OGH 10ObS84/99x

OGH10ObS84/99x4.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wilhelm Koutny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann S*****, Laborant, ***** vertreten durch Dr. Edeltraud Bernhart-Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 1998, GZ 10 Rs 305/98s-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems a.d. Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7. Mai 1998, GZ 8 Cgs 212/96h-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß (ab 1. 2. 1996) ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß der am 30. 3. 1945 geborene Kläger keinen Beruf erlernt hat und seit dem 25. 7. 1996 bei der A***** GmbH in G***** ursprünglich in der Milchtrocknungsabteilung und später in der Rohstoffübernahme bzw Qualitätskontrolle beschäftigt ist. Er erlangte schließlich die innerbetriebliche Qualifkation als Meister und wurde 1994 in das Angestelltenverhältnis übernommen. Sein Aufgabengebiet in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag umfaßte die Zusammenarbeit mit Auftraggebern betreffend Rohstoff- und Verarbeitungsdisposition, Produktplanung, Personaleinteilung sowie die EDV-mäßige Erfassung des Materialverbrauches und der Produktionsdaten sowie Qualitätssicherung und Kontrolltätigkeiten.

Der Kläger hat durch diese Tätigkeit nur einen Teil der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters erworben, weil aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades in den meisten Betrieben und auch in jenem, in dem der Kläger beschäftigt war, nicht sämtliche Kenntnisse eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters benötigt werden. Der Kläger wurde zu einem Spezialisten für die Rohmilchbearbeitung herangebildet und verfügt dementsprechend nur insoweit über die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters, soweit sie die Milchbearbeitung und Milchverarbeitung betreffen.

Während in dem dreijährigen Lehrberuf eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Milcherzeugung (Fütterung, Viehhaltung, Milchbildung und Melken, Milchbehandlung), auf dem Gebiet der Milchbearbeitung und Milchverarbeitung (Milchannahme und Milchprüfung, molkereimäßige Behandlung der Milch, Trinkmilch, Rahm, Sauermilchprodukte, Käseerzeugung, Käsebehandlung, Buttererzeugung, Sauermilcherzeugnisse), auf dem Gebiet der milchwirtschaftlichen Chemie und Bakteriologie und schließlich auf dem Gebiet der Werkstoffe und Maschinen erworben werden, betreffen die Kenntnisse und die Fähigkeiten des Klägers bei seiner Tätigkeit im wesentlichen nur die Rohmilchbearbeitung. Insbesondere fehlen dem Kläger Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten der Käseerzeugung und Käsebehandlung, der Buttererzeugung und der Herstellung von Sauermilchprodukten. Weiters fehlen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der milchwirtschaftlichen Chemie und Bakteriologie sowie Kenntnisse über die in den genannten Gebieten eingesetzten Werkstoffe und Maschinen.

