OGH 4Ob94/99y

OGH4Ob94/99y18.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Till N*****, 2. Götz N*****, beide vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer und Dr. Widukind W. Nordmeyer, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Ilse W*****, vertreten durch Dr. Birgit Bichler-Tschon, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalt, infolge Rekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 22. Dezember 1998, GZ 17 R 46/98f-67, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 21. November 1997, GZ 1 C 80/96p-49, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die - großjährigen - Kläger sind eheliche Kinder der Beklagten; die Ehe ihrer Eltern wurde geschieden. Die beiden Kläger leben nicht im Haushalt der Beklagten. Die Beklagte ist seit 1991 mit Dr. Gerhard W*****verheiratet. Sie hat drei weitere Kinder, für die sie sorgepflichtig ist.

Der Erstkläger inskribierte im Wintersemester 1993 an der Universität Innsbruck Wirtschaftsinformatik; im Frühjahr 1995 entschloß er sich zu einem Medizinstudium in Innsbruck. Er betrieb sein Studium ab dem Wintersemester 1996/97 ohne Ernst, Interesse und Zielstrebigkeit. 1994 und 1995 arbeitete er wiederholt aushilfsweise; seit 23. 4. 1997 ist er bei der A***** AG ***** beschäftigt.

Der Zweitkläger studiert seit dem Wintersemester 1992/93 in Innsbruck Medizin. Er hat den ersten Studienabschnitt in 6 Semestern absolviert und im zweiten Studienabschnitt bereits mehrere Prüfungen abgelegt.

Der Ehegatte der Beklagten betreibt seit 1986 mit großem Erfolg ein Werbe- und Marketingberatungsunternehmen als Einzelunternehmen. 1991 gründeten die Beklagte und ihr Ehegatte die F***** KG (idF: F***** KG) und die P***** KG (idF: P***** KG). Die Beklagte ist Komplementärin der P***** KG und Kommanditistin der F***** KG. Ihr Ehegatte ist Komplementär der F***** KG und Kommanditist der P***** KG. Verluste der P***** KG werden im Verhältnis 50 : 50 aufgeteilt, Gewinne je nach Mitarbeit. Für seine Marketingberatungsleistungen erhielt der Ehegatte der Beklagten jährlich 360.000 S. Bis 1994 arbeitete er rund 30 bis 35 Stunden monatlich mit, ab 1994 stellte er seine Mitarbeit praktisch ein. Seine Leistungen wurden jeweils bei Festsetzung des Gewinnverteilungsschlüssels bewertet. Gewinne der F***** KG werden nach Abzug des Vorgewinns des Ehegatten der Beklagten im Verhältnis 50 : 50 aufgeteilt.

Der Ehegatte der Beklagten ist darüber hinaus Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der aus der ARGE D***** hervorgegangenen D***** GmbH, bei der die Beklagte teilzeitbeschäftigt ist.

Die F***** KG ist ein vorwiegend auf pharmazeutischem Gebiet tätiges Werbeberatungs- und Werbevermittlungsunternehmen; die P***** KG handelt mit Werbegeschenken. Die F***** KG war Hauptkunde der P***** KG. Nach dem EU-Beitritt Österreichs ging der Umsatz der F***** KG stark zurück, so daß der Ehegatte der Beklagten seine Geschäftstätigkeit nach Deutschland und in die Schweiz verlagerte. Der Umsatzeinbruch der F***** KG wirkte sich nachteilig auf den Umsatz der P***** KG aus.

Die P***** KG erwirtschaftete nur 1993 einen Gewinn; die Geschäftsjahre 1992 und 1994 schloß sie mit Verlust ab. Die F***** KG erzielte hingegen in allen drei Jahren einen Gewinn. 1994 nahm die D***** die Geschäftstätigkeit auf, deren Gewinne der F***** KG zu 50 % zuflossen.

Das Nettoeinkommen der Beklagten aus den Gewerbetrieben und der Vermietung ihrer Wohnung in W***** betrug 1992 312.194 S, 1993

734.705 S, 1994 478.082 S. Das ergibt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 26.016 S (1992), 61.225 S (1993) und 39.840 S (1994).

Am 29. 8. 1996 zahlte die Beklagte den Klägern 166.912,70 S, die sie wie folgt widmete: Unterhaltsrückstand für den Erstkläger für die Zeit von Dezember 1994 bis Mai 1996 von 45.000 S (2.500 S monatlich), für den Zweitkläger für die Zeit von Juni 1993 bis Mai 1996 von 90.000 S (2.500 S monatlich), jeweils laufender Unterhalt von Juni 1996 bis September 1996 von 2.500 S monatlich; Zinsen von 430 S (Erstkläger), von 860 S (Zweitkläger) und Prozeßkosten von 10.622,70

S.

