OGH 7Ob123/99k

OGH7Ob123/99k28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann R*****, vertreten durch Dr. Günther Bernhart und Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwälte in Oberwart, wider die beklagte Partei Rosina H*****, vertreten durch Dax-Klepeisz-Kröpfl, Rechtsanwaltspartnerschaft in Güssing, wegen Zustimmung zur Einverleibung (Streitwert S 50.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom 27. Jänner 1999, GZ 13 R 360/98h-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Güssing vom 21. September 1998, GZ 2 C 404/98h-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Kläger verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 31. 3. 1990 seiner Schwester, der Beklagten, aus dem Gutsbestand der EZ ***** Grundbuch I***** die Grundstücke ***** bis *****, *****, ***** und ***** um S 50.000,--. Die Beklagte verpflichtete sich ihrerseits, dem Kläger all jene Hausarbeiten zu verrichten, die er nicht selbst vorzunehmen imstande ist, insbesondere Kleidung und Wäsche zu reinigen, instandzuhalten sowie die Wohnräume des Hauses in Ordnung zu halten. In einer gleichzeitig abgeschlossenen "Zusatzvereinbarung" verpflichtete sich die Beklagte unter folgenden Bedingungen zur Rückübertragung der Liegenschaften an den Kläger:

"a) Sollte sie aus Gründen welcher Art immer nicht in der Lage sein, die im Kaufvertrag vereinbarten Leistungen ihrem Bruder zu erbringen, verpflichtet sie sich, die erworbene Liegenschaft ihm in das Eigentum zurückzugeben, jedoch unter der Voraussetzung, daß die von ihr erbrachten Leistungen zum ortsüblichen Preis abgelöst werden. Sollte eine Einigung über den Umfang dieser Leistungen, sohin über die Höhe des Kaufpreises, nicht erzielt werden, ist dieser von einem Sachverständigen zu ermitteln, dessen Gutachten für beide Teile bindend ist.

Die gleiche Leistung gilt für den Fall der Unverträglichkeit.

b) In diesem Zusammenhang wird weiters festgehalten, daß die Käuferin neben den zu erbringenden Leistungen ihrem Bruder einen Betrag von S 50.000,-- (fünfzigtausend Schilling) zur Verfügung gestellt hat. Dieser Betrag wurde ihm im Zuge seiner Ehescheidung gewährt. Falls die Liegenschaft auf den Verkäufer rückübertragen wird, hat er die S 50.000,--, wertgesichert nach dem Index, jedoch ohne Zinsen, seiner Schwester Rosina R***** zu ersetzen.

c) Schließlich erklärt die Käuferin ihre Bereitschaft, über einseitiges Verlangen ihres Bruders und unter der Voraussetzung der Abgeltung ihrer Leistungen, die Liegenschaft ihm jederzeit zurückzuübertragen, insbesonders dann, wenn infolge geänderter familiärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse dieses zweckmäßig erscheint."