Aufgrund der festgestellten Leidenszustände kann der Kläger nur noch leichte und mittelschwere Arbeiten unter Ausschluß des Hebens oder Tragens von Gewichten über 20 kg, von Tätigkeiten an höhen- und gefahrenexponierten Stellen und von Tätigkeiten unter ständig besonderem Zeitdruck verrichten. Demnach ist dem Kläger die weitere Ausübung seines bisherigen Berufes nicht mehr zumutbar, weil es dabei insbesondere zu Hebe- und Tragearbeiten mit Gewichten von über 20 kg kommen kann und das Arbeiten an exponierten Arbeitsplätzen berufstypisch ist.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Anlernung einer Tätigkeit im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG durch praktische Arbeit erworbene qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetze, die jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. An einer solchen Vergleichbarkeit fehle es dem Kläger, weil er nur einen Teil des für seine Tätigkeiten als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Lehrberufes eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters abdecke. Keine Rolle spiele dabei, daß der Lehrberuf mittlerweile selten geworden sei und im Wirtschaftsleben oft nur Teilkenntnisse dieses Lehrberufes nachgefragt würden. Da der Kläger im übrigen in der Lage sei, Verweisungstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wie beispielsweise Portier, Sortierer, Billeteur etc auszuüben, sei er nicht invalid.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte dazu ergänzend aus, daß es bei der Beurteilung der Frage, ob ein angelernter Beruf im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG ausgeübt worden sei, in erster Linie darauf ankomme, ob der Versicherte eine Tätigkeit ausgeübt habe, für die es erforderlich sei, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Es komme daher auf die in der Praxis von den Absolventen eines Lehrberufes üblicherweise verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten an. Diese stünden jedoch immer in einer Relation zu jenen Kenntnissen und Fähigkeiten, die bei der Erlernung eines Berufes üblicherweise erworben werden, wobei ein Maßstab für die Qualität und Quantität dieser Fähigkeiten und Kenntnisse die durchschnittliche dreijährige Dauer einer Lehrlingsausbildung darstelle. Sollte es in einem Wirtschaftszweig zu Entwicklungen kommen, daß Kenntnisse und Fähigkeiten nur in einem ganz spezialisierten Teilgebiet nachgefragt werden und so das ursprünglich breit gefächerte Einsatzgebiet des Lehrberufes stark eingeschränkt werde, sodaß für den entsprechenden Lehrberuf kaum Lehrlinge zu verzeichnen seien, so entstehe eine Situation, die jener gleichzuhalten sei, daß für eine bestimmte (qualifizierte) Tätigkeit von vornherein kein Lehrberuf existiere. Auch in diesem Fall käme es aber bei der Prüfung, ob eine qualifizierte Tätigkeit im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG vorliege, nicht allein darauf an, welche Kenntnisse und Fähigkeiten in der Praxis tatsächlich gefordert werden, sondern es müsse auch für diese keinem Lehrberuf entsprechenden Tätigkeiten eine Äquivalenzprüfung beispielsweise unter Bezugnahme auf die entsprechende Anlernzeit im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG vorgenommen werden. § 255 Abs 2 ASVG stelle überdies darauf ab, daß ein gelernter Arbeitnehmer in der Lage sei, bei jedem beliebigen Arbeitgeber seiner Branche tätig zu werden, sodaß ihn dieser in seinem Berufsfeld (allenfalls nach kurzer Einschulung) überall einsetzen könne. Diese generelle Einsetzbarkeit, die Fähigkeit, innerhalb der Teiltätigkeiten eines Berufes zu wechseln, sei ebenfalls eine entscheidende Voraussetzung, um von gleichwertigen qualifizierten Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG sprechen zu können.

