OGH 9ObA99/99w

OGH9ObA99/99w5.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Jan L*****, Hausbesorger, ***** vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Familie K***** - H***** GmbH, ***** vertreten durch Mag. Dr. Ursula Mair, Rechtsanwalt in Landeck, wegen S 17.628,68 brutto sA, infolge Revision (Revisionsinteresse S 14.871,15) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Februar 1999, GZ 15 Ra 5/99v-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Oktober 1998, GZ 42 Cga 161/98t-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.248,64 (darin S 541,44 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 18. 12. 1997 bis 5. 2. 1998 als Küchenhilfe beschäftigt. Mit der vorliegenden Klage begehrte er die Zahlung von S 17.628,68 brutto sA, bestehend aus Kündigungsentschädigung einschließlich Überstundenpauschale (S 8.141,46), anteiligen Sonderzahlungen für die Zeit vom 18. 12. 1997 bis 5. 2. 1998 (S 4.011,83), Urlaubsabfindung für 64 Kalendertage (S 3.915,39) und Feiertagszuschlägen für den 25., 26. 12. und 1. 1. (S 1.560). Er sei von der Beklagten ohne Beschäftigungsbewilligung eingestellt worden. Nach § 29 AuslBG habe er für die Dauer der Beschäftigung die gleichen Ansprüche wie aufgrund eines gültigen Vertrages. Er habe beim Einstellungsgespräch der Geschäftsführerin der Beklagten den Reisepaß, ein amtsärztliches Zeugnis sowie eine Arbeitserlaubnis übergeben und ihr mitgeteilt, daß sie noch mit dem AMS wegen seiner Beschäftigungsbewilligung Kontakt aufnehmen müsse. Im Zuge einer Überprüfung vom 5. 2. 1998 habe das Dienstverhältnis mangels Beschäftigungsbewilligung geendet, sodaß dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche zustünden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß dem Kläger bewußt gewesen sei, daß er nur eine Arbeitsbewilligung für Niederösterreich besessen habe. Er habe diesen gelben Schein vorgezeigt und erklärt, daß es sich um einen Befreiungsschein handle. Die Beklagte habe demzufolge keinen Anlaß gehabt, diese Angabe zu hinterfragen, weshalb sie kein, zumindest kein überwiegendes Verschulden an der bewilligungslosen Beschäftigung des Klägers treffe. Sonderzahlungen stünden schon deshalb nicht zu, weil das Beschäftigungsverhältnis keine zwei Monate gedauert habe. Seinen Urlaub habe der Kläger verbraucht.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 16.068,68 brutto samt 8,5 % Zinsen seit 6. 2. 1998 zu und wies (rechtskräftig) das Mehrbegehren von S 1.560 aus dem Titel der Feiertagszuschläge ab. Es traf folgende entscheidungswesentlichen Feststellungen:

Der Kläger ist tschechischer Staatsbürger und arbeitete bereits vor einigen Jahren für die beklagte Partei. Damals war über Antrag der Beklagten eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden. Am 25. 4. 1997 erhielt der Kläger vom Arbeitsmarktservice Krems eine Arbeitserlaubnis für den örtlichen Bereich Niederösterreich in der Dauer vom 25. 4. 1997 bis 24. 4. 1999. Dabei handelte es sich um einen gelben Ausweis, wobei auf einer Seite die Personalien des Ausweisinhabers aufschienen, ebenso in gleich großer Schrift der örtliche und zeitliche Geltungsbereich. Der Kläger wußte, daß er mit dieser Arbeitserlaubnis in Tirol nicht arbeiten durfte.

Im Herbst 1997 meldete er sich bei der beklagten Partei und bekam die Zusage, daß er in der Wintersaison bei ihr arbeiten könne. Im Rahmen von Telefongesprächen fragte die Geschäftsführerin der Beklagten den Kläger, ob sie eine Arbeitsbewilligung für ihn beantragen müsse, was der Kläger unter Hinweis darauf, daß er im Besitze eines Befreiungsscheines sei, verneinte. Bei Arbeitsantritt wies der Kläger der Geschäftsführerin seinen Paß, sein Gesundheitszeugnis sowie die schon erwähnte, auf den örtlichen Bereich von Niederösterreich beschränkte Arbeitserlaubnis vor. Die Geschäftsführerin nahm in diese Urkunden Einsicht und stellte sie dem Kläger wieder zurück. Sie übersah dabei, daß die Arbeitserlaubnis auf den Bereich Niederösterreich eingeschränkt war. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger der Geschäftsführerin mitteilte, sie müsse eine Arbeitsbewilligung für ihn beantragen.