Die Kläger haben ihr Begehren mehrmals ausgedehnt und eingeschränkt;

der Erstkläger begehrt nunmehr 115.000 S an Unterhaltsrückstand und ab Klagetag einen monatlichen Unterhalt von 5.000 S bis 23. 4. 1997;

der Zweitkläger 150.000 S an Unterhaltsrückstand und ab Klagetag einen monatlichen Unterhalt von 5.000 S. Die Beklagte habe ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 80.000 S bis 85.000 S monatlich. Die unterschiedlichen Betriebsergebnisse der Jahre 1992 bis 1994 seien durch Berücksichtigung der Privatentnahmen auszugleichen. Der Unterhaltsbemessung sei auch der tatsächliche Verbrauch der Beklagten zugrundezulegen. Die Beklagte sei auf das höchste jemals erzielte Betriebsergebnis anzuspannen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die Kläger verfolgten ihr Studium nicht zielstrebig. Ihr Begehren sei überhöht. Die Beklagte habe 1993 monatlich durchschnittlich 33.000 S verdient, 1994 9.555 S und 1995 und 1996 jeweils 9.500 S. Mit der Zahlung vom 29. 8. 1996 habe sie den Unterhaltsrückstand beglichen. Soweit die Kläger ihr Begehren für die Zeit vor dem 2. 7. 1994 ausgedehnt haben, sei ihr Anspruch verjährt.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte mit Teilurteil schuldig, für den Unterhalt der Kläger in der Zeit vom 5. 6. 1993 bis 31. 12. 1994 dem Erstkläger 38.850 S sA und dem Zweitkläger 48.100 S sA zu zahlen. Das Mehrbegehren für diesen Zeitraum wies das Erstgericht ab. Die Beklagte sei im Erstkläger im Zeitraum Juli 1994 bis einschließlich August 1995 nicht unterhaltspflichtig, weil dieser sein Studium nicht zielstrebig verfolgt habe. Jedem der beiden Kläger stünden 15 % des Einkommens der Beklagten als Unterhalt zu. Der Erstkläger könne für die Zeit Juni bis August 1993 1.250 S monatlich, für die Zeit September 1993 bis einschließlich März 1994 2.500 S monatlich und für die Zeit von April bis Juni 1994 5.200 S monatlich fordern. Insgesamt betrage die Forderung des Erstklägers für diesen Zeitraum 36.850 S. Das geringe Einkommen als Ferialpraktikant sei nicht anspruchsmindernd. Der Zweitkläger betreibe sein Studium mit der notwendigen Zielstrebigkeit. Die länger als drei Jahre zurückliegenden Unterhaltsbeträge seien verjährt. Dem Zweitkläger stünden für die Zeit Juni bis August 1993 2.500 S monatlich zu, für die Zeit September 1993 bis März 1994 5.000 S monatlich, für die Zeit April bis Dezember 1994 5.900 S monatlich. Nach Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten verbleibe eine Restforderung von 48.100 S. Das für die Unterhaltsverpflichtung ab 1995 maßgebende Einkommen könne erst jetzt festgestellt werden; insoweit sei die Rechtssache nicht spruchreif.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil für den Zeitraum April 1994 bis einschließlich 1. 7. 1994. Im übrigen - für den Zeitraum 2. 7. 1994 bis Dezember 1994 - hob es die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Wenn der Unterhaltspflichtige seinem verlustbringenden Unternehmen Mittel entnehme, um seinen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, dann müsse er den Unterhaltsberechtigten auf dieser Basis an seinen Lebensverhältnissen teilhaben lassen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Erstgericht die der P***** KG zuzuordnenden Privatentnahmen von 128.640 S nicht berücksichtigt habe, obwohl dieses Unternehmen 1994 einen Verlust erwirtschaftet hatte. Trotz der engen geschäftlichen und persönlichen Verflechtungen seien die Ergebnisse beider Unternehmen getrennt zu sehen. Zu klären sei auch, in welchem Verhältnis die Position "Zurechnung Einkünfte PP KG" über 154.483 S zu den Privatentnahmen stehe und wie die Position "Eigenverbrauch" auf die beiden Unternehmen aufzuteilen sei. Im fortgesetzten Verfahren werde das Sachverständigengutachten zu ergänzen sein, um die beiden Unternehmen getrennt beurteilen zu können. Es werde auch zu berücksichtigen sein, daß die Unterhaltsverpflichtung für den Erstkläger im Wintersemester 1994/95 mangels zielstrebigen Studiums nicht bestanden habe.