Nach den Feststellungen fehlten dem Kläger in weiten Bereichen die dem Lehrberuf eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters entsprechenden Kenntnisse, sodaß die für die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers anzusetzende fiktive Anlernzeit, insbesondere was den möglichen Wechsel der Teiltätigkeiten betreffe, nicht an jene von Absolventen dieses Lehrberufes herankomme. Der Kläger, der aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne, sei daher nicht invalid.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, "unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger und fehlender Tatsachenfeststellung" sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Obwohl im vorliegenden Fall unbestritten die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter für den Kläger leistungszuständig ist, kann sich die Lösung der Frage, ob der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, inhaltlich nach § 273 ASVG richten, wenn nämlich die tatsächlich verrichteten Arbeiten ihrem Inhalt nach gemäß § 14 ASVG die Zugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten begründet hätten. Bei Prüfung eines Pensionsanspruches wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ist für die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach § 255 oder § 273 ASVG zu prüfen sind, nach ständiger Rechtsprechung die tatsächlich verrichtete Tätigkeit entscheidend; die arbeitsvertragliche Einstufung als Arbeiter oder Angestellter ist dafür ebensowenig entscheidend wie eine in einem Kollektivvertrag vorgenommene Einstufung (SSV-NF 4/101; 3/156 ua). Als Angestelltentätigkeit gilt gemäß § 1 Abs 1 AngG unter anderem - die weiteren in dieser Bestimmung aufgezählten Fälle kommen hier nicht in Frage - die Tätigkeit von Personen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes vorwiegend zur Leistung höherer, nicht kaufmännischer Dienste angestellt sind. Von Lehre und Rechtsprechung werden für höhere, nicht kaufmännische Dienste im allgemeinen eine größere Selbständigkeit und Denkfähigkeit, höhere Intelligenz, Genauigkeit und Verläßlichkeit sowie die Fähigkeit zur Beurteilung der Arbeiten anderer, Aufsichtsbefugnis sowie überwiegend nicht manuelle Arbeiten und gewisse Einsicht in den Produktionsprozeß (Arbeitsablauf) gefordert, wobei betont wird, daß auch diese Kriterien Indizien sind und keineswegs zur Gänze im Einzelfall vorliegen müssen. Nach der Rechtsprechung kommt als höhere Dienstleistung jede Arbeit in Betracht, die - ohne daß gerade ein bestimmter Studiengang vorausgesetzt wird - doch in der Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, Vertrautheit mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangt, also nicht rein mechanisch ausgeübt wird und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden kann. Werden Tätigkeiten verrichtet, die sich sowohl als höhere Dienste als auch als nicht höhere Dienste beurteilen lassen, dann entscheidet im allgemeinen das zeitliche Überwiegen. Haben jedoch die höher qualifizierten Tätigkeiten für den Arbeitgeber die ausschlaggebende Bedeutung, dann kommt es nicht auf das zeitliche Überwiegen an (SSV-NF 11/67; 6/20 mwN; 10 ObS 372/98y uva). So wurden in der Rechtsprechung beispielsweise verschiedene Meister mit einem entsprechenden Aufgabenbereich als Angestellte qualifiziert (vgl Dittrich-Tades, ArbR2 58. Erg-Lfg E 167 ff zu § 1 AngG). Auch ein Werkstättenleiter, dessen Weisungs- und Aufsichtsrecht 8 bis 9 Fachkräfte unterstellt sind, leistet höhere, nicht kaufmännische Dienste (SSV-NF 4/101).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen umfaßte das Aufgabengebiet des Klägers die Zusammenarbeit mit Auftraggebern betreffend Rohstoff- und Verarbeitungsdisposition, Produktplanung, Personaleinteilung sowie die EDV-mäßige Erfassung des Materialverbrauches und der Produktionsdaten sowie Qualitätsicherung und Kontrolltätigkeiten. Weiters hat das Erstgericht festgestellt, daß der Kläger die innerbetriebliche Qualifikation als Meister ("Abteilungsleiter") erlangte und 1994 in das Angestelltenverhältnis übernommen wurde. Diese von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen lassen eine verläßliche Beurteilung der bisher im Verfahren noch nicht erörterten Frage, ob der Kläger Angestelltentätigkeiten verrichtet hat, nicht zu.

Der Umstand, daß der Kläger selbst im Verfahren das Vorliegen einer Angestelltentätigkeit bisher nicht behauptet hat, ist nicht entscheidend, weil die Klärung der Frage, ob ein Versicherter Berufsschutz genießt, in allen Fällen, in denen ausgehend vom Bestehen eines Berufsschutzes die Frage der Verweisbarkeit in Frage gestellt ist, unabdingbare Entscheidungsvoraussetzung ist und daher das Gericht diese Frage bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte aufgrund der Bestimmung des § 87 Abs 1 ASGG von Amts wegen zu überprüfen, mit den Parteien zu erörtern und darüber Feststellungen zu treffen hat (SSV-NF 6/46 ua).

Im fortzusetzenden Verfahren wird daher die Frage, ob eine Dispositions- bzw Aufsichtsfunktion des Klägers als Meister bzw "Abteilungsleiter" die manuelle Arbeit im Frischmilchbereich mit den entsprechenden Berufserfahrungen und Fachkenntnissen zeitlich überwog oder ob sie der Bedeutung nach für den Dienstgeber im Vordergrund stand, mit den Parteien zu erörtern sein und es werden dazu entsprechende Feststellungen zu treffen sein, wobei auch noch der genaue Inhalt der vom Kläger tatsächlich verrichteten Tätigkeit näher festzustellen sein wird.

Wenn das Erstgericht nach dieser Verfahrensergänzung zum Ergebnis gelangt, daß eine Angestelltentätigkeit im Vordergrund stand, dann wäre der Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension unter Zugrundelegung des Berufsunfähigkeitsbegriffes des § 273 Abs 1 ASVG zu beurteilen und es käme dem Kläger auch der in dieser Bestimmung normierte Berufschutz zu. Das Verweisungsfeld gemäß § 273 Abs 1 ASVG wird durch den Beruf bestimmt, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat.

