht ausgetauschten Dachrinnen Löcher auf, es brachen auch erneut Gesimsteile aus, was daran lag, daß dieser Dachbereich nicht fachgerecht abgedichtet worden war. Bei fachgerechter Durchführung der vereinbarten Sanierungsarbeiten wären diese Schäden nicht entstanden.

Der durch unvollständige bzw nicht sach‑ und fachgerechte Arbeiten des Beklagten anstehende Sanierungsaufwand zum Zeitpunkt der Klagseinbringung und noch vor der Generalsanierung des Daches betrug mindestens S 150.000,‑ ‑.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Durchführung der in den Punkten 1 bis 5 des Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrages umschriebenen Arbeiten, in eventu die Zahlung von S 500.000,‑- samt 4 % Zinsen seit 6. 10. 1995 mit der Behauptung, der Beklagte sei im Zuge des Ausbaues der Dachgeschoßwohnung seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Ersatzvornahme dieser Arbeiten würde zumindest S 500.000,‑- kosten. Nach einer im Zuge des vorliegenden Rechtsstreites durchgeführten umfassenden Sanierung des gegenständlichen Daches modifizierte die klagende Partei das Klagebegehren dahingehend, daß das bisherige Eventualbegehren auf Zahlung von S 500.000,‑- sA als Hauptbegehren, das bisherige Hauptbegehren hingegen als Eventualbegehren gestellt wurde.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe die vertraglich übernommenen Arbeiten im Jahre 1986 auf seine Kosten durch befugte Professionisten durchführen lassen. Die Leistungen seien auch kontrolliert und in Ordnung befunden worden. Das Begehren der klagenden Partei sei im übrigen verjährt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 150.000,‑- sA zu und wies das Mehrbegehren von S 350.000,‑- sowie das Eventualbegehren ab. Zwischen den Parteien sei nur eine Teilsanierung des Daches vereinbart worden, ohne daß dabei der Umfang der Arbeiten festgelegt worden wäre. Die fehlende klare Definition der Sanierungsarbeiten gehe zu Lasten der klagenden Partei, die es in der Hand gehabt hätten, über die Vertragsverfasserin für eine klarere Formulierung zu sorgen. Als Folge der Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Zustandes des Daches im Jahre 1986 müsse der Deckungsaufwand für die Sanierungskosten im Frühjahr 1997 nach § 273 ZPO festgesetzt werden, und zwar mit S 150.000,‑ ‑. Der Einwand des Beklagten, die eingeklagte Forderung sei verjährt, treffe nicht zu, weil die vertragliche Verpflichtung zu einem Dachgeschoßausbau samt Dachsanierung erst in 30 Jahren verjähre.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin in teilweiser Stattgebung ihrer Berufung mit der angefochtenen Entscheidung weitere S 100.000,‑ ‑, sohin zusammen S 250.000,‑- zu und wies das Mehrbegehren von weiteren S 250.000,‑- ab. Es gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für unzulässig. Die Parteien hätten infolge fehlender Information über den tatsächlichen Zustand des Daches und der technischen Erfordernisse für eine ausreichende Sanierung offenbar eine ungenaue Umschreibung der vom Beklagten durchzuführenden Arbeiten im Vertrag gewählt. Der Umfang seiner Leistungspflicht sei nur durch Vertragsauslegung im Sinne der §§ 914 f ABGB zu erschließen. Dabei ergebe sich, daß sich die Leistungen des Beklagten auf den gesamten Dachbereich zu beziehen hätten. Der Begriff „notwendige Sanierung des Daches“ sei nach der Übung des redlichen Verkehrs umfassend auszulegen. Er umfasse zwar keine Gesamterneuerung des Daches, insbesondere nicht die Anbringung einer Dachschalung, wohl aber den Austausch aller Blechteile. Die technisch sinnvolle Feuchtigkeitsisolierung sei zwar vom Beklagten nicht vertraglich übernommen worden, er hätte aber umso mehr auf die Herstellung einer möglichst gleichwertigen Ersatzlösung Bedacht nehmen müssen. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen, sondern habe vielmehr nur punktuelle Reparaturen am Dach vorgenommen, die nur zu einer vorübergehenden Verbesserung geführt hätten. Der Klägerin stehe daher als Folge der unvollkommenen Leistungserfüllung durch den Beklagten ein vertraglicher Leistungsanspruch zu, der nach § 273 ZPO auszumitteln gewesen sei. Der damit geltend gemachte Erfüllungsanspruch unterliege der 30jährigen Verjährung.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Richtig ist, daß der Erfüllungsanspruch des Bestellers ‑ außer im Falle der Lieferung eines aliuds (vgl dazu Binder in Schwimann ABGB2 § 918 Rz 41) ‑ mit der vorbehaltslosen Übernahme des Werkes durch ihn untergeht (vgl Binder aaO Rz 39 sowie SZ 52/157 uva), dies auch bei vorbehaltsloser Übernahme des Werkes in Unkenntnis der Mangelhaftigkeit. Dem Besteller stehen ab der Übernahme nur mehr Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüche zu. Ist eine körperliche Übernahme (Übergabe) des Werkes nicht möglich, insbesondere weil das Werk im Bereich des Bestellers ausgeführt wurde (zB Ausbesserung eines Gebäudes wie hier), so müssen andere Umstände vorliegen, aus denen nach der Übung des redlichen Verkehrs abzuleiten ist, daß der Besteller das Werk in seine Verfügungsmacht übernommen hat. Die Vollendung des Werkes reicht also nicht aus, es kann hiedurch die Übernahme allerdings indiziert werden. Zur Vollendung des Werkes muß regelmäßig noch hinzutreten, daß der Besteller ausdrücklich oder konkludent die Erfüllung seines Auftrages zur Kenntnis nimmt (vgl Rebhahn in Schwimann ABGB2 § 1168a Rz 8 mwN). Daß die Klägerin die Fertigstellung des Daches 1986 zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich unstrittig. Dementsprechend wären Gewährleistungsansprüche der Klägerin im vorliegenden Fall verfristet, weil der Beginn der Gewährleistungsfrist bei einem Bau mit dessen Überlassung zum Gebrauch beginnt (vgl 3 Ob 538/87, 8 Ob 2350/96f sowie SZ 70/202) und dies 1986 der Fall gewesen ist. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Klägerin stehe ein Erfüllungsanspruch zu, ist daher rechtsirrig.

