OGH 7Ob108/99d

OGH7Ob108/99d9.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei ***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Dyck und Dr. Norman Dick, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Jänner 1999, GZ 54 R 426/98f-21, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 20. August 1998, GZ 22 C 848/98z-15, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.375,-- (darin enthalten S 3.562,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist alleinige Nutzungsberechtigte eines Betriebsgebäudes in I*****. Sie betreibt dort ein Einrichtungshaus. Von ihrer Rechtsvorgängerin mietete die beklagte Partei am 3. 1. 1990 eine Geschäftsfläche von ca 400 m2 im Erdgeschoß des Betriebsgebäudes. Der betreffende Unterbestandvertrag (Beilage A) enthält ua folgende Bestimmungen:

2.0. Verwendung des Mietgegenstandes

2.1. Die Anmietung erfolgt zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes. Über die Warengattung und Bezeichnung desselben entscheidet die Mieterin.

......

10.0.Untervermietung-Rechtsnachfolge-Abtretung

10.1. Es ist der Unterbestandnehmerin für die ganze Dauer des Mietverhältnisses unwiderruflich gestattet, das Mietobjekt insgesamt oder teilweise unterzuvermieten oder zu verpachten. Festgehalten wird, daß sich das Mietobjekt in einem Gebäude befindet, welches auch noch von der Firma T***** und A***** (Textilmarkt) benutzt wird. Aus diesem Grund ist eine Untervermietung an Betriebe, welche Konfektion bzw Bekleidung sowie Schuhe führen, ausgenommen.

Weiters ist es nicht möglich, an Firmen weiterzuvermieten, welche mit Heimtextilien, Haushaltswaren, Möbel und Elektronikwaren handeln, da dieses Sortiment von der Firma T***** vertrieben wird. Geringfügige Überschneidungen in diesen Sortimentbereichen mit dem Sortiment eines Untermieters sind jedoch zulässig.

.....

12.0. Konkurrenzklausel

12.1. Für die Dauer des Mietverhältnisses verpflichtet sich der Unterbestandgeber im Umkreis von 1000 m vom Mietobjekt an Dritte weder Geschäftsräumlichkeiten zu vermieten, zu verpachten oder sonst zu veräußern oder zu überlassen, soferne dort ein Geschäft betrieben wird, das das im Mietobjekt von der Mieterin geführte Sortiment oder einzelne Waren aus diesem Sortiment aufnimmt. Geringfügige Überschneidungen des Sortiments mit den am Standort ansässigen Firmen sind zulässig.

12.2. So lange das Mietverhältnis besteht, ist der Unterbestandgeber nicht berechtigt, im Umkreis von 1000 m vom Mietobjekt ein Unternehmen der gleichen Branche oder mit dem gleichen Sortiment wie das der Unterbestandnehmerin zu eröffnen oder zu betreiben. Geringfügige Überschneidungen des Sortimentes mit den am Standort ansässigen Firmen sind zulässig.

Sollte das Mietobjekt von der Unterbestandnehmerin zur Gänze untervermietet werden, ist die Unterbestandsgeberin nicht mehr an die Punkte 12.1., 12.2 und 12.3. gebunden.

.......

Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wobei der Unterbestandgeber innerhalb der ersten 20 Jahre auf sein Recht zur Aufkündigung verzichtete. Der Unterbestandvertrag wurde von der beklagten Partei entworfen, wobei es sich zu 90 % um einen Standardtext handelte. Bei den Vertragsverhandlungen wurde besprochen, daß der Mietgegenstand als Einzelhandelsgeschäft verwendet werde und sonst keine Einschränkungen bestünden. Darüber hinaus wurde lediglich über Punkt 10.1. des Untermietvertrages gesprochen.

Die beklagte teilte der klagenden Partei am 28. 7. 1997 schriftlich mit, daß sie beabsichtige, im hinteren Bereich des Untermietlokales ein Friseurgeschäft einzubauen und zu betreiben. Es werde um Einverständnis durch firmenmäßige Fertigung des Schreibens ersucht.

Am 27. 8. 1997 lehnte die klagende Partei einen Friseurbetrieb der Beklagten im Mietlokal mit der Begründung ab, die Vermietung sei ausdrücklich zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes erfolgt. Ein Friseurbetrieb der Beklagten wäre für sie, die Klägerin, nachteilig.

Dessen ungeachtet nahm die beklagte Partei im September 1997 auf einer bis dahin als Lagerraum verwendeten Fläche von 40 m2 einen Friseurbetrieb mit sechs Angestellten auf.

Die klagende Partei begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, diesen ihren Friseurbetrieb (Friseurstudio) einzustellen und in Zukunft den Betrieb eines Friseurgeschäftes zu unterlassen. Die Führung eines Friseurgeschäftes im untergemieteten Objekt widerspreche dem ausdrücklich vereinbarten Verwendungszweck zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes. Durch das Verhalten der Beklagten würden die Interessen der klagenden Partei massiv negativ beeinträchtigt.