Sollte der Kläger hingegen tatsächlich keine Angestelltentätigkeiten verrichtet haben, wäre sein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen, weil dem Kläger nach der zutreffenden Rechtsansicht der Vorinstanzen ein Berufschutz nach § 255 Abs 2 ASVG nicht zukommt.

Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Bildet die Berufstätigkeit des Versicherten, die er während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend ausübte, einen Teil eines Lehrberufes, so ist zur Lösung der Frage des Berufsschutzes dieser Lehrberuf zum Vergleich heranzuziehen (SSV-NF 7/71; 4/158 ua). Auch in diesem Fall ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Berufsschutz nicht erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte alle Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die nach den Ausbildungsvorschriften zum Berufsbild dieses Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, daß er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betrieblichen Einschulungszeit verlangt werden. Es reicht allerdings nicht aus, wenn sich die Kenntnisse oder Fähigkeiten nur auf ein Teilgebiet oder mehrere Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches beschränken, der von ausgelernten Facharbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 9/96; 7/108; 5/122 jeweils mwN). Das Fehlen von einzelnen, nicht zentralen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Lehrberufes steht dagegen der Annahme des Berufsschutzes nicht entgegen (SSV-NF 7/108 ua). Die Kenntnisse und Fähigkeiten für einen angelernten Beruf sind beim Kläger unbestritten am Berufsbild des dreijährigen Lehrberufes eines Molkerei- und Käsereifacharbeiters zu messen. Dabei gehört die Feststellung der Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte verfügt, zur Tatfrage; die Beurteilung, ob er in einem angelernten Beruf tätig war, gehört zur rechtlichen Beurteilung (SSV-NF 6/69 mwN).

Schon aus den bisher getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß der Kläger wohl Teiltätigkeiten des fraglichen Berufes ausgeübt hat, aber keineswegs über alle Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die diesem Berufsbild entsprechen. Die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen und vom Kläger durch praktische Arbeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten umfassen im wesentlichen nur die Rohmilchbearbeitung. Dem Kläger fehlen somit Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten der Käseerzeugung und Käsebehandlung, der Buttererzeugung und der Herstellung von Sauermilchprodukten. Weiters fehlen dem Kläger Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der milchwirtschaftlichen Chemie und Bakteriologie sowie Kenntnisse über die in den genannten Bereichen eingesetzten Werkstoffe und Maschinen. Es handelt sich dabei aber um wesentliche Teilgebiete, die einen integrierenden Bestandteil des Lehrberufes des Molkerei- und Käsereifacharbeiters ausmachen. Dem Kläger fehlen somit wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten dieses Lehrberufes.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht entscheidend, ob es in der Praxis einen (gelernten) Molkerei- und Käsereifacharbeiter gibt, der sämtliche aufgezählten Tätigkeiten auch wirklich ausübt. Hier geht es nämlich nicht darum, ob durch wesentliche Teiltätigkeiten eines Lehrberufes der einmal erworbene Berufsschutz aufrechterhalten werden kann, sondern ob eine angelernte Tätigkeit vorliegt (SSV-NF 9/99; 5/117). Für das Vorliegen einer angelernten Tätigkeit im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG wäre es jedoch, wie bereits dargelegt, erforderlich, daß der Kläger unabhängig von den Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz über alle wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die von einem Absolventen des Lehrberufes des Molkerei- und Käsereifacharbeiters üblicherweise erwartet werden können. Dazu gehören auch die dem Kläger in den angeführten Teilgebieten dieses Berufes fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten, und zwar unabhängig davon, ob der gelernte oder angelernte Molkerei- und Käsereifacharbeiter auf dem konkreten Arbeitsplatz auf allen Teilgebieten seines Berufes auch tatsächlich eingesetzt wird.

Insgesamt hat der Kläger daher durch praktische Arbeit keine qualifizierten Fähigkeiten und Kenntnisse erworben, welche jenen im Lehrberuf Molkerei- und Käsereifacharbeiter gleichzuhalten wären. Daß der Kläger in diesem Fall im Rahmen des § 255 Abs 3 ASVG auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar wäre, wird auch in der Revision nicht in Abrede gestellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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