OGH 1Ob97/99t

OGH1Ob97/99t27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der gefährdeten Parteien mj. Cornelia, geboren am *****, Andreas, geboren am *****, und Thomas K*****, geboren am *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen, alle vertreten durch Mag. Martin Machold, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgerichts vom 17. November 1998, GZ 20 R 226/98w und 20 R 246/98m-16, womit infolge Rekurses des Vaters und Gegners der gefährdeten Parteien Anton K*****, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, der Beschluß des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 27. Juli 1998, GZ 1 P 71/98t-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bestimmte als einstweiligen Unterhalt der mj. Kinder Cornelia, geboren am 28. Februar 1982, Andreas, geboren am 7. Mai 1988, und Thomas, geboren am 10. Jänner 1990 Beträge von 6.400 S, 5.700 S und 5.000 S monatlich. Der in Geld unterhaltspflichtige Vater ist Steuerberater. Er erzielte 1997 ein Nettoeinkommen von etwa 512.000 S, welcher Betrag der Unterhaltsbemessung - unter Abzug bestimmter Aufwendungen des Vaters für die Wohnung der Minderjährigen - zugrundegelegt wurde. Der Vater hatte im Verfahren erster Instanz u.a. vorgebracht, 1997 wegen der Auseinandersetzungen mit seiner Ehegattin, die als Steuerberaterin in seinem Unternehmen beschäftigt gewesen sei, massive Einkommensverluste erlitten zu haben, weil er anstelle seiner Ehegattin als bislang tüchtiger Mitarbeiterin Ersatzarbeitskräfte habe einstellen müssen und diese nunmehr auch versuche, Klienten seiner Steuerberatungskanzlei abzuwerben. Dementgegen brachten die mj. Kinder vor, ihr Vater habe solche Einkommensverluste in der Absicht, ihre Unterhaltsansprüche zu verkürzen, herbeigeführt.

Das Rekursgericht setzte den einstweiligen Unterhalt der mj. Kinder mit 6.100 S, 5.250 S und 4.830 S monatlich fest und sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, nicht zu verkennen, daß die Unterhaltsbemessungsgrundlage von selbständig Erwerbstätigen einschließlich der Angehörigen freier Berufe aufgrund deren Einkommens in den letzten drei Geschäftsjahren zu ermitteln sei, um Schwankungen infolge steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten auszuschalten. Der Anlaßfall unterscheide sich jedoch vom Regelfall dadurch, daß das väterliche Einkommen 1997 - aus möglicherweise besonderen Gründen - nicht jenem der Vorjahre entspreche. Der Vater erblicke die Ursache der Einkommensminderung im Ausscheiden seiner Ehegattin aus der Steuerberatungskanzlei, die Antragsteller unterstellten dagegen eine absichtliche Unterhaltsverkürzung. Dieser Widerspruch in den Tatsachenbehauptungen lasse sich allein durch eine Vernehmung der Eltern als Auskunftspersonen nicht hinreichend klären. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens scheide im Provisorialverfahren aber aus. Die Besonderheiten des Einzelfalls rechtfertigten es daher, den einstweiligen Unterhalt der mj. Kinder gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO bloß aufgrund des Einkommens des Vaters im Jahr 1997 zu bemessen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle, "unter welchen Voraussetzungen bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage bei Selbständigen von einem kürzeren als drei Jahre vorangehenden Zeitraum ausgegangen werden" dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gegenstand einer Provisorialmaßnahme nach § 382 Z 8 lit a EO ist ein einstweiliger - angemessener und nicht bloß notwendiger - Unterhalt, für den der Sachverhalt im allgemeinen möglichst genau zu ermitteln ist, handelt es sich doch um eine besondere einstweilige Verfügung, die dem Berechtigten einen in der Regel endgültig zustehenden einstweiligen Unterhalt zuerkennt (1 Ob 12/98s = ÖA 1998, 215; 1 Ob 2082/96z = EFSlg 82.437; SZ 52/121 ua). Das bedeutet jedoch nicht, daß im Provisorialverfahren zu strittigen Tatfragen Sachverständigengutachten einzuholen sind (1 Ob 12/98s).