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung ihrer Zustimmung zur lastenfreien Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch I*****. Die Beklagte behaupte, zu Unrecht für den Kläger Leistungen erbracht zu haben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß der Kläger einerseits nur Anspruch auf Rückübertragung der genannten Liegenschaft Zug um Zug gegen Abgeltung der von ihr erbrachten Leistungen habe, andererseits sei die Forderung des Klägers nicht fällig, da ein zwischen den Streitteilen vereinbartes Schiedsgutachten nicht eingeholt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus der Zusatzvereinbarung vom 31. 3. 1990 sei ein Schiedsgutachtervertrag abzuleiten, solange der Schiedsmann die Leistungen nicht bestimmt habe, müsse die Klage auf Rückübertragung der Liegenschaft abgewiesen werden.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit dem angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu treffende neue Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,--, nicht aber S 260.000,-- übersteige. Es erklärte die Erhebung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Mit der Zusatzvereinbarung sei kein Schiedsvertrag im Sinne des § 577 Abs 1 ZPO vereinbart worden. Es liege aber ein Schiedsgutachtervertrag vor. Aufgrund der verwendeten Formulierung "Umfang der Leistungen" obliege dem Schiedsgutachter nicht bloß die Bewertung unstrittiger Leistungen, sondern auch die Ermittlung der erbrachten Leistungen an sich. Diese Auslegung werde durch den Gesamtzusammenhang unterstrichen, so habe sich die Beklagte verpflichtet, die Liegenschaft unter der Voraussetzung zurückzugeben, daß ihre Leistungen vom Kläger zum ortsüblichen Preis abgegolten werden sollten. Die anschließende Bestimmung regle ausdrücklich den Fall, daß eine Einigung über den Umfang dieser Leistung nicht zu erzielen sei. Der eingeschobene Zusatz "sohin über die Höhe des Kaufpreises" beziehe sich ersichtlich darauf, daß der Umfang der Leistungen im Zusammenhalt mit dem ortsüblichen dafür zu entrichtenden Entgelt eine wesentliche Determinante des Kaufpreises darstelle. Der vorliegende Sachverhalt weise Ähnlichkeit mit einem vertragsergänzenden bzw feststellenden Schiedsgutachtervertrag auf. Trotz Vereinbarung einer Schiedsgutachterklausel und trotz fehlendem Schiedsgutachtens sei die Klage aber nicht "zurückzuweisen" gewesen, weil der vorliegende Schiedsgutachtervertrag nicht prozessual, sondern materiellrechtlich zu qualifizieren sei. Dies stelle auch eine Auslegungshilfe bei Beurteilung der dem Schiedsgutachter eingeräumten Befugnisse dar. Auch wenn man davon ausgehe, daß die Ermittlung strittiger Tatsachen durch den Schiedsgutachter keineswegs generell ausgeschlossen, sondern sogar Normalfall der Tätigkeit des Schiedsgutachters sei, sei dabei zu bedenken, daß in derartigen Fällen die Tätigkeit von Schiedsgutachtern in der Regel primär darin bestehe, einen dem Sachkundigen auffindbaren Inhalt einer Leistung oder eines Vertrages klarzustellen oder zufolge besonderer Sachkunde gewisse für eine Vertragsleistung erforderliche Unterlagen und Tatsachen festzustellen. Die Besonderheit des vorliegenden Falles sei jedoch dadurch gekennzeichnet, daß nicht nur die Höhe der der Beklagten zustehenden Entlohnung strittig sei. Die von den Parteien dazu eingenommenen Standpunkte reichten vom völligen Inabredestellen jeglicher Tätigkeit der Beklagten durch den Kläger bis zur Behauptung der Erbringung von Leistungen im Gegenwert von S 250.000,-- bis S 400.000,-- seitens der Beklagten. Bei dieser Sachlage hätte der Schiedsgutachter keine anderen Beurteilungsgrundlagen als die Aussagen der Streitteile und allfälliger Zeugen, wobei die Hauptleistung des Schiedsgutachters in der wertenden Auseinandersetzung mit den Angaben dieser Personen liegen würde, sohin in einer Tätigkeit, die nicht den Schwerpunkt seiner spezifischen Sachkunde darstelle. Eine derart weitgehende Schiedsgutachtervereinbarung wäre nach Auffassung des Berufungsgerichtes zwar theoretisch möglich, daß eine solche von den Parteien bei Abschluß der Vereinbarung tatsächlich gewollt war, sei aber - zumindest in Zweifel - nicht anzunehmen. Die Höhe der Zug um Zug gegen Erbringung der Klagsleistung begehrten Gegenleistung sei auch dann vom ordentlichen Gericht zu beurteilen, wenn deren Höhe aufgrund einer Parteienvereinbarung grundsätzlich einem Schiedsgutachter vorbehalten sein solle, soferne - wie hier - das Schiedsgutachterverfahren nicht einmal anhängig sei. Damit verbleibe der abgeschlossenen Vereinbarung immerhin ein (Rest-)Anwendungsbereich in allen jenen Fällen, in denen die Hauptleistung (Rückgabe der Liegenschaft) selbst nicht strittig sei oder die Parteien aus Kostengründen vorweg die Höhe der Gegenleistung klären wollten. Der theoretisch vertretbaren Auffassung, die abgeschlossene Vereinbarung dahingehend zu deuten, daß die Festsetzung der Höhe der Gegenleistung nicht nur Voraussetzung für die Fälligkeit der Gegenleistung sein sollte, sondern auch für die Fälligkeit des Klagsanspruches, wovon offenbar das Erstgericht ausgehe, erscheine mit dem Einwendungscharakter der Zug-um-Zug-Einrede und der sich daraus ergebenden Behauptungs- und Beweispflicht der beklagten Partei nicht vereinbar. Im fortgesetzten Verfahren werde daher das Erstgericht Feststellungen über Art und Umfang der von der Beklagten allenfalls erbrachten Gegenleistungen und über die Höhe des dafür gebührenden ortsüblichen Entgelts zu treffen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Richtig ist, daß schon aus dem Text der "Zusatzvereinbarung" ausgeschlossen werden kann, daß sich die Streitteile damit einem Schiedsgericht unter Ausschluß der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterwerfen wollten (vgl dazu Rechberger in Rechberger ZPO § 577 Rz 10 mwN). Ohne der Richtigkeit der Ausführungen des Berufungsgerichtes über die verschiedenen Formen des Schiedsgutachtervertrages und dem sich daraus ergebenden Entscheidungsbereich des Schiedsgutachters im vorliegenden Fall entgegenzutreten, läßt sich die vom Berufungsgericht getroffene Auslegung, daß die Parteien mit ihrer Vereinbarung dem Schiedsgutachter keine so weitgehende Entscheidungbefugnis einräumen wollten, daß er aufgrund ihrer Angaben und in deren Wertung und Würdigung den Umfang und die Höhe der von der Beklagten erbrachten Leistungen festzustellen habe, nicht ableiten, sondern stellt einen unzulässigen Vorgriff auf die erst zu gewinnende Tatsachengrundlage dar. Neben der Einsicht in die vorliegende Zusatzvereinbarung wurden im vorliegenden Fall nur der Vertragserrichter, der Notar Dr. S*****, nicht aber die Parteien und die zwei weiteren vom Kläger namhaft gemachten Zeugen einvernommen. Das Erstgericht hat nach einem Antrag des Klägers, die Höhe der von der Beklagten eingewendeten Forderung durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen, keine weiteren Beweise mehr aufgenommen und das Verfahren geschlossen. Dieser vom Kläger gestellte Beweisantrag stellt jedoch kein Zugeständnis des Inhalts dar, daß die Beklagte für ihn nach dem Zusatzvertrag relevante und daher zu vergütende Leistungen erbracht hat, dar. Im vorliegenden Verfahrensstadium kann auch noch unerörtert bleiben, ob die klagende Partei nach § 182 ZPO vom Erstgericht aufzufordern wäre, bekanntzugeben, ob sie ihr bisheriges Vorbringen, daß die Beklagte keine Leistungen erbracht hat, aufrecht erhält, weil vorerst die Beklagte dafür beweispflichtig ist, daß sie nach der Zusatzvereinbarung relevante Leistungen erbracht hat und weil erst nach Lösung dieser Tatfrage beurteilt werden kann und muß, ob ein Schiedsgutachter bestellt hätte werden müssen und welcher Aufgabenbereich diesem zukommt und ob bis zu einer derartigen Gutachtenserstattung das Klagebegehren mangels Nachvollziehbarkeit der zu erbringenden Gegenleistung noch nicht fällig wäre.