Wohl aber stehen der Klägerin die parallel neben den Gewährleistungsansprüchen geltend zu machenden Schadenersatzansprüche zu (vgl Binder aaO § 932 Rz 71 mwN).

Einen Schadenersatzanspruch hat die Klägerin erstmals in ihrem Schriftsatz vom 27. 6. 1997 (ON 43 AS 301) gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Da die auf die teilweise Nichterfüllung vertraglicher Zusagen durch den Beklagten von ihm zu vertretenden Schäden 1994/1995 erstmals auftraten, ist diese Geltendmachung noch rechtzeitig (vgl Mader in Schwimann ABGB2 § 1489 Rz 9 ff). Eine Verletzung der Erkundungspflicht durch die Klägerin liegt nicht vor, weil ihr ohne besonderen Anlaß nicht zugemutet werden konnte, vorweg ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl Mader aaO Rz 21).

Der für die Dachsanierung erforderliche und mit dem vorliegenden Hauptbegehren eingeklagte Reparaturaufwand wurde aber „unstrittig“ von der Hausgemeinschaft aufgebracht. Ob die Klägerin Mitglied dieser Hausgemeinschaft ist und wenn ja, über welchen Anteil sie verfügt, steht nicht fest. Die Revisionsbehauptung, daß der Klägerin durch die Übernahme der Reparatur durch die Hausgemeinschaft kein Schaden erwachsen sei, erweist sich zwar als unzulässige Neuerung, ob und welcher Beitrag von der Klägerin zur Dachsanierung geleistet wurde bzw inwieweit sie von der Hausgemeinschaft zur gänzlichen bzw anteiligen Tragung der Reparaturkosten herangezogen worden ist bzw werden kann, steht aber nicht fest. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin eingewandt (vgl AS 513 in ON 73). Dieser Einwand des Beklagten ist jedoch ungeprüft geblieben. Diesen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung in seiner Berufung erhobenen Einwand des Beklagten hat das Berufungsgericht übergangen. Das Erstgericht hätte zumindest über den dementsprechenden Einwand des Beklagten die klagende Partei gemäß § 182 ZPO aufzufordern gehabt, zu behaupten und zu beweisen, ob und in welchem Umfang sie von der Dachsanierung durch die Hauseigentümergemeinschaft in Anspruch genommen wird bzw werden kann.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind zur Klärung dieser Frage daher aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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