OGH 6Ob20/99f

OGH6Ob20/99f20.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Christa K*****, 2. Dr. Werner K*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rotraud B*****, vertreten durch Dr. Guido Lindner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Einräumung von Dienstbarkeiten, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 9. Dezember 1998, GZ 2 R 524/98p-34, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Endurteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. August 1998, GZ 26 C 891/97w-25 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. September 1998, GZ 26 C 891/97w-27 bzw der Urteilsausfertigung vom 23. September 1998, GZ 26 C 891/97w-28), als unzulässig verworfen (ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen) wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger stellten als bücherliche Eigentümer von Grundstücken, die sie in ihrer Klage vom 28. 7. 1997 genauer bezeichneten, Feststellungsbegehren und Leistungsbegehren über die ein Grundstück der Beklagten belastende Dienstbarkeiten, und zwar a) die Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens, Reitens und Viehtreibens (im folgenden Gehservitut genannt) und b) die Dienstbarkeit der Verlegung und Erhaltung einer Abwasserleitung. Über die zweitgenannte Dienstbarkeit wurde bereits rechtskräftig entschieden (ON 15 und 19). Auch die Abweisung des Feststellungsbegehrens betreffend die Gehservitut erwuchs in Rechtskraft (ON 19). Mit dem Endurteil vom 16. 8. 1998 gab das Erstgericht im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren auf Einwilligung zur Einverleibung der Gehservitut auf dem Grundstück der Beklagten als dienendem Grundstück zugunsten der herrschenden Grundstücke der Kläger statt, verwechselte im Spruch der Entscheidung aber die Grundstücksbezeichnungen, indem es die herrschenden Grundstücke der Kläger der Beklagten, deren Grundstück aber den Klägern zuordnete (ON 25). Dieses Endurteil wurde der Beklagten am 1. 9. 1998 zugestellt. Auf Antrag der Kläger (ON 26) faßte das Erstgericht den Berichtigungsbeschluß vom 4. 9. 1998 (ON 27), der den Parteien am 11. 9. 1998 zugestellt wurde. Der Rechtsvertreter der Beklagten erklärte dazu einen Rechtsmittelverzicht (AS 203). Das Erstgericht fertigte sodann neuerlich ein mit 23. 9. 1998 datiertes Endurteil aus (ON 28), das den Spruch in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses enthält und in den Entscheidungsgründen identisch mit dem Endurteil ON 25 ist. Diese Ausfertigung wurde den Parteien am 25. 9. 1998 zugestellt.

Mit ihrer Berufung vom 23. 10. 1998 bekämpfte die Beklagte "das Urteil ON 28 (in seiner berichtigten Form gemäß ON 26)".

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig. Der Grundsatz, daß im Falle einer Urteilsberichtigung gemäß § 419 ZPO die Rechtsmittelfrist erst durch die Zustellung der berichtigten Ausfertigung in Gang gesetzt werde, sei dahin einzuschränken, daß kein neuer Fristenlauf ausgelöst werde, wenn die Berichtigung für die Anfechtung der Entscheidung durch den Rechtsmittelwerber deshalb ohne Einfluß geblieben sei, weil der Inhalt der Entscheidung auch ohne Vollzug der Berichtigung in keiner Weise zweifelhaft sein konnte. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidungsberichtigung im "neuerlichen" Endurteil vom 23. 9. 1998 zu erblicken. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei eine neue Rechtsmittelfrist dann nicht geboten, wenn ein völlig zweifelsfreier Entscheidungswille erkennbar sei. Hier habe die Berichtigung lediglich darin bestanden, daß die offensichtliche Verwechslung der beklagten Partei als Eigentümerin der herrschenden Grundstücke einerseits und der erstklagenden Partei als Eigentümerin des dienenden Grundstücks andererseits richtiggestellt worden sei. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Endurteils sei der wirkliche Entscheidungsinhalt für die Parteien nicht zweifelhaft gewesen. Die Berufung der Beklagten sei daher verspätet und gemäß § 474 Abs 2 ZPO zu verwerfen.

Mit ihrem Rekurs beantragt die Beklagte erkennbar die ersatzlose Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht erblickt in der Zustellung der Neufassung des Endurteils (ON 28) an die Parteien keine neuerliche Sachentscheidung des Erstgerichtes (die aus dem Grund der schon entschiedenen Sache als nichtig aufgehoben werden müßte), sondern nur den im § 419 Abs 2

3. Satz ZPO vorgesehenen Vollzugsvorgang bei Urteilsberichtigungen. Diese von der Beklagten gar nicht bekämpfte Auffassung kann trotz der unterschiedlichen Datierung (dies wäre wiederum Gegenstand einer Berichtigung) vertreten werden, weil die besonderen Umstände (Spruch in der schon berichtigten Fassung und sonstige Identität mit dem Endurteil ON 25) gegen einen neuerlichen Entscheidungswillen des Erstgerichtes sprechen.

In der Frage der Verspätung der Berufung der Beklagten ist das Berufungsgericht nicht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Im Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteils auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt im Falle einer Berichtigung die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung zu laufen, es sei denn, daß der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluß keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben konnte (SZ 67/143; 1 Ob 392/97x mwN). Nur dann, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt erlangen, beginnt eine neue Rechtsmittelfrist. Diese volle Klarheit wird beispielsweise für die Entscheidung in der Hauptsache bejaht, wenn die Berichtigung nur die Kostenentscheidung betrifft (2 Ob 149/98w mwN). Das Berufungsgericht hat hier zutreffend den Fall angenommen, daß die Beklagte schon vor dem Berichtigungsbeschluß und vor Zustellung einer berichtigten Urteilsausfertigung keine Zweifel über den wirklichen Inhalt des Urteilsspruchs haben konnte, geht es doch nur um die Berichtigung einer ganz offenkundigen Verwechslung der Grundstücke der Parteien, sodaß von einer Klarstellung des richterlichen Entscheidungswillens durch die Berichtigung keine Rede sein kann. Die Berichtigung offenbarer, also sofort "ins Auge springender" Unrichtigkeiten berührt den eigentlichen Urteilsinhalt nicht, ändert am Umfang der eingetretenen Rechtskraft nichts und führt nach der zitierten ständigen jüngeren Rechtsprechung (in Einschränkung der zuvor seit SpR 8 neu = SZ 2/145 vertretenen Auffassung) nicht zu einem Neubeginn des Laufs der Rechtsmittelfrist.

Über den schon gestellten Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten wird noch zu entscheiden sein.

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