Am 5. 2. 1998 wurde der Betrieb der beklagten Partei durch das Arbeitsinspektorat kontrolliert. Dabei wurde das Fehlen einer für Tirol gültigen Beschäftigungsbewilligung des Klägers offenkundig. Die Geschäftsführerin der Beklagten teilte daraufhin dem Kläger mit, daß er nicht mehr für sie arbeiten dürfe. Ab Mittag des 5. 2. 1998 stellte der Kläger dann auch die Arbeit ein.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß ein Ausländer nach § 29 Abs 2 AuslBG seine Ansprüche nur dann verliere, wenn er selbst vorsätzlich gehandelt habe. Das Vorweisen einer für Tirol ungültigen Arbeitserlaubnis bei Arbeitsantritt schließe aber ein solches vorsätzliches Handeln aus. Der Kläger könne daher die beendigungsabhängigen Ansprüche geltend machen. Feiertagszuschläge seien nicht zuzuerkennen, weil die Feiertagsarbeit durch Zeitausgleich abgegolten worden sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Beklagte für schuldig erkannte, dem Kläger S 2.757,53 brutto zu zahlen, hingegen das Mehrbegehren von S 14.871,15 brutto sA abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger vorsätzlich gehandelt habe, um die bewilligungslose Beschäftigung zu erreichen, indem er entgegen der wahren Sachlage die Geschäftsführerin der Beklagten mit voller Absicht über das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung getäuscht habe. Dies sei auch ursächlich dafür gewesen, daß die Beklagte nicht um eine Beschäftigungsbewilligung angesucht habe. Vorsätzliches Handeln im Hinblick auf die erforderliche Beschäftigungsbewilligung führe aber zu einer Culpakompensation zu Lasten des Arbeitnehmers und damit zum Untergang seines Schadenersatzanspruches (DRdA 1991/9 [Schnorr]). Daraus folge, daß sämtliche beendigungsabhängigen Ansprüche nicht zustünden. Dem Kläger gebühre eine Urlaubsabfertigung bis zum tatsächlichen Ende seiner Tätigkeit, wobei aber mangels einer zwei Monate dauernden Beschäftigung Sonderzahlungen nicht zu berücksichtigen seien.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Culpakompensation im Zusammenhang mit § 29 AuslBG nicht greifbar sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Kläger ein weiterer Betrag von S 14.871,15 brutto sA zugesprochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Beruht gemäß § 29 Abs 2 AuslBG das Fehlen der Beschäftigungsbewilligung auf einem Verschulden des Betriebsinhabers, dann ist der Ausländer auch bezüglich der Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses so zu stellen, als ob er aufgrund eines gültigen Arbeitsvertrages beschäftigt gewesen wäre. Diese Bestimmung wurde durch die Novelle BGBl 231/1988 in das Ausländerbeschäftigungsgesetz aufgenommen. Aus den Materialien (RV Erl Bem 449 der BlgNR XVII. GP) ist als Zweck der Bestimmung abzuleiten, der verbotswidrigen Beschäftigung von Ausländern zu begegnen und deshalb zusätzliche Ansprüche zugunsten der ausländischen Arbeitskraft zu normieren, welche an die Beendigung einer an sich unerlaubten Beschäftigung bei schuldhaftem Verhalten des Arbeitgebers dieselben Rechtsfolgen knüpfen, wie sie ein Arbeitgeber bei Auflösung eines ordnungsgemäß abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses zu tragen habe (Erl Bem 16). Die fiktive Gleichstellung des Ausländers mit einem Inländer durch Abs 2 gewährleiste die Kündigungsentschädigung und den Abfertigungsanspruch künftig immer dann, wenn den Betriebsinhaber ein Verschulden am Fehlen der Beschäftigungsbewilligung treffe und er unter Berufung auf diesen Umstand das Beschäftigungsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflöse. Damit sei auch der bisherigen Judikatur (Arb 9678) der Boden entzogen, die dem Ausländer auch die Geltendmachung eines auf § 878 Satz 2 ABGB gestützten Schadenersatzanspruches trotz Verschulden des Arbeitgebers am Fehlen der Beschäftigungsbewilligung dann verwehrt habe, wenn der Ausländer diesen Umstand gekannt habe. Auf die Kenntnis des Ausländers vom Fehlen der Beschäftigungsbewilligung komme es also künftig bei der Begründung von Ansprüchen aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr an (aaO 17).