Zur Tatfrage gehört die Feststellung der den Sachverhalt bildenden Tatsachen einschließlich aller Schlußfolgerungen; zur Rechtsfrage gehört die Anwendung der entsprechenden Rechtsnorm samt der für ihre Anwendung notwendigerweise vorausgesetzten Erfahrungssätze (einschließlich der Denkgesetze) und allgemeinen Rechtsbegriffe sowie sämtliche rechtliche Schlußfolgerungen aus dem festgestellten Sachverhalt. Hat der Gesetzgeber das konkrete tatsächliche Element soweit in die Rechtsnorm eingebaut, daß die Tatfrage nicht nur das Beurteilungsobjekt der Rechtsnorm ist, sondern in diese selbst eingeht und ihr erst Anwendbarkeit verleiht, liegt eine gemischte Frage vor. Die Urkundenauslegung ist zwar grundsätzlich rechtliche Beurteilung, nicht aber dann ausschließlich, wenn zur Auslegung des Urkundeninhaltes auch die über die Absicht der Parteien durchgeführten Beweise herangezogen werden (vgl Kodek in Rechberger ZPO § 498 Rz 2 mwN). Die Auslegungsregeln des § 914 ABGB sind auch bei Auslegung eines Schiedsvertrages heranzuziehen (vgl zuletzt SZ 68/112). Sowohl zur Frage, ob rechtlich relevante Leistungen von der Beklagten für den Kläger erbracht worden sind und wenn ja, als auch zur Frage, was die Parteien mit der vorliegenden Zusatzvereinbarung zur Erfassung und Bewertung dieser Leistungen beabsichtigten, bzw was sie dazu zum Ausdruck brachten und wie dies der jeweilige Erklärungsempfänger verstanden hat oder verstehen mußte, und wie dieses Verständnis mit dem Urkundenwortlaut vereinbar ist (vgl Rummel in Rummel ABGB2 § 914 Rz 4 ff mwN), bedarf es nach der Einvernahme der Streitteile als Partei und nach der vom Kläger angebotenen Zeugen entsprechender Tatsachenfeststellungen. Der durch solche Tatsachenfeststellungen derzeit nicht gedeckten Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Parteien keine - wie dieses darlegte -, so weitgehende Schiedsgutachterklausel vereinbaren wollten, wäre, sollten sich entsprechende in diese Richtung ergebende Tatsachengrundlagen ergeben, entgegenzuhalten, daß auch eine kostengünstige Pauschalschätzung bezweckt gewesen sein könnte. Der Sachverhalt wäre vom Erstgericht dann auch in dieser Richtung zu beurteilen. Sollten die ergänzenden Feststellungen den rechtlichen Schluß erlauben, daß von der Beklagten für den Kläger erbrachte Leistungen noch dem Umfang und der Höhe nach zu schätzen sind, läge allerdings mangelnde Fälligkeit des Klagebegehrens vor (vgl Fasching LB 2168).

Dem gegen den Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs der Beklagten war daher keine Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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