Der Antragsgegner ist Steuerberater. Wie im angefochtenen Beschluß und im Revisionsrekurs der mj. Kinder zutreffend dargelegt wird, hat die Ermittlung der Einkünfte eines selbständig Erwerbstätigen als Unterhaltsbemessungsgrundlage nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Regelfall aufgrund der letzten drei Geschäftsjahre zu erfolgen, um Einkommensschwankungen, die auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuführen sind, auszuschalten. Das gilt nicht nur für "Betriebseinnahmen-Betriebsausgaben-Rechner" gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988 (1 Ob 12/98s; 1 Ob 2082/96z = EFSlg 82.469 f; JBl 1992, 702; SZ 63/153 = ÖA 1991, 43 = EFSlg 61.998 mwN), sondern auch für die Gewinnermittlung durch Bilanzierung gemäß § 4 Abs 1 EStG 1988 (1 Ob 12/98s; 1 Ob 2082/96z = EFSlg 82.470; 5 Ob 501/93 = RdW 1993, 146 = EFSlg 70.868), weil nur so eine verläßliche Bemessungsgrundlage gefunden werden kann. Die materiellrechtlichen Grundlagen sind im Haupt- und im Provisorialverfahren gleich (1 Ob 12/98s; 1 Ob 2082/96z). Daher sind die erörterten Grundsätze im allgemeinen auch im Sicherungsverfahren anzuwenden (1 Ob 12/98s; 1 Ob 2082/96z = EFSlg 82.472).

Die grundsätzliche Heranziehung der letzten drei Geschäftsjahre zur Ermittlung der Einkünfte eines Selbständigen als Unterhaltsbemessungsgrundlage erfolgt also, wie nochmals hervorzuheben ist, deshalb, um Einkommensschwankungen, die auf steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten beruhen, auszuschalten. Nur in diesem Sachzusammenhang hat der erkennende Senat in der Entscheidung 1 Ob 2082/96z (= EFSlg 82.471) auch ausgesprochen, er trete nicht der Ansicht bei, daß als Unterhaltsbemessungsgrundlage für selbständig Erwerbstätige (nur) das letzte abgelaufene Geschäftsjahr heranzuziehen sei.

Im Anlaßfall ging es aber nicht um die Ermittlung des durchschnittlichen jährlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen unter Ausschaltung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten, sondern um die Klärung der Frage, ob dem Einkommensverlust 1997 die Absicht des Vaters, den Unterhaltsanspruch seiner mj. Kinder zu verkürzen, zugrundeliegt oder dafür - als unterhaltsrechtlich bedeutsame Umstandsänderung gegenüber den Einkommensjahren 1995 und 1996 - betriebliche Schwierigkeiten, die durch den Streit der Eltern verursacht wurden, ausschlaggebend sind.

Soweit das Rekursgericht unter Berücksichtigung solcher Besonderheiten des Einzelfalls ausführte, im Bescheinigungsverfahren sei nicht klärbar gewesen, ob die für die Unterhaltsfestsetzung maßgebliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters sein Jahresnettoeinkommen 1997 übersteige, entschied es endgültig über eine im Revisionsrekursverfahren nicht mehr bekämpfbare Tatfrage. Die aus einer solchen Tatsache folgende allfällige Ungenauigkeit der Unterhaltsbemessung ist im Provisorialverfahren besonders dann hinzunehmen, wenn die den Unterhaltsberechtigten zuerkannte Alimentierung - wie hier - über dem Durchschnittsbedarf gleichaltriger Kinder liegt.

Über die im Verfahren außer Streitsachen geltend gemachten Ansprüche der mj. Kinder auf Leistung einstweiligen Unterhalts wurde vom Pflegschaftsgericht erkannt. Auch auf ein solches Provisorialverfahren nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO sind die Verfahrensbestimmungen der Exekutionsordnung und im Rahmen gesetzlicher Verweisungen auch jene der Zivilprozeßordnung anzuwenden (7 Ob 508/94). Demnach ist die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 402 EO zu beurteilen. Gemäß § 402 Abs 4 und § 78 EO ist auch § 528 Abs 1 ZPO anwendbar, weil § 402 EO keine Sonderbestimmungen über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses wegen einer erheblichen Rechtsfrage, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, enthält. Eine solche Rechtsfrage ist im Anlaßfall, wie bereits begründet wurde, aber nicht zu beantworten. Der Oberste Gerichtshof ist an einen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gemäß § 526 Abs 2 ZPO auch nicht gebunden, weshalb das Rechtsmittel der Unterhaltsberechtigten zurückzuweisen ist.

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