Die Rechtsprechung (Arb 11.277) hat daraus abgeleitet, daß dem Ausländer nicht mehr Kenntnisse der österreichischen Rechtsordnung unterstellt werden dürften als dem Arbeitgeber, welchen gemäß § 19 Abs 1 AuslBG die Pflicht treffe, eine Beschäftigungsbewilligung zu beantragen und sohin im Zweifelsfall nachzufragen, ob eine solche erforderlich sei. Die bloße Behauptung des Ausländers, keine Beschäftigungsbewilligung zu benötigen, könne den Arbeitgeber von seinen Handlungspflichten nicht entbinden. Auch nach der Auffassung von Schnorr (AuslBG2 142 f) ist davon auszugehen, daß der Ausländer seine Ansprüche aus § 29 Abs 2 AuslBG sowie aus culpa in contrahendo auch dann behalte, wenn ihn Fahrlässigkeit an der Unerlaubtheit der Beschäftigung treffe. Er verliere die Ansprüche lediglich dann, wenn er selbst vorsätzlich handle. Mangels Einwandes eines vorsätzlichen Handelns mußte sich der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung jedoch mit diesem Problem nicht weiter auseinandersetzen. In der Lehre (Schnorr AuslBG4 Rz 10 zu § 29) wird zutreffend darauf hingewiesen, daß die schon erwähnten Materialien wohl eine Anspruchsvernichtung durch mitwirkendes Verschulden verneinen, daß die Rechtsfrage selbst jedoch im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß die Materialien ausdrücklich nur die bloße Kenntnis des Arbeitnehmers vom Fehlen einer erforderlichen Beschäftigungsbewilligung als nicht anspruchschädlich nennen, den Fall vorsätzlicher Herbeiführung einer verbotenen Beschäftigung durch den Arbeitnehmer aber unerwähnt lassen. Nach Schnorr (aaO) würde eine undifferenzierte Betrachtung eines mitwirkenden Verschuldens des Arbeitnehmers dazu führen, daß auch derjenige ausländische Arbeitnehmer die Ansprüche aus § 29 Abs 2 und 3 sowie aus culpa in contrahendo geltend machen könnte, der ebenfalls vorsätzlich gegen das Beschäftigungsverbot verstößt, obwohl es auch ihm nach § 3 Abs 2 AuslBG ausdrücklich verboten ist, ohne Beschäftigungsbewilligung eine Beschäftigung anzutreten oder auszuüben. Dies betreffe auch die gar nicht so seltenen Fälle, bei denen Ausländer, die sich illegal im Bundesgebiet aufhalten, ein Interesse daran haben, nicht der Behörde gemeldet zu werden und daher im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber ohne Beschäftigungsbewilligung zu arbeiten. Der Umstand, daß den Arbeitgeber eine Handlungspflicht treffe, nämlich die Beschäftigungsbewilligung nach § 19 zu beantragen, führe zum Schluß, daß ein Verschulden des Arbeitgebers im allgemeinen schwerer wiege als ein solches des Ausländers. Im Ergebnis solle daher der Ausländer seine Ansprüche aus § 29 Abs 2 und 3 sowie aus culpa in contrahendo dann behalten, wenn ihn kein Verschulden oder nur Fahrlässigkeit an der Unerlaubtheit der Beschäftigung treffe. Er solle sie hingegen verlieren, wenn er selbst vorsätzlich gehandelt habe. Der erkennende Senat schließt sich diesen Erwägungen an und hält somit die bereits in Arb 11.277 geäußerte Rechtsansicht aufrecht. Es kann dem Gesetzgeber, welcher die Gleichstellung ausländischer Arbeitnehmer mit Inländern und die Vermeidung der Ausnützung von Abhängigkeiten, welche sich aus der illegalen Beschäftigung ergeben, vor Augen hatte, nicht unterstellt werden, vorsätzliches Handeln eines ausländischen Arbeitnehmers zur Erzielung eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses der bloßen Kenntnis von der Notwendigkeit einer Beschäftigungsbewilligung gleichzuhalten und sanktionslos zu lassen.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das Verhalten des Klägers als vorsätzliche Herbeiführung einer unerlaubten Beschäftigung zu werten ist: Der Kläger wußte über seine unzureichende Beschäftigungsbewilligung nicht nur Bescheid, sondern führte durch seinen ausdrücklichen Hinweis, im Besitz eines Befreiungsscheins (§ 15 AuslBG) zu sein, die Geschäftsführerin der Beklagten bewußt in Irrtum, sodaß sich diese nicht veranlaßt sehen mußte, von sich aus aktiv zu werden und um eine Beschäftigungsbewilligung einzukommen (§ 19 AuslBG). Soweit die Geschäftsführerin der Beklagten bei Arbeitsantritt des Klägers, welcher ihr bereits aus einer früheren Tätigkeit bekannt war, dessen Papiere nur oberflächlich betrachtet und daher die regional beschränkte Beschäftigungsbewilligung übersehen hat, liegt darin wohl eine Fahrlässigkeit, die jedoch im Verhältnis zum vorsätzlichen Handeln des Klägers völlig in den Hintergrund tritt und daher unbeachtlich bleibt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

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