Die Beklagte wendete ein, der Punkt 2.1. des Mietvertrages sei nur beschreibender Natur; die Vertragsparteien hätten eine Festlegung auf einen ausschließlichen Geschäftsgegenstand nicht gewollt. Dienstleistungen in Form von Friseur- und Beautystudios gehörten zur ihrem typischen Geschäftsbetrieb. Eine Beeinträchtigung der Klägerin liege nicht vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ausgehend von dem eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt vertrat es in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, der Zweck eines Bestandverhältnisses sei aufgrund des nach der Verkehrssitte auszulegenden Parteiwillens zu ermitteln. Die gegenständliche Anmietung sei ausdrücklich zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes erfolgt. Die betreffende Bestimmung des Mietvertrages enthalte bereits nach ihrem Wortlaut eine Einschränkung des Verwendungszweckes, der durch die Punkte 10. und 12. des Vertrages eher noch bestätigt werde. Der Betrieb eines Friseurstudios gehöre nicht zu den Einzelhandelsgeschäften, da dabei im wesentlichen Dienstleistungen angeboten würden. Die Einführung eines Friseurbetriebes im Mietobjekt widerspreche daher dem Mietvertrag. Nach ständiger Rechtsprechung könne sich der Vermieter gegen eine widmungswidrige Verwendung der Bestandräume mit Unterlassungsklage zur Wehr setzen. Die klagende Partei führe im Mietobjekt ein Einrichtungshaus im Rahmen eines typischen "Geschäftszentrums". Unter dem Gesichtspunkt eines bestimmten Konzepts zur Erzielung einer größtmöglichen Kundenfrequenz und einer Abstimmung der unterschiedlichen Betriebe könne nicht davon ausgegangen werden, daß die klagende Partei durch die Einführung des Friseurbetriebes in ihren Interessen nur unwesentlich beeinträchtigt würde. Vielmehr werde sie in ihrer Gestaltungsfreiheit eingeschränkt. Insbesondere wäre es ihr kaum mehr möglich, selbst einen Friseurbetrieb im Mietobjekt anzusiedeln.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz verneinte die von der Beklagten geltend gemachten Verfahrens- und Feststellungsmängel und trat auch der Auslegung des gegenständlichen Unterbestandvertrages durch das Erstgericht bei. Hiebei dürfe nicht übersehen werden, daß ein genügend deutlicher Vertragstext vorweg keinen Raum für eine Vertragsauslegung oder -ergänzung lasse, wie überhaupt auch bei der Vertragsauslegung nach § 914 ABGB die wörtliche Auslegung am Anfang des Interpretationsvorganges zu stehen habe. Das Argument der Berufung, daß sich gerade aus Vertragspunkt 10.1. eine besondere Einschränkung aus Konkurrenzgründen (der Einzelhandelstätigkeit) und damit der Größenschluß ergebe, daß darüber hinaus jede weitere Tätigkeit gestattet sei, überzeuge gerade deswegen nicht, weil mit einer Einschränkung einer Einzelhandelstätigkeit in bestimmten Bereichen die Grundsatzbestimmung (Vertragspunkt 2.1.) überhaupt nicht substantiell tangiert werde, dh, die Ausübung eines handwerklichen Dienstleistungsbetriebes wie einer Friseurtätigkeit liege gänzlich außerhalb dessen, was die Parteien als Vertragszweck vereinbart hätten (nämlich den Betrieb eines Einzelhandelsgewerbes).

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes unzulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, von deren Lösung die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz tatsächlich abhinge (§ 502 Abs 1 ZPO).

Wird eine ordentliche Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, so kann der Oberste Gerichtshof die Begründung seiner Entscheidung auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht erachtete die Revision für zulässig, weil "eine reine Rechtsfrage im Vordergrund der Beurteilung stehe (Vertragsauslegung), zu der eine höchstgerichtliche Überprüfung ermöglicht werden solle".

Ob die von den Vorinstanzen vorgenommene Vertragsauslegung im Einzelfall richtig ist, stellt aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl MR 1989, 210 uva), es sei denn, es läge infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unzumutbares Auslegungsergebnis vor (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936). Davon kann aber im vorliegenden Fall nach den eben wiedergebenen Ausführungen der Vorinstanzen nicht die Rede sein. Die Auslegung des Unterbestandvertrages dahin, daß nach dem vereinbarten Verwendungszweck des Bestandgegenstandes nur eine Einzelhandelstätigkeit, nicht aber auch ein Dienstleistungsbetrieb wie etwa ein Freiseurstudio vorgesehen sei, liegt nach dem Wortlaut des Mietvertrages nahe, ist schon deshalb durchaus vertretbar und kann nicht als krasse Fehlbeurteilung beanstandet werden.

In der Revision werden aber auch keine anderen erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt, die eine Sachentscheidung erforderten. Für revisionswürdig wird von der Beklagten neben der Frage der Vertragsauslegung allein noch angesehen, daß gar keine beachtenswerte Änderung des Bestandvertrages vorliege. Eine geringfügige Erweiterung des Geschäftszwecks - ohne spürbare Nachteile für den Bestandgeber - sei von diesem hinzunehmen. Damit, daß im vorliegenden Fall nur eine geringfügige Änderung der Benützungsart vorliege, habe sich das Berufungsgericht gar nicht auseinandergesetzt.

Auch mit diesen Ausführungen wird keine über die Bedeutung der Einzelfallgerechtigkeit hinausgehende und damit erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, zumal der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit der Frage, ob bzw inwieweit die Änderung der Benützungsart durch den Betrieb eines Friseurstudios die Interessen der klagenden Partei tangiere, nicht auseinandergesetzt, unrichtig ist. Das Gericht zweiter Instanz hat sich vielmehr mit der Frage der Beeinträchtigung der Interessen der klagenden Partei eingehend beschäftigt, ist aber dabei zu dem von der Beklagten nicht gewünschten Ergebnis gelangt, daß der von der Beklagten eingerichtete Friseurbetrieb erheblich in Interessen der Klägerin eingreife. Auch in dieser Einschätzung kann keineswegs eine krasse Fehlbeurteilung erblickt werden.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hängt somit nicht von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage ab. Die demnach unzulässige Revision ist zurückzuweisen.

Da die klagende Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, gebührt ihr der Ersatz der Kosten ihrer Beteiligung am Revisionsverfahren (§§ 41, 50 ZPO).

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