Der gegen den Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Für das Einkommen selbständig Erwerbstätiger ist nach herrschender Auffassung nicht der steuerliche Reingewinn maßgebend, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn, wie er sich aus den realen Einnahmen unter Abzug realer Betriebsausgaben sowie der Zahlungspflicht für einkommens- und betriebsgebundene Steuern und öffentliche Abgaben ergibt. Entscheidend ist die tatsächliche Verfügbarkeit. An die Stelle des Reingewinns treten daher die Privatentnahmen, wenn sie den Reingewinn übersteigen oder wenn das Unternehmen einen Verlust erwirtschaftet (Schwimann/Schwimann, ABGB**2 § 140 Rz 48; ders, Unterhaltsrecht**2, 46;

Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 235, jeweils mwN).

Die Beklagte zieht die allfällige Berücksichtigung der Privatentnahmen bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht in Zweifel, meint aber, daß dies dann nicht gelten könne, wenn der Unterhaltspflichtige an mehreren Unternehmen beteiligt ist und in einem Unternehmen ohnedies einen Gewinn erzielt. Ziel der Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Privatentnahmen könne nur sein, einer Schädigung des Unterhaltsberechtigten entgegenzuwirken. Das sei im vorliegenden Fall nicht zu befürchten, weil die Beklagte über ein Nettoeinkommen verfüge. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sei die sich aus dessen Gesamteinkommen nach Abzug von Steuern und Abgaben ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage maßgebend.

Der Beklagten ist zuzustimmen, daß es auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unterhaltspflichtigen ankommt. Diese ergibt sich aus der Summe der Mittel, die dem Unterhaltspflichtigen zur Verfügung stehen. Dazu zählen auch Privatentnahmen, wenn sie in Unternehmen getätigt werden, deren Gewinn darunter liegt oder die einen Verlust erwirtschaften. Ist der Unterhaltspflichtige daneben auch an Unternehmen beteiligt, die mit Gewinn arbeiten und aus denen er einen seine Privatentnahmen übersteigenden Gewinnanteil bezieht, so müssen die Privatentnahmen dennoch in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden. Mit den Privatentnahmen stehen dem Unterhaltspflichtigen nämlich neben seinem Gewinnanteil und sonstigen Einkünften weitere Mittel zur Verfügung, die seine wirtschaftliche Lage bestimmen. In einem solchen Fall nimmt der Unterhaltsberechtigte nur dann angemessen an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teil, wenn auch die Privatentnahmen berücksichtigt werden und damit auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage Bedacht genommen wird.

Da die tatsächliche wirtschaftliche Lage ausschlaggebend ist, kommt es auch nicht darauf an, ob ein Gesellschafter mit den Privatentnahmen sein Entnahmerecht überschritten hat und allenfalls in Zukunft Beträge rückerstatten muß. Ob dies bei künftigen Unterhaltsbemessungen zu berücksichtigen sein wird, kann offenbleiben; bei einer Unterhaltsbemessung für vergangene Zeiträume sind jedenfalls immer die tatsächlichen Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen im jeweiligen Zeitraum maßgebend (s Schwimann aaO 49 mwN).

Keine Rolle spielt auch, ob der Unterhaltspflichtige an Unternehmen beteiligt ist, die miteinander verbunden sind. Auch in einem solchen Fall entspricht die festgestellte Unterhaltsbemessungsgrundlage nur dann der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage, wenn für jedes einzelne Unternehmen die Auswirkungen auf die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen festgestellt werden. Zwischen Gewinnanteilen und - diese übersteigenden oder trotz deren Fehlens getätigten - Privatentnahmen besteht insoweit kein Unterschied.

Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ist um jene Ausgaben zu vermindern, die der Unterhaltspflichtige macht, um seine Existenzgrundlage aufrechtzuerhalten (Schwimann aaO 55 mwN). Das gilt naturgemäß auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige dazu Mittel verwendet, die er einem verlustbringenden Unternehmen entnommen hat. Im fortzusetzenden Verfahren wird daher bei entsprechendem Einwand zu prüfen sein, ob die - im Rechtsmittelverfahren als Neuerung zwar unbeachtliche, bei Geltendmachung im fortgesetzten Verfahren aber zu berücksichtigende - Behauptung der Beklagten zutrifft, die Privatentnahmen getätigt zu haben, um ihren existenznotwendigen Bedarf zu decken.

Der Rekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte